von Renate Hürtgen
«Wir kämpfen gemeinsam für unsere sozialen Rechte und dabei ist uns egal, wer welchen Pass besitzt. Das Leben ist schön. Berlin für alle.» Mit diesen fröhlich-hedonistischen Worten endete ein Statement, das am 14.Februar nach sechs Stunden Plenum und Diskussion in Arbeitsgruppen von den Teilnehmenden des 2.Ratschlages «Berlin für alle» verabschiedet wurde. Von den über 200 Personen waren zu diesem späten Zeitpunkt immerhin noch 150 anwesend, und sie einigten sich überraschend schnell auf einen kurzen Text, in dem es darum geht, sich den sozialen Raum der Stadt solidarisch anzueignen.
Es ist kein vorgezogener Wahlkampftext – Personalisierungen wurden vom Plenum kurzerhand rausgestrichen –, sondern ein Projekt, das ausschließlich von Nichtregierungsorganisationen, sozialen Gruppen und Initiativen getragen werden soll. Es gab viel Beifall, als der Vertreter der Interventionistischen Linken (IL) die Projektidee vortrug: Solidarität statt Radfahrermentalität, Raum für alle, Einheit in der Vielfalt und dass «Berlin für alle» ein offenes Experiment sein solle. Die IL, Initiatorin des Berlin-Projekts, tat gut daran, diese Offenheit auch zu praktizieren, um nicht in den Verdacht zu geraten, sie dominiere das neue Bündnis.
Dem Treffen am 14.Februar war ein «1.Ratschlag» im Januar vorausgegangen, an dem sich ebenfalls 150 Personen aus über 35 Gruppen in der gleichen produktiven Arbeitsatmosphäre am selben Ort getroffen hatten, eingeladen von der Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte. Er endete mit der Verabredung, sich erneut zu treffen, um die zahlreichen Ideen für gemeinsame Projekte umzusetzen.
Tatsächlich wurden auch beim 2.Ratschlag vor allem Ideen gesammelt, einige Projekte sind jedoch auf den Weg gebracht. So soll es einen «Tag der sozialen Bewegungen» im September und eine Veranstaltungsreihe «Stadtdebatte. Perspektiven sozialer Bewegungen gegen Rechts» geben; die Teilnehmenden der AG Wohnen in Berlin und der AG Demokratie und Antifa werden sich wieder treffen; das «Social Center for all» wird sich u.U. in das neue Bündnis einbringen. Im März findet ein nächstes Treffen «Berlin für alle» statt.
Zweifelsohne haben beide Treffen ein großes Bedürfnis angezeigt, sich zu sammeln und die Kräfte zu bündeln. In einiger Hinsicht scheinen sie sich mir von den zahlreichen vergangenen Versuchen, Bündnisse zu schmieden, zu unterscheiden. Da ist vor allem die soziale/thematische und politische Breite der eingeladenen Gruppen, die von Flüchtlingsgruppen, Schülerstreikgruppen bis zur solidarischen Ökonomie und von Amnesty International über Mehr Demokratie bis zum Antirassistischen Netzwerk reichte. Ein klassisches Linkentreffen war das nicht. Die wachsende rechtspopulistische Stimmung und der Druck, dem etwas entgegenzusetzen, haben offensichtlich die Bündnisfähigkeit von allen Seiten erhöht.
Zeitgleich zum 1.Ratschlag fand in Dresden eine Strategiekonferenz mit dem gleichen Anliegen statt. In ihrer Einladung schreiben die Veranstalter, es gehe um «Gemeinsamkeiten unter gegenseitigem Respekt der Unterschiede» und darum, dass «bürgerlicher Protest und radikale Linke … nicht mehr als Gegensatz wahrgenommen werden».
An dieser Bündnispolitik sollte sich auch «Berlin für alle» orientieren. Vielleicht gelingt es dann tatsächlich, das soziale Milieu zu stärken und der rechten Bewegung eine eigene Perspektive entgegenzusetzen.
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