Betr.: Helmut Born, «Ver.di-Bundeskongress: Linke Öffnungen, Probleme in der Durchsetzung» (SoZ 11/2015)
In der Novemberausgabe der SoZ kommt Helmut Born in seinem Artikel über den Bundeskongress von Ver.di zu dem Schluss: «Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass Ver.di sich im Spektrum der DGB-Gewerkschaften als linke, kämpferische Gewerkschaft positioniert hat.» Vielleicht hat Gen. Helmut sein Urteil an den Resolutionen oder an der guten Stimmung auf dem Bundeskongress festgemacht, nicht aber an der Rolle von Ver.di im Klassenkampf. Der Streik der PostlerInnen und der Streik der ErzieherInnen wurden von den Beteiligten mit viel Begeisterung geführt. Die Ergebnisse waren weniger als mager: Von den qualitativen Forderungen der PostkollegInnen wurde keine einzige durchgesetzt; auch den Streik der ErzieherInnen hat die Führung von Ver.di abgewürgt.
Die Kritik daran teilt Genosse Helmut in seinem Artikel. Doch von den Hintergründen erfahren die Leser nichts. Wie aus Ver.di zu hören ist, sei die zentrale Kasse leer und soll sich Geld bei den Bezirken borgen, um flüssig zu sein. Und da für die Bürokratie Finanzkraft gleich Kampfkraft ist… wurden die Streiks als Demonstrationsstreiks und nicht als Durchsetzungsstreiks geführt.
Das finanzielle Manko wiederum liegt nicht an zu vielen Streiks, sondern an der Struktur von Ver.di. Der umfangreiche Apparat verbraucht einen erheblichen Teil der Ressourcen. Ich erwarte nicht, dass sich der Autor die anarcho-syndikalistische CNT im Spanien der 1930er Jahre zum Vorbild nimmt, die für 1–1,5 Millionen Mitglieder einen (!) Hauptamtlichen hatte, aber dass die Apparate der DGB-Gewerkschaften völlig aufgeblasen sind, hat Fundmentalkritik verdient. Die weitgehende Ersetzung hauptamtlicher Arbeit durch ehrenamtliche Aktivitäten scheint mir da die richtige Perspektive zu sein.
Auch die Wahl der 14 Plätze im Ver.di-Vorstand erfolgte undemokratisch. Selbst bei der letzten Papstwahl gab es mehr Kandidaten für den Vorsitz als bei Ver.di. Vielleicht braucht Ver.di keine fünf Wahlgänge wie bei der Wahl von Franziskus, aber warum hat die Ver.di-Linke hier keine Gegenkandidaten aufgestellt, wie es das Netzwerk für eine demokratische und kämpferische Ver.di schon einmal getan hat? Der Ausgang des Poststreiks und des Streiks der ErzieherInnen hätten allen Grund zu alternativen Kandidaturen geboten. Oder scheute man den Konflikt mit den «linken» Ver.di-Hauptamtlichen, mit denen man Seit’ an Seit’ in der Linkspartei arbeitet?
Gut ist es, wie von Helmut dargestellt, wenn sich Ver.di auf die Seite der Flüchtlinge stellt. Aber dass sich unter 14 Mitgliedern im neuen Vorstand augenscheinlich kein/e Migrant/in findet, lässt – bei aller Offenheit gegenüber Flüchtlingen – eher auf strukturellen Rassismus der Gewerkschaftsbürokratie schließen.
Wer Ver.di für eine «linke, kämpferische Gewerkschaft» hält, mag dazu neigen, die Aufgaben der Gewerkschaftslinken zu minimieren. Ein Initiativantrag und ein Änderungsantrag – wenn das lt. Helmuts Berichterstattung alles war, dann hat sich die Ver.di-Linke auf dem Gewerkschaftstag als Opposition seiner Majestät des Vorsitzenden präsentiert.
Mit roten Grüßen
Peter Berens, Oberhausen
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