von Norbert Kollenda
Es gibt viele widersprüchliche Berichte darüber, wie die polnische Bevölkerung zu den Flüchtlingen steht. Fakt ist, dass die Regierung sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen sperrt. Ich denke, sobald eine Flut von Flüchtlingen nach Polen käme, würden wir erfahren, wie die Bevölkerung reagiert – schließlich sind die Polen als gastfreundlich bekannt. Wer hätte denn vorher in Deutschland vermutet, dass eine Welle von Hilfsbereitschaft die Flüchtlinge willkommen heißt?
Deshalb habe ich ein Dutzend mir bekannter Polen, die links engagiert sind, gefragt, wie sie die Situation sehen.
Ewa G. aus Wroclaw schrieb mir: «Sogar einige sogenannte Linke warnen vor dem Islam und vor allem vor den Arabern. Es sieht schlecht aus. Die PiS verbreitet Angst, die Ultrarechte demonstriert gegen die Flüchtlinge und sie haben zehnmal mehr Teilnehmer, als jene, die für die Flüchtlinge eintreten.»
Dariusz Z. aus Katowice schreibt: «Das Klima in bezug auf Flüchtlinge in Polen ist ein Albtraum, als ob der Faschismus vor der Tür stehen würde. Sogar bei einem Teil der Linken ist soviel Hass gegen den Islam, dass sie zu Rassisten werden.»
Diese Stimmen bestätigen die Antwort einer von mir sehr geschätzten sechzigjährigen linken Aktivistin, die ich bislang für sachlich orientiert und bodenständig hielt. Sie war nach ihrem Studium im Außenhandel tätig, hat sich sehr für Politik interessiert und war aktiv bemüht, die Rechte von Frauen durchzusetzen und den Einfluss der Kirche auf das politische Leben zurückzudrängen. Sie verließ konsequenterweise ihre Partei RACJA, deren Vorsitzende sie einige Jahre gewesen war, als diese sich dem Millionär Palikot anschloss.
Die Mehrheitsstimmung
Sie schreibt: «Die Auffassungen der polnischen Gesellschaft in Flüchtlingsfragen sind gespalten. Die PiS ist grundsätzlich gegen eine Aufnahme von Flüchtlingen, die PO dafür, aber nur für kleine Gruppen, denn bei uns gibt es keine bzw. nur wenige kommunale Wohnungen. Dafür gibt es viel Leerstand, der von reichen Menschen als Kapitalanlage gekauft bzw. gebaut wird. Was aber in diesem Zusammenhang wichtiger ist, ist die Gentrifizierung – immer mehr Menschen werden zwangsweise aus ihren Wohnungen geworfen und es gibt Tausende Wohnungslose.
In den letzten Jahren gab es in Polen 100.000 Flüchtlinge aus Tschetschenien, aber fast alle sind in den Westen weitergezogen. Das ist auch den polnischen Priestern zuzuschreiben, die gegenüber anderen Religionen reaktionär und intolerant sind. Seit Jahren schleppt sich eine Aktion hin, um Bürger polnischer Nationalität, die während und nach dem Zweiten Weltkrieg nach Sibirien oder Kasachstan verschleppt wurden, wieder zurückzuführen, auch Polen aus Weißrussland und der Ukraine. Die Umsetzung des Programms durch die Gemeinden ist so schlecht, dass es Fälle gibt, wo die Menschen wieder in die Länder zurückkehrten, aus denen sie gekommen waren.
Sicher wird das den jetzigen Flüchtlingen bekannt sein, und es drängt sie gar nicht nach Polen, obwohl die EU Polen ein Paar tausend Flüchtlinge, vorwiegend aus Syrien, ‹zugewiesen› hat. Man geht davon aus, dass sich eine halbe Million Ukrainer in Polen aufhalten, aber sie fallen nicht auf, weil sie sich in ihrem Aussehen nicht unterscheiden. Sie kommen vor allem um zu arbeiten, und das für sehr niedrige Löhne.
Persönlich denke ich, dass eine Assimilierung von Muslimen in Polen wegen der Katholischen Kirche praktisch unmöglich ist. Selbst wenn Papst Franziskus dazu auffordert, Flüchtlinge aufzunehmen, so wird daraus nichts. Die Integration hat weder in Frankreich noch in Deutschland Resultate gebracht. Ich denke, in Schweden und Norwegen wird es ähnlich sein. Wohl wurden Fehler begannen, indem Ghettos zugelassen wurden, aber ich denke Ghettos sind unvermeidbar. Schon jetzt werden muslimische Siedlungen von Schwedinnen gemieden. Im Fernsehen habe ich Berichte gesehen über Massenvergewaltigungen an Schwedinnen, die gar nicht gewohnt sind, bestimmte Gegenden zu meiden...
