Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2015
Offener Brief an den RWE-Konzern, Essen
von Ende Gelände

Am Wochenende vom 24./25. Oktober einigte sich Bundeswirtschaftsminister Gabriel mit den Spitzen der drei Braunkohlefresser RWE, Vattenfall und Mibrag auf einen Beitrag zur Verbesserung der deutschen Klimabilanz. Die Anti-Kohle-Initiative «Ende Gelände» kommentierte die Einigung mit einem Offenen Brief.

Hallo RWE-Konzern, hallo
RWE-Vorstand,
es ist ja eher selten, dass Klimaschützer ausgerechnet einem Kohlekonzern gratulieren. Aber anlässlich eurer «Einigung» mit dem Wirtschaftsministerium vom Wochenende (24./25.10.) können wir wirklich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch, RWE, zu diesem Sieg auf ganzer Linie!
Eure Einigung sieht vor: Ab 2017 erhaltet ihr jährlich Hunderte Millionen Euro an Subventionen (bis zu 800 Mio. Euro bis 2023), damit ihr fünf uralte, marode und längst abgeschriebene Braunkohleblöcke stilllegt. Schon diese Zahlungen sind richtig großzügig, aber den wirklichen Clou habt ihr damit gelandet, dass ihr vier Braunkohleblöcke ausgewählt habt, die ihr, völlig unabhängig von der Einigung mit dem Wirtschaftsministerium, in den nächsten Jahren sowieso stilllegen wolltet. Nun streicht ihr für die noch fette Subventionen ein.
Das wusste das Wirtschaftsministerium natürlich auch, denn ihr hattet ja in der Vergangenheit immer wieder selbst darauf hingewiesen, dass die beiden Blöcke in Frimmersdorf nicht mehr wirtschaftlich sind. Und im Frühjahr habt ihr ganz von euch aus die beiden Blöcke E und F in Niederaußem der Bundesnetzagentur zur Abschaltung für 2019 angemeldet.
Chapeau, Chapeau, für diesen tollen Trick eurer Lobbyisten! Denn mal ernsthaft: Welcher andere Industriezweig in Deutschland schafft es denn heutzutage noch, der Regierung mehrere Millionen Euro an Subventionen ohne jegliche Gegenleistung abzuschwatzen? Offenbar hattet ihr recht, als ihr vor Jahren mit dem Werbespruch angetreten seid: «Es kann so einfach sein, Großes zu bewegen. Wenn man ein Riese ist.»
Doch das Beste kommt noch: Ihr habt euch nicht nur Geldzahlungen gesichert, sondern auch noch dafür gesorgt, dass diese Subventionen nicht so heißen. Sie werden unter «Entschädigung», «Einigung» oder sogar «Klimaabgabe» laufen. Nur konsequent, dass ihr den durch die Stilllegung der vier Kohleblöcke ohnehin anstehenden Arbeitsplatzverlust direkt der Regierung anlastet.
Trotz dieses grandiosen Lobbyerfolgs bleibt nur ein Wermutstropfen: Die Kohlekumpel standen für das deutsche Wirtschaftswunder und mit ihren Arbeitskämpfen haben sie zentrale Arbeitnehmerrechte für uns alle erstritten. Sie standen für das Allgemeinwohl. Traurig ist deswegen, dass ihr nun ausgerechnet deren Bild durch den Dreck zieht, indem ihr für eure partikularen Profitinteressen alle Stromkunden in Deutschland zur Kasse bittet, ohne dass die Kumpel etwas davon hätten.
Nun ja, wir nehmen es sportlich und sagen: «Danke!» Denn was könnte unseren Protest gegen die Braunkohle als Klimakiller Nr.1 und gegen das korrupte «System RWE» besser legitimieren, als diese millionenschweren Subventionen? Was könnte die Notwendigkeit und Dringlichkeit unseres Protestes mehr unterstreichen, als diese politische «Einigung», in der Konzerninteressen bedient werden, statt Klimaschutz zu leisten? Und wer weiß, vielleicht sind die mehreren hundert zusätzlichen Millionen an Subventionen auch genug, um den Klimaschutz etwas entspannter zu sehen und nicht gleich Hunderte Klimaschützer mit Strafanzeigen zu verfolgen?
Insofern: Auf geht’s, ab geht’s, wir sehen uns wieder in der Grube!

Euer Ende Gelände
28.10.2015

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