von Violetta Bock
Union Busting, Fertigmacher, Bossing: kurzum der Weg von Unternehmen, sich die Belegschaft zu formen, die sie sich wünschen, willig, flexibel und glatt ohne Widerstand. Um das zu erreichen, greifen sie mal Einzelne, mal ganze Belegschaften an, üben psychischen Druck aus oder entwickeln Methoden, bei denen sie selbst nicht als Angreifer in Erscheinung treten, sondern den Interessenkonflikt zwischen Kapital und Arbeit in die Belegschaft hineintragen.
Als ich selbst begann, mich mit Union Busting zu beschäftigen, war mein erster Impuls, dass man den Angriffen auf betrieblicher Ebene begegnen können muss und es vor allem darauf ankommt, Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen, die sich entschlossen entgegen stellen. Studien über Organizing in den USA bestätigen, wie wichtig gerade in gewerkschaftsfeindlichen Unternehmen eine starke Basisbewegung ist, um gegen Angriffe anzukommen.
Allerdings reicht das alleine nicht. Genau deshalb werden Einzelne von Arbeitgebern ins Visier genommen, um an ihnen vorzuführen, dass es nicht lohnt, sich für seine Interessen einzusetzen, sondern «unternehmerisches Denken» letztendlich auch für einen selbst die bessere Alternative sei. Sobald Betriebsräte aufgebaut werden, werden sie angegriffen. Ein spontaner Solidarisierungseffekt stellt sich nicht unbedingt ein. Oft hat man keine fertig organisierte Belegschaft, die sich hinter die Angegriffenen stellt.
Die Debatte um Union Busting ist inzwischen weiter gereift, und es fächern sich verschiedene Möglichkeiten auf, um Beschäftigten zu zeigen, dass die ersten, die im Betrieb für die Interessen der Beschäftigten eintreten, erfolgreich in der Schlacht bestehen können. Damit sie die Angst überwinden, wird die Palette des Widerstands gegen Fertigmacher erweitert. Guckt man sich genauer an, was schon alles zum Thema Union Busting gemacht wird, findet man reichlich Ansätze.
Nicht jeden Angriff kann man sofort parieren, sofort verstehen, welches System dahinter steckt, und gerade wenn man von Anfang an bekämpft wird, ist es wichtig, dem Krieg der Unternehmer strategisch auf mehreren Ebenen zu begegnen.
Möglichkeiten
Seit Juli berichtete die SoZ in jeder Ausgabe zum Thema Union Busting. Da wurde einmal die Initiative «work-watch» vorgestellt, die betroffene Betriebsräte berät; ein Betriebsrat berichtete in einem Interview aus betrieblicher Sicht, wie es ist, ins Visier genommen zu werden. Wir berichteten über den Kongress zum Thema Union Busting und Streikrecht im November in Kassel.
Das Thema wird uns jedoch länger begleiten. Heute haben Unternehmer anscheinend gar keine Angst mehr, Aktive im Betrieb fertig zu machen. In dieser Ausgabe wollen wir uns damit beschäftigten, wie Fertigmachern 2015 begegnet wurde. Ein Patentrezept gibt es noch nicht und wird es wohl nie geben. Es findet sich allerdings eine ganze Bandbreite von Handlungsmöglichkeiten, der man sich anschließen und die man weiter entwickeln kann. Ein paar Beispiele:
Der Klassiker Da ist einmal ganz konkret die betriebliche Ebene, auf der es natürlich tausend Varianten gibt. Unter fadenscheinige Gründen werden Betriebsratsmitglieder gekündigt. Manchmal entwickeln sich darum Unterstützerkomitees, und auch die Gerichte geben häufiger den Gekündigten recht.
Die Variante Betriebsübergreifende Arbeitskreise zum Thema Unionbusting. Sie heißen «Solidarität gegen BR-Mobbing», Aktion./. Arbeitsunrecht, work-watch, Gegen Bossing…In immer mehr Städten bilden sich Initiativen, Vereine und eigene oder bundesweite Kreise, die sich dieses Themas annehmen, sich gegenseitig unterstützen, vor Ort einen Anlaufpunkt bieten für die, die als Nächstes dran sind. Der Grund für ihre Entstehung ist oft der, dass die Betreuung von Union-Busting-Opfern zeitintensiv ist und die Gewerkschaften dies noch nicht alle auf dem Schirm haben. Ein Sekretär, der für zig Betriebe und Mitglieder zuständig ist, kann dies kaum leisten, weswegen die unabhängigen Kreise auch von Gewerkschaften als Kooperationspartner geschätzt werden und oft allein dafür notwendig sind, um Öffentlichkeit auf das Thema zu lenken und das Wissen über die Strategien der Arbeitgeber zu vertiefen.
Gewerkschaftliche Strukturen vorbereiten Beim Poststreik war Ver.di überrascht von der Heftigkeit der Angriffe, die die Post aus dem Lehrbuch anzuwenden wusste. Doch generell wächst in den Gewerkschaften die Sensibilität für dieses Thema. Auf den Gewerkschaftstagen von Ver.di und der IG Metall wurden zahlreiche Anträge von unterschiedlichsten Gliederungen gestellt, um die Organisation gegen Betriebsräte-Bossing und Union Busting in Stellung zu bringen. Der Mannheimer Appell ruft dazu auf, das Betriebsrats-Bashing zu stoppen. Selbst die IG BCE bietet inzwischen einen «Erste-Hilfe»-Leitfaden für gemobbte Betriebsräte an (Signale erkennen – Öffentlichkeit herstellen – Tempo-Diktat knacken – Unterstützer organisieren – Private Partner einbinden, www.hamburg-harburg.igbce.de).
