von Dieter Braeg
In Wien wird am 11.Oktober gewählt. Während die FPÖ sich Hoffnungen auf das Bürgermeisteramt macht, gibt sich die SPÖ noch siegessicher. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Listen, die bei der Wahl antreten.
In Wien kann man seit Ende des Ersten Weltkriegs die meisten Spuren des Wirkens der österreichischen Sozialdemokratie im Bereich der Kommunalpolitik entdecken. Wien war und ist bis auf die Zeit vom Februar 1934 – als in Österreich die Diktatur an die Macht kam bis 1945 – von Sozialdemokraten regiert worden. Es sind nicht Legenden, wenn man sozialen Wohnungsbau als eine Kultur für abhängig Beschäftigte und als Ansatz einer solidarischen Gesellschaft bezeichnet, die nun, da Heinz Strache von der braun-populistischen FPÖ an die Rathaustür klopft, ein Ende haben könnte. Auch wenn Wien zu den «lebenswertesten» Städten dieser Welt gezählt wird, waren im Mai 2015 in Österreich insgesamt 395.518 Menschen arbeitslos, davon allein in Wien im Juni 122.007 Arbeitslose (laut Arbeits-Markt-Service, AMS), dabei stieg die Arbeitslosigkeit stärker bei den über 50jährigen, Ausländern und Frauen.
Der jetzige «rote» Bürgermeister Michael Häupl könnte nach hundert Jahren der erste rote Bürgermeister sein, der auf demokratischem Weg die Mehrheit in Wien verliert, schon jetzt braucht er die Grünen als Partner. Allerdings ist dies derzeit in Österreich die einzige rot-grüne Koalition, denn sonst koaliert diese mehr und mehr verbürgerlichte Partei mit der konservativen ÖVP oder – wie in Salzburg – sogar in einem Dreierbündnis mit der Partei des Milliardärs Frank Stronach.
Im Wiener Gemeinderat werden hundert Mandate vergeben, in den Bezirksvertretungen je nach Größe zwischen 40 und 60 Mandate. Am 11.Oktober treten folgende Parteien zur Wahl an:
ANDAS, ein Wahlbündnis aus KPÖ, Piratenpartei, Echt Grün und linken Unabhängigen; EUAUS, die «EU-Austrittspartei»; die»Freidemokraten» (FD); die FPÖ; ein Wahlbündnis von Migranten «Gemeinsam für Wien»; die Grünen; die Männerpartei NEOS/LIF; die ÖVP; die «Partei der Arbeit – Solidaritätsplattform» (PdA); die «RKO BEFREIUNG – Gleiche Rechte für Muslime»; die SPÖ; die «Wir wollen Wahlfreiheit» (WWW, unterstützt vom Team Stronach).
Bis dato sind SPÖ, ÖVP, Grüne und FPÖ im Gemeinderat vertreten und bis auf das Bündnis «Wien ANDAS» hat wohl keine der anderen Gruppierungen auch nur den Hauch einer Chance, es in den Gemeinderat zu schaffen, denn es gibt eine 5%-Hürde. In den einzelnen Wiener Bezirken dürfte allerdings die Parteienvielfalt steigen, da die 5%-Klausel hier nicht gilt.
Wien ANDAS
Das Viererbündnis «Wien Andas» (www.wienanders.at) ist ein wichtiges Signal für viele politische Gruppierungen. Den ersten der drei Listenplätze belegt eine Piratin, ein Mitglied der KPÖ ist auf dem zweiten Platz und an dritter Stelle kandidiert die Unabhängige Ulli Fuchs, die als Kulturarbeiterin Organisatorin der Kritischen Literaturtage Wien ist. Sollte die 5%-Hürde genommen werden, gibt es endlich einen ersten Schritt zu einer anderen Politik in Wien. Fakt ist, dass bei dieser Wahl die Sozialdemokratie mit herben Verlusten zu rechnen hat und die rechtspopulistische FPÖ mit ihrem Obmann Heinz-Christian Strache schon jetzt zum Wahlgewinner erklärt wird. Ob dann überhaupt eine Koalition zwischen SPÖ/FPÖ oder ÖVP/FPÖ zu verhindern wäre, liegt an den weiteren Ergebnissen dieser Wahl.
Die linke deutsche Medienlandschaft hat sich bisher kaum um die Wahlen in Wien und dieses so wichtige Bündnis «Wien Andas» gekümmert oder darüber berichtet. Eine Ausnahme bildet die junge Welt, dort schreibt Johannes Supe, das «Volksstimme-Fest» sei von «Wien Andas» majorisiert gewesen, man hätte kaum «rote Fahnen» gesehen (als ob das die Qualität dieses Bündnisses ausmachte). Aus dem Programm des Bündnisses zitierte er nur die Forderung zur Legalisierung von Cannabis – man könnte meinen, hier war ein bürgerliches Medium zugange. Dass dazu vor allem die Meinungen einiger sektiererischer linker Gruppen veröffentlicht wurden, die durch eigene Kandidaturen diesem einzigartigen Bündnis höchstens schaden, wirft ein schlechtes Licht auf linke Gegenöffentlichkeit. Deshalb seien hier einige Forderungen aus dem Wahlprogramm des Bündnisses wiedergegeben:
«Sofortige Arbeitszeitverkürzung im Verantwortungsbereich der Stadt Wien als Arbeitgeberin. Schrittweise Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden ohne weitere Flexibilisierung, wobei gleichzeitig die Steuerlast auf Arbeitseinkommen gesenkt werden muss, sodass auch bei weniger Arbeit der Nettolohn gleich bleibt. Voller Personalausgleich. Eine aktive Lohnpolitik soll Inflation und Produktivitätswachstum berücksichtigen und die Einkommensunterschiede verringern. Ein gesetzlicher Mindeststundenlohn von 12 Euro die Stunde, gerade bei Aufträgen, die von Unternehmen der Stadt Wien ausgeschrieben werden. Die Stadt Wien soll keine Leiharbeitsfirmen mehr beauftragen und keine Tätigkeiten mehr privat auslagern; Aufträge der Stadt nur an Unternehmen, die gesellschaftlich verantwortlich agieren. Allgemeiner Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge und Zuwanderer. Große Einkommen, Erbschaften und Schenkungen sollen gerecht besteuert werden.»
Obwohl es in der SPÖ viele dezidiert auftretende Linke gibt, die empört sind über die Koalition der burgenländischen Genossen mit der FPÖ und wortradikalen Protest hören lassen, hat keiner zum linken Bündnis «Wien Andas» gefunden. Dazu sind etwaige Arbeitsstellen, die die Wiener Sozialdemokratie bietet, zu attraktiv. Nach dem 11.Oktober – egal, wer verliert oder gewinnt – dürfte in Wien vieles anders werden.
Hier die Schlussbemerkung von «Wien ANDAS» aus dem kurzen, aber wirklich durchdachten Wahlprogramm:
«Wir sind uns bewusst, dass es noch weitere wichtige Themen gibt, mit denen wir uns beschäftigen sollten und müssen. Wir werden – nachdem wir in den Gemeinderat eingezogen sind – mit eurer Hilfe weitere Themenbereiche in unsere Agenda aufnehmen. Im Übrigen sind wir der Meinung, dass das derzeitige Wirtschaftssystem der Grund für unsere Probleme ist. Unsere Politik wird sich deshalb immer daran orientieren, Schritte in eine andere Welt zu ermöglichen.
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