von Rolf Euler
Große Koalitionen haben einen Vorteil für die Regierenden, sie können ungeachtet rechtlicher und bürgerschaftlicher Bedenken Mehrheiten im Parlament hinter sich bringen. So jetzt wieder bei der Abstimmung über ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. Generationen früher war es die erste Große Koalition 1966, die die Notstandsgesetze verabschiedete. Hier gab es noch Proteste bis hinein in die Gewerkschaften. Heute protestieren gegen die Datensammelwut der Behörden zwar auch viele Menschen, sogar die von der CDU eingesetzte Bundesdatenschützerin ist dagegen, aber das kümmert die CDU schon gar nicht, und die SPD wiederholt nicht.
Es macht diesen Parteien auch nichts aus, dass das Bundesverfassungsgericht 2010 die anlasslose und verdachtslose Speicherung aller Telekommunikationsdaten des alten Gesetzes per Urteil verboten hat und der Europäische Gerichtshof 2014 die EU-Richtlinien zur Vorratsdatenspeicherung kassierte.
Sachverständige hatten bei der Anhörung zuvor ausgeführt, die Speicherung der Daten von 80 Millionen Bundesbürgern trage nichts zur Verbrechensbekämpfung bei, über die Nutzerspuren könnten Bewegungs- und Lebensprofile erstellt werden und Geheimnisträger wie Pfarrer, Rechtsanwälte, Ärzte, Journalisten seien nicht genügend geschützt.
Das Gesetz sieht vor, Verbindungsinformationen («Wer mit wem») zehn Wochen und Standortdaten («Wo ist mein Handy») einen Monat lang zu speichern. Es wurde bekannt, dass SMS-Text aus technischen Gründen nicht von den Verbindungsinformationen getrennt werden kann, also entgegen allen Beteuerungen auch Inhalte der Kommunikation gespeichert werden. Der Inhalt von E-Mails soll allerdings ausgenommen sein. Anbieter von Internet-Telefonie müssen neben IP-Adressen auch Port-Nummern speichern, eine weitere Benutzerkennung. Noch größere Datenmengen und ein Internet-Nutzungsprotokoll geraten damit in den Bereich der Speicherung und Überwachung – und dann natürlich auch in den Zugriffsbereich der Geheimdienste.
Der Beifall der Großen Koalition im Bundestag für das Gesetz ist wieder einmal ein trauriger Tag für Bürgerrechte. Der Verein Digitalcourage und der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung haben erneute Klage vor dem Verfassungsgericht angekündigt. Wieder sind die Betroffenen auf einen jahrelangen Rechtsweg angewiesen, während Fakten geschaffen werden.
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