Sonntagsfrage – zu den Parlamentswahlen am 25. Oktober
Durchschnittswert der letzten Umfragen der verschiedenen Institute:
Dabei wird eine Rolle die Größe der Nicht-Wähler und der vielen Wähler, die sich noch nicht entschieden haben, spielen. Aber die letzten Fernsehauftritte, die Agitation in den Kirchen und das Wetter werden auch eine Rolle spielen. Einzelne Beobachter gehen gar davon aus, dass außer PO und PiS nur noch die Kukiz – Bewegung in das Parlament einziehen wird.
AUGUST SEPTEMBER OKTOBER
PiS Recht und Gerechtigkeit: 39,5 % 36,6 % 34/32 %
PO Bürger Plattform : 25,8 % 23,7 % 24/22 %
ZL Vereinigte Linke 7,1 % 7,3 % 10/10 %
NP Modernes Polen 4,2 % 5,1 % 9/7 %
PSL „alte Bauernpartei 4,9 % 4,2 % 6/5 %
Kukiz – Rocksänger 7,8 % 6,8 % 8/5 %
Die Gewerkschaft August 80 ruft auf ihrer Internetseite ihre Gewerkschafter auf Kandidaten aus dem Lager der „Vereinigten Linken“ und dort die Vertreter von Gewerkschaften zu wählen, u a. sind es eine Kandidatin und ein Kandidat von August 80 und vier Gewerkschafter der OPZZ bzw. der SLD. Damit wollen sie erreichen, dass diese gemeinsam für Arbeitnehmer im Sejm eintreten.
Kommentar im Przeglad: Die Wahllisten der „Vereinigten Linken“ sind recht bunt und dort sind recht interessante Kandidatinnen und Kandidaten vertreten, sodass jede/r Sympathisant der Linken dort jemanden findet. Unter diesem Aspekt sollte die Liste gesehen werden. Dies ist eine Chance für die Linken – vergesst die kompromittierten Kandidaten – dies ist eine Chance, um eine Linke zu formieren, die sich für die Belange der Arbeiter – gerechten Lohn und geordnete Arbeitsverhältnisse einsetzt.
Heute Schrottverträge – morgen Schrottrenten Przeglad, 12.10.2015
Die Linken haben jetzt erreicht, dass zu den Wahlen die anderen Parteien zu den Fragen der Löhne Stellung beziehen müssen. Was sie dann verwirklichen werden ist eine andere Frage. Jeder 7. polnische Arbeiter ist arm. Wenn reale Umrechnungen zu Lohn und Kaufkraft verrechnet werden, liegt der Mindestlohn in Polen bei 738 Euro – in England bei 1114; Irland 1238 und in Deutschland bei 1441 Euro. Kein Wunder also, dass in diese Länder 1,325 Millionen Polen zum arbeiten ausgereist sind. Von den 14 Millionen regulären Beschäftigten erhalten 9% den Mindestlohn, 1,6 Millionen arbeiten auf zivilrechtlicher Basis (Schrottverträge). Dabei sind Reinigungskräfte und Wachleute mit 2-8 Zloty (1-2 €) am schlechtesten dran. Die Arbeitgeber bieten sogar 1 Zloty-Jobs an. Sie gehen davon aus, dass sich immer jemand findet, der unbedingt arbeiten will. Bisher gab es Mindestlöhne auf einen Monat berechnet – viel Raum für die Arbeitgeber zur Manipulation. Jetzt wird endlich auch darüber gesprochen die Mindestlöhne auf Stunden zu beziehen. Die Vereinigte Linke fordert 15 Zloty/Std., das wären 2500 Zloty im Monat. PiS und PO gehen von 12 Zloty – 1850 Zloty im Monat aus. Es wird aber auch auf die Steuern aufmerksam gemacht, denn eine ungerechte Steuer –Gesetzgebung bringt die Niedrigverdiener um ihren Lohn. Es wird auch darauf hingewiesen, dass im Vergleich zu anderen Ländern in Polen nur 11% der Beschäftigten Gewerkschaften angehören und somit diese kaum in der Lage sind Löhne durchzusetzen. Eines scheint klar zu sein – die Zeit des Gürtel-Enger-Schnallen, wie es 25 Jahre vorherrschte, sollte endgültig vorbei sein.