Fertigmacher direkt angehen Mit den Beratungsfirmen betritt sozusagen eine «dritte Partei» die Bühne (sonst bezeichnen Unternehmen gerne die Gewerkschaft so). Sie bilden die Chefs aus, entwickeln mit ihnen gezielt Strategien und schreiben Handbücher, wie Widerstand gebrochen werden kann. Sie organisieren Kongresse und Seminare, um Arbeitnehmer zu schulen. Manche dieser Konferenzen konnten bereits durch lautstarken Protest und Kundgebungen verhindert werden. Wie etwa Seminare der berüchtigten Anwaltskanzlei Schreiner und Partner im Oktober 2015 in Nürnberg oder die «Achten Arbeitgebertage zum Brennpunkt Betriebsrat», die Anfang Oktober 2015 in Hamburg stattfinden sollten.
Am 12.Januar 2016 ist das nächste Union-Busting-Seminar der Anwaltskanzlei Schreiner und Partner im Kölner Maritim mit dem bezeichnenden Titel «Tarifbindung, Tarifausstieg und Arbeitskampf – Arbeitgeberstrategien gegen Streiks und überzogene Tarifforderungen» angekündigt, mal sehen, ob es auch stattfindet.
Die vierte Partei angreifen Das sind Journalisten und Arbeitsrichter, die das Spiel der Unternehmen mitspielen. Für sie ist die scheinbare Unabhängigkeit ein wichtiges Gut und meist sind sie selbst nicht in der Schusslinie. Manchmal lassen sich auch hier Zusammenhänge aufdecken…
Bundesweite Kampagnen Mit der Kampagne «Jetzt schlägt’s 13!» ruft die Aktion./. Arbeitsunrecht am Freitag, dem 13., zu Aktionen gegen Unternehmen auf, die sich rund um Union Busting verdient gemacht haben. Beim letzten Aktionstag, dem 13.11., wurde kik gekürt, in mehr als 20 Städten fanden Aktionen vor kik-Filialen statt. Der nächste «Schwarze Freitag gegen Horror-Jobs und Anwälte des Schreckens» wird am Freitag, den 13.Mai 2016, stattfinden. Wer an der Kampagne teilnehmen will, kann sich direkt bei Arbeitsunrecht melden.
Gesellschaftliche Öffentlichkeit Etwa die Kasseler Konferenz im November, Fernsehbeiträge, Studien. Auch lokal ist es eine wichtige Aufgabe, aufzuklären und auf Unternehmen hinzuweisen, die sich an Union-Busting-Strategien beteiligen. Im Betrieb wird geraten nicht auf jeden Angriff einzugehen, sonst ist man nur mit Parieren beschäftigt. Besser sei es, Angriffe auch mal ins Leere laufen zu lassen und statt dessen auf das System dahinter hinzuweisen. Das Thema ist gesamtgesellschaftlich anzugehen. Statt Betrieb für Betrieb vorzugehen, gilt es die gesellschaftliche Öffentlichkeit zu erreichen. Kein Unternehmen sollte sich trauen können, solche Methoden zu verwenden.
Thinktanks, Finanzierung von Kongressen, Studien… Die Kapitalseite ist gut aufgestellt, um Methoden zu verfeinern. Umso erhellender, wenn hier Zusammenhänge aufgedeckt werden können. Studien sind in Deutschland noch rar gesät. Es gibt vereinzelt Bücher und Studien wie Die Fertigmacher (2015), wovon sicher noch mehr produziert werden können.
Vorsorge: Solidaritätkomitees Auf die Bedeutung von Unterstützungskomitees wies Elmar Wigand bei der Konferenz Anfang November in Kassel hin. Gerade wenn man im Scheinwerferlicht der Gegenseite steht, erhalten Räume der Sicherheit und hunderprozentige Unterstützung neue Bedeutung. Sie sind nicht nur für eine verstärkte Front wichtig, sondern auch, um dem psychischen Druck ein Ventil zu geben, sich auszutauschen und erzählen zu können, wie belastend die Situationen bei der Arbeit sind. Denn die Alternative zu so einem Kreis ist, alles im Privaten abzuladen.
Genauso wie Unternehmen sich weiterbilden, Belegschaftsstrukturen und -dynamiken studieren, um daraus Rezepte abzuleiten, wie sie gegen Gewerkschaften und Interessenvertretungen vorgehen, genauso liegt es an den Gewerkschaften und Aktiven, den Gegner zu beobachten und auszuwerten, welche Strategien dagegen erfolgreich sind. Hier lässt sich auch viel aus internationalen Erfahrungen lernen und aus Ländern, in denen solche Strategien bereits mehr Tradition haben. Gelingt es vor Kolleginnen und Kollegen aufzudecken, mit welchen Methoden das Management vorgeht, dann gibt es nur noch zwei Alternativen: Resignation oder Klassenhass. Sozialpartnerschaft ist dann zumindest keine Alternative mehr.
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