Erklärung von Anticapitalistas*
Die Auflehnung gegen die Politik der Einschnitte und der Angriffe auf die arbeitende Bevölkerung, die am 15.Mai 2011 (15M) begann, hatte nun auch Folgen an der Wahlurne. Ein weiterer Beweis dafür, dass viele Leute nicht klein beigeben und dass es eine breite soziale Basis dafür gibt, weiterhin für eine radikale politische und soziale Veränderung zu arbeiten, die den Zwangsräumungen, den Missbräuchen der Banken und der Ausbeutung und Prekarisierung der Arbeit, der Machogewalt, der Behinderung der freien Selbstbestimmung der Völker und der Zerstörung der Natur ein Ende bereitet.
Die konservative PP bleibt den Stimmen nach größte Partei, sie hat jedoch viele Sitze verloren. Eine große Mehrheit weist sie zurück und will nicht, dass die Partei von Bárcenas und Gürtel (zwei Protagonisten der vielen Skandale, in die die PP verwickelt war) weiterhin regiert. Die Korruption und das Regieren im Interesse der Reichen gegen die Arbeiterklasse zeigen Folgen. Und das ist eine gute Nachricht: Hinter den politischen Veränderungen, hinter der Neuaufteilung der parlamentarischen Macht steht ein starker gesellschaftlicher Kampf.
Die sozialdemokratische PSOE ist nicht abgestürzt – und das ist keine gute Nachricht. Sie hat nun weniger Stimmen und Sitze, aber dass sie sich halten kann, zeigt auch die Grenzen des Veränderungsprozesses: Ohne Mobilisierung wird es schwierig sein, die Wählerbasis der PSOE weiter zu untergraben. Wir müssen nun die Herausforderung annehmen, dass die Notwendigkeit, die PP zu schlagen, der PSOE keine neue Legitimation verschaffen darf, sie ist eine «Linke», die neoliberale Politik betreibt und stets im Sinne der Eliten regiert hat.
Das Phänomen Ciudadanos hat sich als schwächer herausgestellt als erwartet. Sie ist auf dem vierten Platz gelandet, das bedeutet, dass die Leute das Original der Kopie vorziehen und dass die politische Polarisierung es dem bürgerlichen Zentrum schwer macht, stärker zu werden. Ihr Programm, ein Produkt der «Stiftung für soziale Studien und Analyse», deren Vorsitzender der ehemalige PP-Chef Aznar ist, und der neoliberalen Thinktanks, hat sich nicht zu einer Alternative zum Zweiparteiensystem durchsetzen können.
Unsere Wahloptionen, Podemos und ihre Ableger (En Marea, En Comú Podem, Compromis-Podem), haben den dritten Platz errungen. Sie haben das kumulierte Potenzial vom 15.Mai, vom vorangegangenen Zyklus der Kämpfe sowie der Ablehnung der Austeritätspolitik und der Parteien der traditionellen Linken eingesammelt. In Katalonien stimmte eine große Mehrheit auch für das Recht, über die Unabhängigkeit abzustimmen.
Es gibt also mehr als einen Grund das Wahlergebnis zu feiern, es ist aber wichtig, dass wir von jetzt an in die Zukunft schauen, jenseits des jetzt wahrscheinlichen Tanzes um Absprachen und Koalitionen. Die Troika hat mehr Einsparungen gefordert; unabhängig davon, wer an der Regierung ist, gehen die Zwangsräumungen weiter und das Kapital behält seine Macht: Das ist der Kampf, der auf uns wartet, und um ihn durchzuhalten, müssen wir unsere Basis stärken – zusammen mit anderen Mitstreitern wie die von Izquierda Unida/Unidad Popular. Die Wahl ist vorüber, der Klassenkampf geht weiter.
Die institutionelle Instabilität, die die Wahlen hervorgerufen haben, eröffnet neue Möglichkeiten – auch für all diejenigen von uns, die darauf setzen, dass politische Veränderung sich nicht allein auf Veränderungen von oben beschränkt, sondern zu einer demokratische Revolution wird, die die freie Entscheidung der Menschen und die Beteiligung der Bürger an allen Entscheidungen ermöglicht. Wir müssen daran arbeiten, dass neue konstituierende Kräfte freigesetzt werden. Eine demokratische Revolution, die auch die derzeitige Aufteilung des Reichtums, die wirtschaftlichen und die Besitzverhältnisse, die öffentliche Kontrolle der Energiequellen und der Finanzwelt sicherstellt. Eine demokratische Revolution, die danach strebt, eine Gesellschaft aufzubauen, die frei ist von Unterdrückung und Ausbeutung.
Wir feiern den Wahlsieg, aber wir arbeiten am Bruch. Lasst uns diesen Kampf fortsetzen.
* Anticapitalistas ist eine Strömung in Podemos, die der IV.Internationale angehört.
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