von Angela Huemer
Die Figuren in diesem Film könnten einem Hollywood-mäßigen Abenteuerfilm entstammen. Und auch die Geschichte, die erzählt wird, ähnelt einem Spielfilm. Sie ist exemplarisch. Der Kern der Geschichte ist Bob Hunter, ein politischer Kolumnist der Vancouver Sun mit einer der damaligen Zeit angemessenen Haarmähne und Rauschebart samt intelligentem und freundlichem Gesicht. Vancouver, so erfahren wir bald, war Anfang der 70er Jahre ein besonderer Ort. Die kanadische Hafenstadt am Pazifik war damals eine Hochburg für Hippies, Esoteriker und vor allem politisch Aktive aller Art. Viele Amerikaner waren dort gestrandet, weil sie sich dem Wehrdienst entziehen wollten.
Im Herbst 1971 planten die Amerikaner unterirdische Atomversuche auf der alaskischen Insel Amchitka, weit, weit oben im Norden. Bob Hunter schart eine Gruppe Männer um sich, und der ganze erste Teil handelt davon, wie die Gruppe nach und nach zueinander findet. Wir sind bei alldem quasi dabei – denn Jerry Rothwell hat seit mehr als 40 Jahren erstmals wieder einen unglaublichen Schatz gehoben: Filmaufnahmen aus der Anfangszeit von Greenpeace. Wir erfahren auch, wie der Name entstand: Es gäbe ja schon eine Friedensbewegung, eine Frauenbewegung und eine Bürgerrechtsbewegung, aber nichts Vergleichbares in bezug auf die Umwelt. Die erste geplante Aktion der Gruppe war denn auch eine Verschmelzung zweier wesentlicher Anliegen, Erhalt des Friedens und Bewahrung der Umwelt.
Bob Hunter schreibt irgendwann in einer seine Kolumnen, dass er nun die Feder niederlegen und sich Vollzeit der Natur widmen wird. Das tut er. Mit einem ziemlich rostigen, heruntergekommenen Kutter, dessen Besitzer ein fast haudegenartiger Abenteurer ist, machen sie sich auf den Weg nach Amchitka. Kein leichtes Unterfangen, das Meer ist rau und die Gefahren groß. Und dann ist da noch die Küstenwache, die leider dieser ersten Aktion den Garaus macht. Noch dazu wusste man gar nicht, wann genau der Atomversuch stattfinden sollte. Schweren Herzens entscheidet Bob Hunter umzukehren.
Die Geschichte hat einen Erzähler, das ist Bob Hunter selbst. Und wir treffen die anderen Beteiligten, jeder und jede wird von Rothwell interviewt, gut ausgeleuchtet und sorgfältig inszeniert. Es ist schön, allein an ihren Gesichtern zu sehen, wie die Zeit vergeht, mitunter erkennt man sie gar nicht mehr so recht wieder, auch wenn einige ihrem Haarstil durchaus treu geblieben sind.
Vor dem Kinoeingang stand ein Tisch mit Unterlagen zu aktuellen Kampagnen, super professionell gemacht und auch nach dem Film standen die emsigen Damen noch da. Doch dem Regisseur ging es nicht um einen Film über Greenpeace-Kampagnen, sondern um das Kollektiv, das damals entstanden war und die richtige Mischung bildete, um so etwas wie Greenpeace entstehen zu lassen. Das allerdings war, das wird auch im Laufe des Film ziemlich klar, sehr stark der sehr genauen Vision von Bob Hunter zu verdanken, der fast so etwas wie ein genaues Skript im Kopf hatte. Da war es ganz wesentlich, dass von Anfang an gefilmt wurde und die Nachrichten vom rostigen Kutter sich beinahe wie zu heutigen Internet-Zeiten rasant über den Äther verbreiteten.
Geschichte entsteht vor allem auch dadurch, erfahren wir, dass man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Und eine gute Show bietet. Das tat die Greenpeace-Gruppe, als sie als zweites Anliegen den Walfang aufgriff. Ziel war, mit einem kleinen Schlauchboot zwischen einen großen Walfänger und die gejagten Tieren zu kommen. Sie schafften es, als sie einer russischen Walfangflotte nahe kamen. Unvergesslich das Bild, als einer von ihnen, der wohl abenteuerlichste, Paul Watson, auf einem toten Wal sitzt, der im Meer treibt, fassungslos darüber, was man dieser atemberaubenden Kreatur angetan hat.
Rothwell zeigt sehr gut – in einzelnen Kapiteln und indem er die Beteiligten zu Wort kommen lässt –, wie er dem Aspekt auf den Grund geht, der ihn am meisten interessiert: der gruppendynamische. Was geschieht mit einer solchen Gruppe von Abenteurern, die ziemlich rasch auf ein großes Echo stößt und Erfolg hat? Und wie wird aus den paar Männern und wenigen Frauen auf dem rostigen Kutter eine weltweit agierende Umweltschutzorganisation? Der einzige, der nicht mehr direkt im Interview zu Wort kommt, auch wenn seine Worte und sein Geist den Film durchziehen, ist Bob Hunter, er ist 2005 an Krebs gestorben.
Ein spannender und mitreißender Film. Mein ganz kleiner Kritikpunkt: Während einige der alten Songs der 70er richtig gut eingesetzt werden, wird einem die für den Film gemachte Musik manchmal zuviel. Aber das mag auch meiner sehr eigenen, persönlichen Empfindlichkeit geschuldet sein. Allein das ausführliche Betrachten des historischen Filmmaterials ist ganz wunderbar, Rothwell hat da in der Tat einen Schatz gehoben.
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.