Enttäuschte Mittelschicht wählt rechts Le Monde Diplomatique Polska, 28.09.2015
Im Land geht die Mär um, dass Arbeitslose und prekär Beschäftigte das Gros der anwachsenden Zahl rechter Wähler bilden würden. Dem widerspricht P. Wielgosz in seinem Leitartikel. In den letzten Jahren wurde von den Regierenden – egal welcher Couleur – der Mythos der Mittelklasse heraufbeschworen: bald gehöre ihnen die Zukunft! Vor allem die Bürger Plattform ging davon aus, dass sie die Partei der Mittelklasse sei. In Zeiten der Transformation wurde suggeriert, dass der Mittel die Zukunft sei: sie würden ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen und ihr Arbeitsleben selbst bestimmen und Gewinne machen, große Reisen unternehmen, die tollsten Autos und Häuser besitzen. Aber sie wurden enttäuscht. Es wurde die lineare Steuer eingeführt, Renten und Gesundheitswesen werden privatisiert, die Staatliche Versicherung wird attackiert, ebenso wie die Gewerkschaften. Das einzige was dann noch „wahrhaftig“ ist, ist die Ehre ein Pole zu sein. Der Feind der frustrierten Mittelklasse ist nicht das Kapital, sondern Gewerkschafter, Bauern, Migranten, Moslems, kulturelle und andere Minderheiten, politische Parteien, der öffentliche Dienst, die Sozialleistungen und schließlich die Demokratie. So wird heute die Mittelklasse zu einer Gefahr für die Demokratie. Schließlich hat das 20. Jahrhundert gezeigt, dass sie einen starken Beitrag zum Zustande kommen von Diktaturen (Italien und Deutschland zwischen den Weltkriegen, Chile unter Pinochet) geleistet haben.
Wir können uns Flüchtlinge leisten! Przeglad, 28.09.2015
Im polnischen Internet wird viel Hass und Hysterie bezüglich der Aufnahme von Flüchtlingen durch Polen verbreitet. Vom Krieg der Zivilisation, Islamisierung, Überfall von Wilden und ähnlichen Geschmacklosigkeiten ist die Rede.
Aber glücklicherweise fehlt es nicht an Menschen, die den Flüchtlingen helfen wollen „es muss sein, das ist menschlich!“ So entstand die Aktion „Mit Brot und Salz“, damit ein anderes Bewusstsein in der Bevölkerung die Oberhand gewinnt. Am 12. September fand in Warschau eine Kundgebung unter dem Motto: „Flüchtlinge –Ihr seid gern gesehen!“ daran nahmen 3.000 Menschen teil. Fotos unter:http://www.krytykapolityczna.pl/fotorelacje/20150913/uchodzcy-mile-widziani-fotorelacja Unter anderem wurden dabei auch Schlafsäcke gespendet, die anschließend nach Berlin (!) geschickt und dort verteilt wurden. Zwei vollgeladene Busse mit Sachen wurden an die Serbisch – Kroatische Grenze geschickt. Es entstand die „Stiftung Gemeinsamer Lebensraum“, die die stereotypen über den Islam durch Filme und Diskussionen durchbrechen will. 22% der Polen hatten überhaupt einmal Kontakt zu Moslems, aber 73% sind negativ eingestellt. Sogar junge gut ausgebildete Menschen plappern irgendwelche verdrehte „Tatsachen“ nach. Eine andere Initiative „stac nas” – was so viel bedeutet wie wir können es uns leisten – entstand, weil in den Medien immer wieder propagiert wird, dass Polen es sich nicht leisten kann. Alle Initiativen berichten, dass die Anzahl der Helfer ständig am Anwachsen ist.
Die Losung „STOPP für illegale Migranten“ gefällt am meisten den Menschen in der Region Podhale, jede zweite Familie dort hat einen „Illegalen“ in den USA.
