von Angela Klein
Bremen war mal eine Zeitlang Vorreiter, was die Unterbringung von Asylbewerbern anbelangt. Seit 2013 gab es dort nämlich die Regelung, dass Asylbewerber nach drei Monaten in Wohnungen vermittelt werden sollten. Seit 2011 hatte es dazu eine Kampagne von Unterstützergruppen und Flüchtlingen mit Demonstrationen gegeben.
Im vergangenen Sommer/Herbst kollabierte diese Regelung vor der großen Zahl von Flüchtlingen, die Bremen erreichte; es sollen 2015 um die 12000 gewesen sein, so genau weiß das niemand, weil sie immer wieder die Quartiere wechseln. Zelte und Turnhallen waren jetzt angesagt, z.T. auch Kasernen. Einige Zelte mussten im Winter mehrfach wegen Sturmwarnung oder Frost kurzzeitig geräumt werden. Die Unterbringung in Turnhallen ist problematisch, denn deren auch vorübergehende Schließung beschert den Sportvereinen Mitgliederverluste gerade in Vierteln, wo solche Vereine viel Integrationsarbeit leisten. Erste Turnhallen werden jetzt wieder freigegeben.
Probleme der Unterkunft
Die Senatsverwaltung hat einige Versuche unternommen, Alternativen zu Turnhallen und Zelten zu finden: Containerdörfer, Häuser in Leichtbauweise und Wohnungen. Die einzig verbliebene, nur noch halbkommunale Wohnungsbaugesellschaft GEWOBA hat einige hundert Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht, aber das ist natürlich ein Tropfen auf dem heißen Stein. Doch einer zielführenden Wohnraumbewirtschaftung steht die umfangreiche Privatisierung kommunaler Wohnungsbaugesellschaften in den 80er und 90er Jahren und die völlige Einstellung von sozialem Wohnungsbau entgegen. Private Hausbesitzer und Vermieter sperren sich oder sie verlangen horrende Mieten. Einzelne Geschäftemacher, die Wohnraum zur Verfügung stellen, lassen sich das von den Behörden mit Tagessätzen bis zu 35 Euro pro Person vergolden. Andere stellen zum Teil Schrottimmobilien zur Verfügung, die komplett überbelegt werden. «Normale» Mieter können dagegen nicht konkurrieren.
Die Bürgerschaft hat kürzlich ein Gesetz beschlossen, leer stehende Gewerbeimmobilien ab 300 Quadratmeter notfalls zu beschlagnahmen. Daraufhin gab es einen Riesenaufschrei in bürgerlichen Medien, die heilige Kuh Eigentum dürfe nicht angetastet werden. Das Gesetz ist bisher in keinem Fall angewendet worden – man versuche das lieber über Verhandlungen mit den Eigentümern zu lösen, sagt ein Behördensprecher. Da ist aber nicht viel passiert. Der Markt bietet keine Gestaltungsmacht. Nach dem Krieg war die Zwangsbewirtschaftung von Wohnraum eine Selbstverständlichkeit, anders hätte sich der große Flüchtlingsstrom aus dem Osten gar nicht bewältigen lassen. Heute aber kapitulieren die politisch Verantwortlichen vor den privaten Profitinteressen, die sind ihnen wichtiger als der gesellschaftliche Zusammenhalt.
Wohnraum für alle
Gegen diese Verhältnisse wird in Bremen mobilisiert. Das Bündnis Refugees Welcome hatte bereits am 3.Oktober eine erste Demonstration mit über 2000 Leuten durchgeführt, um ein Zeichen gegen aufkommenden Rassismus und die Problematik von Massenunterkünften zu setzen. Am 5.12. folgte ein kollektiver Stadtspaziergang mit etwa 250 Teilnehmenden durch die Neustadt, wo es Flüchtlingsunterkünfte und gleichzeitig Wohnungsleerstand gibt, unter der Parole: «Kein leeres Haus, kein volles Zelt, Wohnraum für alle». Das Bündnis tritt für die Beschlagnahmung von leerstehenden Gebäuden ein.
