von der SoZ-Redaktion
Der Asylkompromiss von 1993 brachte die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl und die Einführung des «Asylbewerberleistungsgesetzes». Begleitet von Pogromen griff es Stichworte vom rechten Rand – «Asylmissbrauch» und «Deutschland ist kein Einwanderungsland» – auf und zwang Asylsuchende in ein unwürdiges Leben. Das Gesetz verneint einen Anspruch auf Asyl, wenn man aus einem «sicheren Drittstaat» oder einem «sicheren Herkunftsstaat» kommt. – und weil alle Anrainerstaaten Deutschlands (und bald auch der EU) als «sicher» gelten, kann nach dieser Regel kein ungeliebter Asylsuchender mehr nach Deutschland kommen. So die Theorie.
Dieses Verfahren, das auf EU-Ebene am 1.9.1997 in Kraft trat, wurde europaweit im Dublin-Abkommen geregelt, das inzwischen zwei Aktualisierungen erfahren hat. In seinen Grundzügen wurde das Dublin-Abkommen am 15.6.1990 von zwölf EG-Mitgliedstaaten unterzeichnet. Es war eine der Voraussetzungen für die Zustimmung aller zwölf Regierungen zu den Verträgen von Maastricht, die die Grundlage für die Europäische Union legten.
Das Asylbewerberleistungsgesetz sah außerdem vor, dass Flüchtlinge nicht mehr unter die Sozialhilfe fallen, dass Sozialleistungen an sie deutlich gesenkt werden, Sachleistungen der Vorrang vor Geldleistungen gegeben wird und die Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünfte eingewiesen werden, getrennt von der übrigen Bevölkerung und gerade deshalb häufig Zielscheibe von Naziattacken.
Der neue Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium bedeutet die faktische Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes zugunsten einer weitgehenden Entrechtung von Flüchtlingen. Im einzelnen sieht es vor:
- Alle Flüchtlinge, für deren Asylantrag ein anderer Mitgliedstaat zuständig ist, erhalten keine Bezüge mehr aus dem Asylbewerberleistungsgesetz: keine Unterkunft, keine Sachleistungen, keine Barbeträge, keine medizinische Notversorgung. Nichts. Nur Reiseproviant und eine Fahrkarte zurück. Da sie aber kaum in die Transitländer zurückkehren werden, landen sie als Obdachlose auf der Straße – wie bereits in Ungarn oder Italien.
- Die Regelung trifft auch einen Großteil der Flüchtlinge, die die Bundesregierung einreisen ließ und die von der Bevölkerung so bereitwillig willkommen geheißen wurden. Denn schließlich sind sie über andere EU-Staaten eingereist, ein großer Teil von ihnen wurde dort bereits registriert. Für syrische Flüchtlinge würde die Regelung eine Weile ausgesetzt, bis die öffentliche Sympathiewelle wieder abgeklungen ist.
- Asylsuchende mit einer Duldung, deren Abschiebung vorübergehend ausgesetzt wurde, sowie Härtefälle hatten bislang ein Bleiberecht, das erst vor kurzem großzügiger geregelt worden war. Ihnen wird häufig unterstellt, sie seien selber dafür verantwortlich, dass sie nicht abgeschoben werden können. Nun soll die Regelung gelten, dass sie in solchen Fällen (wenn sie selbst als verantwortlich für die Unmöglichkeit ihrer Abschiebung erklärt werden) von Sozialleistungen ausgeschlossen werden und ein Arbeitsverbot erhalten.
- Ausbildungsverbot: Flüchtlinge, denen unterstellt wird, sie würden ihre Abschiebung verhindern oder sie würden nach Deutschland kommen, um sich Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erschleichen, oder deren Asylanträge als «offensichtlich unbegründet» abgelehnt wurden, dürfen weder arbeiten noch zur Schule, Uni oder in eine Berufsausbildung gehen. Das soll auch für die jetzt in Ausbildung Befindlichen gelten, sie fliegen sofort von der Schule.
- Das Asylverfahren wird verlängert, nicht verkürzt.
- Abschiebungen werden nicht mehr vorher angekündigt – eine deutliche Maßnahme gegen die Antiabschiebenetzwerke, die bislang Abschiebungen durch beherzte Aktionen verhindern konnten.
- Schutzsuchende aus sog. «sicheren Herkunftsländern» müssen bis zur Erledigung ihres Verfahrens in den Lagern bleiben.
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