Bischöfe zu Flüchtlingen Przeglad, 28.09.2015
Ob es denn den Politikern von Recht und Gerechtigkeit (PiS) und vielen ihrer frommen Anhänger gefällt, was die polnischen Bischöfe von sich geben? Das Kommunique der polnischen Bischofskonferenz beschäftigt sich mit dem Thema der Flüchtlinge. Dir Gläubigen werden dazu aufgerufen für den Frieden und für die Menschen zu beten, die ihre Heimat verlassen mussten, um das Leben ihrer Kinder und ihr eigenes zu retten. Sie machen aber auch aufmerksam, dass die Ursachen für Flucht und Vertreibung angegangen werden müssen. Sie rufen ihre Gläubigen auch auf aktiv den Flüchtlingen zu helfen. Der polnische Primas: „Wir sind gefordert in den Flüchtlingen Christus zu sehen, der sagte: ‚Ich war als Fremdling unterwegs und Ihr habt mich aufgenommen!“ Und Bischof Zadarki: „Hilfe muss für alle Flüchtlinge organisiert werden, unabhängig von ihrem Glauben oder ihrer Religion.“ Ein anderer: „Wir dürfen die Menschen nicht in gute oder weniger gute einteilen. Den Hungernden müssen wir Essen geben, die Nackten bekleiden und die Ankömmlinge in die Häuser aufnehmen. Somit wird die Forderung nach Nächstenliebe mit Sinn erfüllt!“ Kaczynski & Co. berufen sich immer auf „ihren katholischen Glauben“ – aber wohl nur wenn es passt. Natürlich wird bei den Wahlen die Haltung der PiS eine Rolle spielen. Aber es wird auch sicherlich Menschen geben, denen dieses Schüren von Angst und Verachtung der EU gegenüber so manchen potentiellen Wähler der PiS auf Abstand bringt, meinen Kommentatoren. Neben der offiziellen Meinung gibt es aber auch Geistliche, die die niedrigsten Instinkte bedienen und Gefahren für Leben und Gesundheit durch die Flüchtlinge, die Moslems, die potentiellen Vergewaltiger heraufbeschwören. In dem gleichen Zeitraum sprachen sich 67% der Befragten für die Aufnahme von Flüchtlingen auf.
Gazeta Wyborcza (GW) – 09.09.2015
„Aus Anlass der außerordentlich aggressiven Beiträge, die Gewalt propagieren – was gegen das Gesetz verstößt – die zum Hass gegen andere Rassen, Ethnien und Gläubige aufrufen, müssen wir die Möglichkeit unterbinden unsere Texte im Internet über Flüchtlinge zu kommentieren.“
15 Oktober Tag der Solidarität mit Flüchtlingen www.krytykapolityczna.pl , 02.10.2015
„Es ist an der Zeit offen über die gemeinsamen Werte zu reden und das Böse beim Namen nennen, dem sich entgegen zu stellen ist.“ Am 15. Oktober wird in den öffentlichen und kulturellen Einrichtungen, bei gesellschaftlichen Organisationen und in den Medien Solidarität mit den Flüchtlingen verkündet. Allen, die aus ihrer Heimat wegen Chaos, Krieg, Elend und Hunger flüchten müssen, wollen wir sagen: „Ihr seid gern bei uns gesehen!“ Polen ist schließlich bekannt für seine Gastfreundschaft und Solidarität. Migration und Flucht ist schließlich dem polnischen Volk nicht unbekannt. Gleichzeitig soll all jenen im Land, die Hass und Feindschaft gegenüber Flüchtlingen zeigen, gesagt werden, dass Polen gegen Rassismus, gegen Gewalt gegenüber Schwachen und Schutzlosen ist. An diesem Tag soll sowohl über Hilfen nachgedacht, als auch über Probleme und Ängste nachgefragt werden.
Linke und Flüchtlinge:
Ewa G. aus Wroclaw schreibt: Sogar einige sogenannter Linker warnen vor dem Islam und vor allem den Arabern. Es sieht schlecht aus. Die PiS verbreitet Angst und die Ultrarechte demonstriert gegen die Flüchtlinge und sie haben 10-mal mehr Teilnehmer, als die die für Flüchtlinge eintreten.
Dariusz Z. aus Katowice schreibt: Das Klima bezüglich Flüchtlingen in Polen ist ein Albtraum, als ob der Faschismus vor der Tür stehen würde. Sogar bei einem Teil der Linken ist soviel Hass gegen den Islam, dass sie zu Rassisten werden. Siehe dazu auch die SoZ im November
Spiele des Kardinals www.krytykapolityczna.pl, 18.09.2015
Auf die Olympischen Winterspiele haben die Krakauer in einem Referendum verzichtet – nach dem Motto „Brot statt Spiele“. Nun stehen andere Spiele auf dem Plan auf die sie keinen (?) Einfluss haben: die „Weltjugend Tage“ veranstaltet von der katholischen Kirche und bezahlt von der Kommune. Die Kirche zahlt nur für die reinen religiösen Dinge wie Kerzen etc. Übernachtungen, Verpflegung, Transport und den Müll überlässt sie der Stadt. Gerechnet wird mit mindestens 80 Millionen Zloty (20 Mill. €). So kurz vor den Wahlen möchte sich kein Politiker mit der Kirche anlegen, zumal die Parteien, die von der Kirche unterstützt werden, im Vormarsch sind. Nun muss Krakau zahlen, die Stadt die besonders durch eine fragwürdige „Rückübertragungen“ von wertvollen Immobilien an die Kirche gelitten hat. Ob Warschau helfen wird?