Anfang Februar fand eine Asamblea, eine offene Versammlung statt, zu der über hundert Leute kamen, etwa die Hälfte davon Flüchtlinge. Eine weitere «Beschlagnahmt»-Demonstration führte am 20.Februar durch den Ortsteil Walle mit über 200 Teilnehmenden, darunter eine größere Anzahl Flüchtlinge. Auch dort gibt es Flüchtlingsunterkünfte und leer stehende Gebäude. Einige Aktivisten enterten kurzzeitig ein seit Jahren leer stehendes altes Postamt und hängten ein Transparent herunter mit der Aufschrift: «There is enough for everyone – Solidarity4all – Let’s take it». Textschnipsel und Konfetti flatterten zu Boden. Die Aktivisten mussten dann ihre Personalien bei der herbeigeeilten Polizei abgeben.
Im Bündnis Refugees Welcome ist auch das Aktionsbündnis «Menschenrecht auf Wohnen» vertreten, das Jahre vor der Flüchtlingswelle begonnen hat, sich mit der neuen Wohnungsnot in Bremen zu beschäftigen: Obdachlosigkeit, Wohnungsbau, Stadtentwicklung. Darin sind alle möglichen Akteure vertreten, auch Menschen aus der evangelischen Obdachlosenarbeit, gastweise auch Vertreter der Wohnungsbehörden oder der GEWOBA. Das Bündnis legt großen Wert darauf, dass die Nöte der (neu) Geflüchteten nicht gegen die Nöte der bisherigen Armen ausgespielt werden. Eine Station des Stadtspaziergangs war deshalb eine Siedlung aus sogenannten Einfachwohnungen, die früher zur Verhinderung von Obdachlosigkeit gebaut worden waren. Durch die Privatisierung fielen diese zuletzt an die Deutsche Annington-Vonovia, diese gern abreißen und Neubauwohnungen – ohne Sozialwohnungsanteil – errichten will, wodurch die einkommensschwachen jetzigen Mieter vertrieben würden. Der Senat hat eine 25%-Quote für Neubauvorhaben auf städtischem Grund von mindestens 20 Wohnungen beschlossen, die manche Bauunternehmen zu umgehen versuchen, indem sie 19 Wohnungen bauen.
Die Helfer
Junge unbegleitete Flüchtlinge sind in Bremen überproportional vertreten. Sie warten oft monatelang auf ihre Registrierung. Manchen ist das zu bunt geworden, die haben sich selbständig aus ihrer Unterkunft zum Amt für soziale Dienste aufgemacht und dort gesagt: Wir wollen endlich registriert werden. Generell wird versucht, alleinstehende junge Flüchtlinge möglichst schnell aus Massenunterkünften in kleineren Häusern mit Betreuung unterzubringen.
Massenhafte sexuelle Übergriffe hat es in Bremen nicht gegeben, aber über Diebstahl und Raub mit dem Antanztrick ist täglich in der Zeitung zu lesen. Dabei handelt es sich um eine kleine, aber sehr auffällige Gruppe minderjähriger Flüchtlinge. Falls die Betreuung in kleinen Einrichtungen für diese nicht reicht, wird für die besonders auffälligen Jugendlichen auch über geschlossene Heimunterbringung diskutiert, die hoch problematisch ist.
Um die Verwaltungs- und Betreuungsaufgaben rund um die Flüchtlinge zu bewältigen, hat der Senat die Schaffung von 300 zusätzlichen Stellen in der Verwaltung und für die Betreuung beschlossen. Darauf haben sich 6000–7000 Leute beworben! Die Finanzierung kann aber nur aus Zuweisungen vom Bund kommen. Eingestellt werden die Leute oft nur befristet, zum Teil mit halben Stellen, angesiedelt oft bei Sozialverbänden, die Flüchtlingsunterkünfte verwalten. Werden diese geschlossen, verlieren Betreuer dann oft wieder ihre Stelle.
Eine Koordination der Hilfsaktivitäten der Ehrenamtler und Hauptamtler läuft in Bremen auf Stadtteilebene, da stellen sich Ehrenamtler als «Lotsen» zur Verfügung, halten auch Kontakt zu den Behörden. Es hat auch ein Vernetzungstreffen dieser Initiativen gegeben; eine Gemeinde hat eine Versammlung zur Flüchtlingsunterstützung organisiert, an der Hunderte Menschen teilgenommen haben. All das verweist darauf, dass diese Helfer ihre Tätigkeit nicht als rein private Sache betrachten.
Doch es passiert auch sehr viel auf privater Ebene, was überhaupt nicht erfasst wird: Begleitung bei Behördengängen, Arztbesuchen, Deutschunterrricht usw.
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