von Angela Huemer
Winter in New York. Noch besser, Vorweihnachtszeit. Und dazu noch im schönen Ambiente der 50er Jahre. Wir sind in einem der großen Kaufhäuser New Yorks. Mit dem Wunsch für schöne Feiertage werden dort rote Weihnachtsmannmützen an die Verkäuferinnen verteilt. Die junge Therese Belivet arbeitet hier in der Spielwarenabteilung. Die Tore öffnen sich und sogleich strömen Kunden herein. Therese steht hinter ihrer Theke und ihr Gesichtsausdruck zeigt, dass sie etwas Distanz wahrt zum Treiben rundherum. Dieser weihnachtliche Trubel hält mit einemmal inne, als sie eine elegante blonde Frau in einem Pelzmantel erblickt. Sie kann kaum die Augen von ihr lassen. Die Frau kommt zu ihr an die Theke und fragt sie nach einer bestimmten Puppe, die sie ihrer Tochter kaufen möchte. Die Puppe ist ausverkauft, und da fragt Carol Aird, so heißt die Dame, die Verkäuferin Therese, was sie sich denn so gewünscht hätte im Alter von vier Jahren. Keine Puppen, meint sie, dann schon eher die Modelleisenbahn.
Carol zeigt Therese ein Foto von ihrer Tochter. Und sie kauft, wie von Therese geraten, die Modelleisenbahn. Als die beiden miteinander reden, scheinen sie unbewusst das Geschehen rundherum auszublenden. Beim Weggehen macht Carol Therese für ihre lächerlich aussehende Weihnachtsmütze sogar noch ein Kompliment. Damit der Modellzug geliefert werden kann, hat Carol ihre Adresse hinterlassen. Und sie vergisst ihre Handschuhe. So nehmen die Dinge ihren Lauf, Therese schickt ihr die Handschuhe, Carol bedankt sich mit einem Mittagessen.
Carol ist um einiges älter als Therese und macht gerade eine Scheidung durch. Ihr ein und alles ist ihre Tochter Rindy. Noch wird die Fassade nach außen gewahrt, nach einigem Insistieren schafft es ihr Mann, sie zu überreden, dass sie zu einer Abendeinladung mitkommt, und man merkt, wie sehr er an ihr hängt. Es ist klar, dass sie die treibende Kraft der Trennung ist.
Der Film basiert auf dem Roman The Price of Salt von Patricia Highsmith, sie veröffentlichte ihn 1952 unter einem Pseudonym, um ihre ersten Erfolge als Krimiautorin nicht zu gefährden. (Patricia Highsmith hatte selbst Beziehungen zu Männern und Frauen.) Der Roman war wegweisend, weil er eine gleichgeschlechtliche Liebe auf neuartige Weise behandelte, ohne Tragik und Moralisieren. Todd Haynes, ein unabhängiger Filmregisseur, hat schon einmal unerlaubte Liebesformen in den 50er Jahren filmisch behandelt, in dem wunderbaren Film Far from Heaven (Dem Himmel so fern) von 2002, in dem Julianne Moore mit einem versteckt homosexuellen Mann verheiratet ist und im Zuge der Trennung von ihm eine große Liebe zu einem Schwarzen entwickelt.
Das schöne an Carol ist, dass Haynes die Liebesgeschichte der beiden Frauen wie jede andere Liebesgeschichte erzählt. Ganz genau konzentriert er sich darauf, den Zuschauer am Aufkeimen der gegenseitigen Gefühle teilhaben zu lassen. Besonders schön ist eine Szene im Auto, bei der die Welt rundherum weitgehend ausgeblendet wird, Haynes spielt dabei sehr subtil mit einer ganz speziellen Tonmontage.
Der Film fließt dahin, feinfühlig, intensiv und elegant trotz der nicht wenigen dramatischen Elemente. Die schauspielerischen Leistungen sind durchweg großartig, besonders die der beiden Hauptdarstellerinnen Cate Blanchett (die auch als Produzentin genannt wird) und Rooney Mara. Schön sind auch Kostüme und Ausstattung, nie wird man dadurch abgelenkt, vielmehr auf ganz natürliche Weise in eine andere Zeit versetzt.
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