Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2016
Josef Schuster und der «arabisch-stämmige Antisemitismus»
von Abraham Melzer*

Josef Schuster vom Zentralrat der Juden in Deutschland forderte jüngst eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen, weil er Angst hat, dass die den Antisemitismus nach Deutschland bringen. Armes Deutschland. Muss jetzt schon Antisemitismus importieren.
Von der CDU gibt es den Integrationsvorschlag, alle Flüchtlinge sollen unterschreiben, dass sie das Existenzrecht Israels anerkennen.
Jan Fleischhauer sattelt auf Schusters Forderung noch einen drauf, indem er in Spiegel-online vorschlägt, Antisemitismus unter Strafe zu stellen, denn: «Wir Deutsche haben gezeigt, dass die Tabuisierung des Antisemitismus ganz gut funktioniert.»
Da wird wohl bald ein Dieter Hallervorden im Zuchthaus sitzen, weil er äußerte, dass der Antisemitismus enttabuisiert werden muss. Und die Mitglieder der «Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost» werden zu einer kriminellen Vereinigung erklärt.
Warum erregt mich das alles? Weil das Unrecht, das von meinem Volk begangen wird – sei es die Behandlung der Palästinenser oder die moralische Erpressung der Deutschen (und der übrigen Welt) – mich selbstverständlich mehr erregt als Unrecht, das andere Völker begehen. Das blutige Hemd ist mir näher, als die weiße Weste. Und wenn ich an Israel denke, dann schäme ich mich festzustellen, dass Israel tatsächlich auf die Hilfe solch obskurer Organisationen wie «Christen für Israel» angewiesen ist und solch schräger Politiker wie Volker Beck von den Grünen oder Petra Pau von der LINKEN oder solch zynischer und unmoralischer Journalisten wie Henryk Broder, Jan Fleischauer, Mathias Matussek und wie sie alle heißen, die sich für Israel ins Zeug legen.
Ein Antisemit ist aber ein Antisemit und nicht jemand, der sich gelegentlich auch mal kritisch über jüdische Dinge oder gar Israel äußert, ganz gleich, ob er nun recht hat oder nicht.
Christian Lindner kritisiert Josef Schuster zurecht, dass er sich keine Sorgen um Homosexuelle oder um die Gleichberechtigung der Frau macht (ob diese berechtigt wären oder nicht, sei hier dahingestellt). Schuster geht es einzig und allein um Juden und den Antisemitismus, den die Flüchtlinge angeblich nach Deutschland importieren. Als ob es in Deutschland keinen Antisemitismus gebe.
Antisemitismus gab es im Irak nicht und schon gar nicht in Syrien. Die Juden dort betrachteten sich als Iraker oder Syrer, und im Iran dürfen sie sogar in der Armee dienen und sind im Parlament vertreten. Wenn es dennoch Spannungen gibt, dann sind diese dem israelisch-palästinensischen Konflikt geschuldet. Der Hass auf Juden ist kein fester Bestandteil der arabischen Welt.
Wenn Juden in Deutschland Angst haben, ist das teilweise nachvollziehbar. Aber schuld daran ist auch ihre Führung, die mit unverantwortlichen Äußerungen – siehe das Schuster-Interview – Ängste schürt.

* Der Autor betreibt heute den Blog http://der-semit.de. Die Initiative «Juden gegen Rassismus» weist in ihrer Stellungnahme vom 24.11.2015 darauf hin, dass «laut Angaben der Bundespolizei in Deutschland mehr als 95 Prozent aller antisemitischen Gewalt- und Straftaten von Deutschen ohne Migrationshintergrund begangen» werden.

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