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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2015
«Wir haben die Gelegenheit, die Sparmaßnahmen rückgängig zu machen»
Gespräch mit Ferdinand Rosa (Bloco de Esquerda)

Das Tolerierungsabkommen, das die Sozialistische Partei (PS) in Portugal mit dem Linksblock (Bloco de Esquerda), der Portugiesischen Kommunistischen Partei (PCP) und den Grünen jeweils separat abgeschlossen hat, ist für das Land eine Premiere. Zum einen, weil sich der Linksblock dezidiert als Antiausteritätspartei versteht, zum anderen, weil die Parteien links von der PS bislang immer gespalten waren.
Die französische Tageszeitung Le Monde (10.11.2015) hat dazu Fernando Rosas, ein Gründungsmitglied des Bloco, interviewt. Er ist Geschichtsprofessor an der Neuen Universität Lissabon. Im Interview erklärt er, was den Bloco, der traditionell sehr kritisch gegenüber der sozialdemokratischen PS eingestellt ist, zu dieser Wende bewogen hat.

Wie erklären Sie, dass die portugiesische Linke, die seit 40 Jahren gespalten ist, sich auf einmal verständigen konnte?
Die Parlamentswahlen vom 4.Oktober haben der PS, der PCP und dem Linksblock eine klare Mehrheit für eine Alternative zur blinden Sparpolitik der ausgehenden rechten Regierung verschafft. Der Linksblock und die PCP [im Bündnis mit den Grünen] haben zusammen fast eine Million Stimmen links von der Sozialdemokratie erhalten [von 9,6 Millionen Wahlberechtigten und 5,4 Millionen abgegebenen Stimmen]. Das hat es noch nicht gegeben und es zeigt, dass die Wähler wirklich eine Kurswende wollen.
Der Druck unserer Basis, diese für die Linke einmalige Gelegenheit zu nutzen, war sehr stark. Das Abkommen, das der Bloco unterzeichnet hat, entspricht nicht dem Programm des Bloco, wir haben Kompromisse gemacht, und es wird eine sozialistische Regierung werden, an der wir nicht teilnehmen. Aber es ist sehr detailliert, es wurde sorgfältig ausgehandelt.

Was sieht es vor?
Vor allem sollen die Einschnitte der letzten Jahre in die Löhne und Renten rückgängig gemacht werden. Das wird die Ausgaben sicher steigern, aber auch den Konsum ankurbeln, und somit auch die Steuereinnahmen. Es sieht auch mehr Steuergerechtigkeit vor, indem die großen Vermögen und die Finanzspekulation stärker belastet werden. Es wird die Lebensbedingungen für die Ärmsten verbessern, also für jene, die von der Krise am härtesten getroffen wurden.

Aber Sie haben darauf verzichtet, eine Neuverhandlung der Schulden und eine Änderung der europäischen Verträge zu fordern, die die Haushaltsdisziplin betreffen…
Wir haben darauf nicht verzichtet, aber wir haben daraus keine Bedingung für ein Abkommen gemacht, das ist wahr. Es ist aber vorgesehen, dass eine Kommission eingerichtet wird, die über den Umgang mit den Schulden diskutieren soll. Und wir werden weiter um eine Verbesserung der Regeln in den Verträgen kämpfen. Wir haben daraus keine Bedingung gemacht, weil das Abkommen sehr konkrete und dringende Maßnahmen erlaubt, um die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Das ist eine einmalige Gelegenheit nach vier Jahren einer radikal neoliberalen Rechtsregierung, die dem Land großen Schaden zugefügt und den linken Parteien 800.000 Stimmen zugeführt hat. Der Staatspräsident, ein Mann der Rechten, [war deshalb anfänglich] auch nicht bereit, dem Vorsitzenden der PS, Antonio Costa, den Auftrag der Regierungsbildung zu erteilen…

Wie erklären Sie, dass die PCP, die Sie selbst als «sektiererisch» bezeichnen, nun bereit ist, sich mit Ihnen und der PS zu verbünden?
Das ist eine historische Wende. Es hat starken Druck aus den Gewerkschaften auf die PCP gegeben, ein Abkommen zu unterzeichnen, vor allem aus der CGTP, der Gewerkschaft, die von der PCP kontrolliert wird.
Die Verbände der Lehrer und der Beschäftigten im öffentlichen Verkehrswesen wollten das Abkommen, denn es sieht vor, dass ihre Lohn- und Gehaltskürzungen rückgängig gemacht werden. Es werden vor allem die Maßnahmen der Rechtsregierung rückgängig gemacht, die eine Gefahr für die Gewerkschaften bedeuten, weil sie die Tarifverträge zugunsten individueller Arbeitsverträge einschränken.

Hat die Niederlage von Alexis Tsipras bei seinen Bemühungen, die Haushaltsregeln in Europa zu ändern, für Sie eine Rolle gespielt?
In Griechenland war die Lage eine andere. Wir werden nicht regieren, regieren wird die Sozialistische Partei. Und Tsipras hat diese Regeln unter Umständen akzeptieren müssen, die schlimmer waren als unsere.

Was hindert sie noch daran zu regieren?
Indem wir nicht in die Regierung eintreten, behalten wir unser klares Profil. Wir haben noch Differenzen [mit der PS] in den europäischen Fragen. Aber vielleicht kommen wir da in Zukunft weiter.

Die portugiesische PS war immer proeuropäisch und hat die Haushaltsdisziplin unterstützt. Hat sich die Partei geändert?
Es hat einen Wandel gegeben, den die derzeitige Parteiführung gut interpretiert hat. Die Frage stellt sich im übrigen nicht nur der PS, sondern allen sozialdemokratischen Parteien in Europa. Schauen Sie nur auf die Labour Party… oder auf die spanische PSOE, die bereit ist, sich mit Podemos zu verbünden. Die sozialdemokratischen Parteien in Europa müssen in bezug auf die Sparpolitik eine Entscheidung treffen: sie unterstützen oder zu traditionelleren sozialdemokratischen Positionen zurückkehren. Heute haben wir ein sozialdemokratisches Programm.

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