von Larissa-Peiffer-Rüssmann
In Deutschland Flüchtling zu sein bedeutet, in ständiger Angst vor Abschiebungung zu leben, ohne soziale Teilhabe, ohne Perspektive und einem sehr eingeschränkten Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung. Das musste auch die Familie Bislimi erfahren, die 1993 vor dem beginnenden Jugoslawienkrieg aus dem Kosovo nach Deutschland floh. Als Roma und Aschkali waren sie die ersten, die aus ihren Häusern vertrieben und aus dem Lande gejagt wurden, obwohl sie seit Jahrhunderten im Kosovo ansässig sind. Mit Hilfe von Fluchthelfern gelang der Mutter die Flucht mit ihren fünf Kindern, darunter das 14jährige Roma-Mädchen Nizaqete. Der Vater hatte einen Einberufungsbescheid und konnte ohne Papiere nicht fliehen.
Nizaqete Bislimi, die heute als Anwältin für Ausländer- und Asylrecht arbeitet, erzählt ihre unglaubliche und leidvolle Geschichte facettenreich und informativ. Die politische Entwicklung wird anschaulich und nachvollziehbar geschildert, sie mündet in eine humanitäre Katastrophe, ausgelöst durch den Kriegseinsatz der NATO, an dem sich Deutschland unter Gerhard Schröder (SPD) und Joschka Fischer (Grüne) beteiligt.
In Deutschland lebt die Familie unter erniedrigenden Umständen: Alle drei Monate muss bei der Ausländerbehörde die befristete Duldung verlängert werden, manchmal wird sie nur für einen Monat gewährt. Sie erzählt von ihrer Sehnsucht nach ihrer verlorenen Heimat, nach ihrem Haus und dem Garten, wo ihre Familie seit Generationen gelebt hatte. Sie wünscht sich ein Leben ohne Angst und Diskriminierung. Aber auf den deutschen Ämtern begegnet ihr so viel Verachtung und Kälte, dass sie fast verzweifelt. Gleichzeitig stößt sie auf Menschen, die ihr helfen, die sie ermutigen und sie in ihrem Kampfgeist bestärken. Oft sind es Zufälle, die ihr weiterhelfen.
Das Leben in einer Flüchtlingsunterkunft mit all seinen Facetten hätte ich mir so nicht vorstellen können – und das in einem so reichen Land wie Deutschland. Um genau zu wissen, was Flüchtling sein in Deutschland bedeutet, muss man dieses Buch gelesen haben. Man versteht, welch unglaubliche Leistung erbracht werden muss, trotz aller Schwierigkeiten das Abitur zu schaffen. Und dann beginnt der Kampf um einen Studienplatz, der für Geduldete gar nicht vorgesehen ist.
Erst als sie das Studium abgeschlossen und ihr Referendariat beendet hat, wird ihr und ihrer Familie 2006 das Aufenthaltsrecht gewährt – nach 13 Jahren in Deutschland!
An der prekären Situation der Flüchtlinge hat sich bis heute nichts geändert, im Gegenteil. Immer noch landen über 90% der Roma-Kinder auf der Förderschule und erreichen selten einen Schulabschluss. Heuchlerisch wird von den Flüchtlingen Integrationswille eingefordert und dann alles getan, um eben diese Integration und soziale Teilhabe zu verhindern.
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