Verfassungstribunal - Schutz des ärztlichen Gewissens krytykapolityczna.pl 07.10.2015
Jetzt hat das Verfassungstribunal auf Antrag der Ärztekammer Klarheit geschaffen bezüglich der Gewissensfreiheit der Ärzte. Bisher betraf das Aussetzen von der Gewissensfreiheit nur die Pflicht in lebensgefährlichen Situationen einzugreifen. Jetzt können die Ärzte medizinische Eingriffe ablehnen, die nicht mit ihrem Gewissen zu vereinbaren sind und nicht unmittelbar das Leben des Patienten bedrohen. So können jetzt Frauen, die durch Vergewaltigung schwanger geworden sind, die Ärzte nicht mehr mit Forderung nach Abtreibung in Gewissenskonflikte stürzen. So manche Ärzte sollten dem Verfassungstribunal ihre Dankbarkeit erweisen, wird doch die Zahl der illegal vorgenommenen Schwangerschaftsabbrüche sicher ansteigen und ihre Kassen noch mehr füllen. Kommentatoren weisen darauf hin, dass hier die Menschen- bzw. Menschenrechte nicht außer acht gelassen werden dürfen. Praktisch würde dies bedeuten, dass genauso wie jeder Patient feststellen kann, dass der Arzt sein Approbation besitzt, er auch feststellen kann, ob sich dieser „dem Gewissen“ verpflichtet fühlt, um sich eben nicht diesem Arzt nicht auszusetzen, sondern einem anderen anzuvertrauen.
Sieben Jahre ohne Arbeitsvertrag in der Klinik www.ozzip.pl, 03.10.2015
Barbara R., eine engagierte Aktivistin der Gewerkschaft Arbeiter Initiative, klagt vor Gericht gegen den Arbeitgeber – das Wojewodschaft Krankenhaus in Gorzow Wlkp., in dem sie seit 7 Jahren ohne Arbeitsvertrag arbeitet. Nach der Pflege eines Angehörigen suchte sie lange Arbeit, die einzige Möglichkeit war in der Klinik auf zivilrechtlicher Basis eine Arbeit zu finden. Zunächst sah es ganz gut aus – es gab 28 Zloty pro Stunde, aber schon nach einem Jahr gab es 24 Zloty. Jetzt bekommt sie für 14 Dienste über 12 Stunden 4200 Zloty, davon muss sie Steuern zahlen, Versicherung, die Buchhalterin etc. bezahlen – es bleiben etwas über 2000 Zloty (500 €), seit Jahren war sie nicht im Urlaub. Es gibt Kolleginnen, die bis zu 300 und sogar 400 Stunden im Monat arbeiten – auf Kosten ihrer Gesundheit und der der Patienten – sie haben wenig Schlaf und Erholphasen – vernachlässigen Familie und Kinder. Ihre Gesundheit will Barbara nicht opfern. Ihren Anträgen ihren Vertrag in einen Arbeitsvertrag umzuwandeln, wurde nicht stattgegeben. Für den Arbeitgeber ist diese Form günstiger – gibt es viele Frauen, die durch die vielen Arbeitsstunden den Personalmangel ausgleichen. Das Personal ist durch die unterschiedlichen Verträge geteilt und kann untereinander ausgespielt werden. Sie hat diese Vorgänge dem Gericht vorgelegt und ruft gleichzeitig die Kolleginnen und Kollegen dazu auf sich ihr anzuschließen und gibt ihnen auf der Internetseite praktische Tipps.