Ich habe Angst vor Muslimen, weil ich nicht glaube, dass sie ihr Verhältnis zu Frauen verändert haben. In Polen herrschen jetzt Verhältnisse wie im Mittelalter (Schwangerschaftsabbruch ist praktisch verboten). Mit den Muslimen werden wir wohl in die Steinzeit katapultiert. Die größte Gefahr ist ihre Fruchtbarkeit. So sind jetzt in Holland schon mehr als die Hälfte der Einwohner Muslime. Das kann nur ein schlechtes Ende nehmen.»
Gegenstimmen
Glücklicherweise gibt es auch andere Stimmen:
Piotr Szumlewicz in Bez Dogmatu (Nr.3, 2015):
«Den Polen wurde in der jüngeren Geschichte durch andere Staaten Hilfe zuteil, sowohl in finanzieller Hinsicht, als auch über Sozialleistungen oder die Möglichkeit, Arbeit zu finden. Viele Länder haben während des Zweiten Weltkriegs polnische Flüchtlinge aufgenommen, u.a. der Iran, Mexiko, Kenya, Uganda. Die polnischen Flüchtlinge wurden damals nicht nach ihrer Religion gefragt, auch wurde nicht geprüft, ob sie etwas mit dem Terrorismus zu tun haben. Nach dem Krieg sind Tausende Polen in den Westen geflüchtet und hatten dort teil an den Sozialleistungen. Nach dem Beitritt zur EU wurde Polen zum größten Leistungsempfänger in der EU. Nach 2004 haben über 2 Millionen Polen Arbeit in Westeuropa gefunden. Die polnische Bevölkerung sieht jedoch keine Veranlassung, irgendwem zu helfen. Zum Helfen sind andere da… Im Vaterland der Solidarnosc sind nur 33% der Polen dafür, Menschen zu helfen, die vom Krieg betroffen sind.»
Marta Siciarek in einem Interview für die gleiche Zeitschrift:
«Am schlimmsten ist die Einstellung der Polen zu Muslimen, aber tragisch ist auch die Situation für Sinti und Roma. Und eine andere Hautfarbe in Polen zu haben, ist sehr unangenehm... Für meinen Teil muss ich sagen, dass ich mich auf die Menschen konzentriere, die den Flüchtlingen freundschaftlich gesonnen sind, und darauf, ein Netzwerk für Flüchtlinge bei uns in der Dreistadt (Gdansk, Sopot, Gdynia) zu schaffen. Was gehen mich die Leute mit ihren Vorurteilen an, ich will mich nicht durch sie verrückt machen lassen, sondern ein Gegengewicht aufbauen.»
Der polnische Primas sagt:
«Wir sind gefordert, in den Flüchtlingen Christus zu sehen, der sagte: ‹Ich war ein Fremder und ihr habt mich aufgenommen!› Und Bischof Zadarki: «Hilfe muss für alle Flüchtlinge organisiert werden, unabhängig von ihrem Glauben oder ihrer Religion.» Ein anderer: «Wir dürfen die Menschen nicht in gute oder weniger gute einteilen. Den Hungernden müssen wir essen geben, die Nackten bekleiden und die Ankömmlinge in die Häuser aufnehmen. So wird die Forderung nach Nächstenliebe mit Sinn erfüllt!»
Kaczynski & Co. berufen sich immer auf «ihren katholischen Glauben» – aber wohl nur wenn es passt. Und es gibt auch Geistliche, die die niedrigsten Instinkte bedienen und Gefahren für Leben und Gesundheit durch die Flüchtlinge, die Muslime, die potenziellen Vergewaltiger heraufbeschwören.
Gazeta Wyborcza vom 9.9.2015
«Aus Anlass der außerordentlich aggressiven Beiträge, die Gewalt propagieren, was gegen das Gesetz verstößt, die zum Hass gegen andere Rassen, Ethnien und Religionen aufrufen, müssen wir die Möglichkeit unterbinden, unsere Texte über Flüchtlinge im Internet zu kommentieren.»
Am 12.September fand im Zentrum von Warschau eine Kundgebung «Mit Brot und Salz» statt, zu der 3000 Menschen kamen. Im Juli waren zu einer ähnlichen Veranstaltung nur 200 Menschen gekommen. Es entstand die «Stiftung Gemeinsamer Lebensraum», die Sachspenden sammelte und an die serbisch-kroatische Grenze brachte. Eine andere Initiative heißt «Wir können es uns leisten» – weil immer wieder propagiert wird, dass Polen sich die Flüchtlinge nicht leisten kann. «Flüchtlinge, ihr seid uns willkommen» ist das Motto der Webseite www.krytykapolityczna.pl.
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