Die deutschen Klimaziele datieren aus dem Jahr 2007: Da beschloss die Bundesregierung, bis zum Jahr 2020 die Treibhausgasemissionen um 40% gemessen an 1990 zu reduzieren. An diesen Zielen hält sie bislang auch mit Blick auf die Klimaverhandlungen im Dezember dieses Jahres in Paris fest. Bis Ende 2014 waren jedoch erst 24% erreicht, 16% stehen noch aus. Die Bundesregierung schob deshalb vor einem Jahr ein Aktionsprogramm «Klimaschutz 2020» nach. Damit sollte die Lücke geschlossen werden.
41% der CO2-Emissionen sind auf den Energiesektor zurückzuführen, ein Drittel wird allein durch die Kohleverstromung verursacht. Der Aktionsplan sah deshalb vor, dass die deutschen Kraftwerke ihren jährlichen CO2-Ausstoß um mindestens 22 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich mindern müssten. Wie die Kraftwerksbetreiber diese CO2-Reduktion erreichen, sollte ihnen überlassen bleiben. Sie sollten jedoch eine Strafabgabe zahlen, für den Fall, dass sie das Reduktionsziel nicht erreichen. Dagegen liefen die Energiekonzerne Sturm und führten die CDU/CSU und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie im Schlepptau.
Der Klimakompromiss
Ende Oktober 2015 erzielte Wirtschaftsminister Gabriel eine Einigung mit den drei Energiekonzernen RWE, Vattenfall und Mibrag (ursprünglich eine Hinterlassenschaft des VEB Braunkohlenkombinats Bitterfeld, heute eine Tochter des tschechischen Energieunternehmens CEZ). Sie verpflichten sich zur Stilllegung von insgesamt acht Braunkohlemeilern, fünf davon entfallen auf RWE (1500 Megawatt), zwei auf Vattenfall (1000 MW) und einer auf Mibrag (200 MW). Zusammen werden 2,7 Gigawatt vom Netz genommen, das sind 13% der installierten Braunkohleleistung. Damit soll der jährliche CO2-Ausstoß um bis zu 12,5 Millionen Tonnen verringert werden – gefordert sind 22 Mio. Tonnen. Von RWE sind drei Kraftwerksblöcke bei Grevenbroich und zwei Blöcke in Bergheim-Niederaußem betroffen.
Allerdings gehen sie nicht gleich vom Netz, sondern schrittweise auf vier Jahre verteilt: der erste Block wird am 1.Oktober 2016 vom Netz genommen, der letzte am 1.Oktober 2019. Jeweils für vier Jahre dürfen die Kraftwerke nach ihrer Abschaltung aber noch als Notreserve (sog. Kapazitätsreserve) bereit gehalten werden – bis sie endgültig aus dem Verkehr gezogen sind, wird es also 2022.
Den Konzernen wird die Stilllegung dieser Anlagen mit 1,6 Mrd. Euro über sieben Jahre vergoldet, hinzu kommen jährlich bis zu 260 Mio. Euro für die Pflege eines Sicherheitsnetzes, das Stromausfälle verhindern soll. Die Kosten werden über die Netzentgelte auf die Stromrechnung umgelegt, der Strom soll dadurch um durchschnittlich 0,05 Cent pro Kilowattstunde teurer werden.
Zum verabschiedeten Kompromiss gehört auch die Vorschrift, künftig intelligente Stromzähler einzubauen, sie sollen helfen, den Stromverbrauch zu verringern. Das beginnt 2017 bei gewerblichen Großkunden (Jahresverbrauch ab 7000 kWh), private Haushalte kommen ab 2020 dran. Auch diese Stromzähler müssen die Kunden bezahlen. Für die Energiekonzerne, insbesondere für RWE, ist dies ein Zusatzgeschäft.
Das Soll
Die gesamten CO2-Emissionen Deutschlands liegen derzeit bei 950 Millionen Tonnen pro Jahr. Bis 2020 soll der Jahresausstoß um über 200 Mio. Tonnen CO2 sinken – auf max. 749 Mio. Tonnen pro Jahr. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hält die geplante zusätzliche Einsparung von 22 Mio. Tonnen CO2 deshalb für deutlich unzureichend; er fordert eine Herausnahme der ältesten und ineffizientesten Braunkohlekraftwerke in einem Umfang von 10 Gigawatt, also annähernd viermal so viel.
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