Am 3.Dezember wurden vier chinesische Arbeiterorganisationen in den südlichen Produktionszentren Guangzhou und Foshan von der Polizei angegriffen. Dutzende Angestellte, Familienmitglieder und Arbeiter wurden verhört, sieben blieben über einen Monat in Haft. Vier wurden bislang formell verurteilt: drei, weil sie durch Organisierung von Versammlungen die soziale Ordnung gestört hätten, einer wegen dem Vorwurf der Veruntreuung.
Sehr viel mehr ist nicht über die Inhaftierten bekannt. Anwälten wurde nicht erlaubt sie zu sehen. Die staatlichen Medien zogen gegen die Aktivisten eine Hetzkampagne auf, um die Razzien zu rechtfertigen. Die Razzia kam nicht von ungefähr, mit staatlicher Repression sind Arbeitergruppen und Aktivisten auch sonst konfrontiert. Der Unterschied in diesem Fall ist die Zahl der betroffenen sogenannten Arbeiter-NGOs und Individuen und die Schwere der Verurteilung. In China sind neben der Monopolgewerkschaft ACFTU (All China Federation of Trade Unions) keine unabhängigen Gewerkschaften erlaubt.
Angesichts der heftigen Repression gegen jede unabhängige gewerkschaftliche Organisierung kommen die Arbeiter-NGOs unabhängigen Gewerkschaften am nächsten. Meist wurden sie von ehemaligen Arbeitern und Aktivisten aufgebaut. Sie unterstützen Kolleginnen und Kollegen in Rechtsstreitigkeiten und kollektiven Kämpfen. Gewöhnlich arbeiten sie mit einer Besetzung von weniger als einem Dutzend Mitarbeitern, pflegen Kontakte zu Anwälten und Unterstützern. Damit sind diese Gruppen eher Arbeiterzentren, die in der Nachbarschaft verankert sind, statt professionelle NGOs. Während sich manche ausschließlich auf rechtliche Hilfe für einzelne konzentrieren, haben einige, einschließlich der Angegriffenen, die Grenzen dieses Vorgehens erkannt und kollektive Formen des Kampfes und gemeinsame Verhandlungen mit dem Management entwickelt. Dadurch konnten sie sich mit kämpferischen Arbeitern vernetzen, die die Arbeiterbewegung in China heute anführen. So geben sie Ressourcen, Erfahrungen und Fähigkeiten weiter und den Streiks eine organisierte Form. Andererseits begrenzen ihre spezifische Organisationsform sowie ihr gewöhnlich pragmatischer Ansatz häufig ihr Potenzial.
Die Behörden tun ihr Bestes, um der jüngsten Razzia einen gesetzlichen Rahmen zu geben statt, wie in der Vergangenheit, Aktivisten nur willkürlich zu verhaften und zu drangsalieren. Diese neue Taktik, die an das Vorgehen liberaler demokratischer Staaten gegen militante Gewerkschafter erinnert, birgt das Risiko, einen Präzedenzfall zu schaffen. Sie kriminalisiert Aktivitäten nicht nur, sie normalisiert die Kriminalisierung.
www.jacobinmag.com/2016/01/
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