Polnische Mütter verlassen ihre Kinder Przeglad, 13.09. 2015
Bereits nach der Transformation verließen die ersten Mütter ihre Dörfer und kleinen Städte, weil alles wegbrach und sie nicht wussten wie sie die Familie versorgen sollten. Zu hause mussten sie gemäß der Tradition sowohl das Haus in Ordnung halten, die Kinder erziehen und versorgen - den Mann ohnehin – und oft noch die Eltern pflegen. Nicht selten waren sie die einzigen Verdienerinnen Oft war auch psychische oder physische Gewalt der Anlass die Familie zu verlassen. Ihre Geldüberweisungen haben den verbliebenen Familienmitgliedern geholfen in der prekären Situation zu leben, aber haben auch zur Stabilisierung der Wirtschaft beigetragen. Aber in der damaligen Zeit waren die Frauen „illegal“ und hatten nur schlechtbezahlte Jobs, somit hatten sie meist mehr Arbeitsstellen, in Belgien haben sie etwa 5-8 Tausend Zloty verdient in Polen hätten sie im Supermarkt 1,4 Tausend Zloty verdient. Gewohnt haben sie in heruntergekommenen Gegenden – unter diesen Umständen hätten sie ihre Kinder gar nicht mitnehmen können. Sie waren auch nicht versichert, schickten das Geld nach Hause für die Familien und dachten nicht daran für sich selbst vorzusorgen – jetzt haben sie kaum oder gar keine Rentenansprüche, nach Hause können sie oft nicht – die Kinder sind erwachsen und belegen das Haus. Also arbeiten sie weiter, um wenigstens etwas für eine Rente zu verdienen.
Im Grunde genommen ging es den Frauen aus der Mittelschicht auch nicht viel anders. Als Frauen haben sie weniger verdient als die Männer, obwohl ihre Qualifikation oft besser war. Jedoch hatten sie eher die Möglichkeit sich von einem despotischen Ehemann zu trennen – die Frauen vom Lande waren gefangen in Tradition und sozialer Kontrolle.
Ob sie als Pflegerin, Reinigungskräfte, Band- oder Feldarbeiter im Ausland arbeiten, um die Familie zu versorgen – sie haben ein schlechtes Gewissen und müssen dafür einen hohen Preis bezahlen.
Viele Polen sind katholisch aber keine Fundamentalisten Przeglad, 17.08.2015
Alle Untersuchungen zeigen, dass die Menschen weitaus liberaler sind als die Priester und Bischöfe, die einen besonderen Wert auf die Moral legen. 89% sind für die Ratifizierung der „Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ gegen die die Bischöfe Sturm gelaufen sind, da sie darin eine Gefahr für die traditionelle Familie sahen. 71% sprechen sich für die Möglichkeit des „in vitro“ aus und 75% für die Verhütung. Öffentlich wird dies kaum gesagt, sondern privat gelebt. So werden Heuchler im öffentlichen Raum gezeugt- auch was das politische Leben betrifft. Würde auf die polnischen Bischöfe gehört, könnten die Menschen annehmen, dass die Bibel zu 90% sich mit Sex befasst. Sobald etwas Bewegung kommt veranstaltet die Kirche eine große Propaganda – sie wollten den ehemaligen Präsidenten Komorowski ausschließen, weil er die Konvention unterschrieb und die Priester, die sich mit ihm solidarisierten, wurden von einem katholischen Sender mit Hitler verglichen. Die Menschen sind nicht dumm, sie sehen auch die Verfehlungen der Kirche und wie sie damit umgeht. Sie sind gegen „in vitro“, aber klären nicht die Skandale der pädophilien Priester auf, sie predigen Ehrlichkeit und klären nicht die Ungereimtheiten bei der Rückübertragung kirchlicher Güter. Die Polen sind antiklerikal, aber nicht antichristlich. Die Frage stellt sich wer der größte Feind der Kirche in Polen ist – Papst Franziskus oder Jaroslaw Kaczynski? Der Blick des Papstes auf den Menschen, auch auf den der den üblichen Normen nicht entspricht ist ein ganz anderer, als der der polnischen Bischöfe. Der Papst fragt die Menschen nach ihrer Meinung – die polnische Hierarchie fürchtet sie. Sie würden auch keine ehrliche Antwort erwarten können, so wie sie mit den Menschen umgehen. Und der Präses von PiS – Recht und Gerechtigkeit - Jaroslaw Kaczynski wähnt sich als weltlicher Kardinal, der die Kirche führt und ihr die Richtung vorgibt. Sein Wahlsieg hängt natürlich auch vom Wohlwollen der Kirche ab. Andererseits möchte er über allem seine Hand haben. Lässt es die Kirche zu, wird dies die größte Gefahr zur Dechristianisierung Polens. Leider scheinen es die Bischöfe nicht zu sehen.
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