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Europa 2. März 2016
Ein Pilotprojekt aus Italien
von Angela Huemer

Eine ökumenisch-institutionelles Pilotprojekt schafft auf beispielhafte Weise legale Einreisewege für Flüchtlinge.

Am 15.Dezember 2015 wurden in Rom wichtige Weichen gestellt: Es trafen sich dort Vertreter des italienischen Innen- und Außenministeriums, der Chiesa Valdese (dem Verbund der evangelischen Kirchen Italiens), und der Comunità Sant’Egidio – eine 1968 in Rom gegründete und heute in rund 70 Ländern präsente, katholische Laienorganisation, die für ihr soziales und gesellschaftliches Engagement bekannt ist. Sie verpflichteten sich gemeinsam per Unterschrift, legale Zugangsweg für Flüchtlinge zu schaffen. Fürs erste ist die legale Einreise von 1000 Flüchtlingen in den nächsten 24 Monaten gewährleistet, wobei die Finanzierung zur Gänze von den beiden kirchlichen Trägern geschultert wird.
Die Comunità Sant’Egidio hat eine jahrzehntelange Tradition in der Arbeit mit Ausgegrenzten, Armen und Flüchtlingen; für die protestantischen Kirchen wiederum ist dieses Projekt Teil einer weitreichenden Initiative, dem sog. Mediterranean-Hope-Projekt. Es umfasst u.a. ein Beobachtungsbüro auf Lampedusa, ein Casa delle Culture in der kleinen sizilianischen Stadt Scicli, ein Begegnungszentrum sowie eine Flüchtlingsunterkunft.
Die im Rahmen des Projekts «Humanitärer Korridor» einreisenden tausend Flüchtlinge erhalten ein Visum gemäß Art.25 der EU-Regelung 810/2009, wonach aus humanitären Gründen, nationalem Interesse oder wegen internationaler Verpflichtungen territorial beschränkte Visa ausgestellt werden können. Diese Visa gelten nur für Italien, nicht für den Schengen-Raum. Einmal angekommen, können die Flüchtlinge einen Asylantrag stellen.
Das Anliegen ist, besonders gefährdeten Menschen eine sichere Flucht zu ermöglichen, das sind schwangere Frauen, Kinder, alte und kranke Menschen. Für das Projekt wurden Büros in Marokko und im Libanon eröffnet, ein weiteres ist in Äthiopien geplant. Daniela Pompei, die Migrationsverantwortliche der Comunità Sant’Egidio, erklärt, das Pilotprojekt werde mit 150 Schutzbedürftigen aus Marokko sowie 250 aus dem Libanon beginnen. Die Visa werden von den jeweiligen Botschaften ausgestellt, dem Innenministerium liegt eine Liste der Einreisenden vor.
Mit dem Projekt, so Pompei, will man zeigen, dass die bestehenden Gesetze der EU es möglich machen, legale Einreisewege zu schaffen, den Schleppern auf diese Weise das Handwerk zu legen und zu verhindern, dass sich Schutzbedürftige in Lebensgefahr begeben.
Am 4.Februar kamen am Flughafen Fiumicino in Rom die ersten Flüchtlinge an, eine vierköpfige Familie aus Homs: Yasmine, Suleyman und ihre Kinder Hussein und Falak. Falak ist sechs Jahre alt und hat aufgrund eines bösartigen Tumors ein Auge verloren. Ihr zweites Auge soll im Kinderspital Bambin Gesù in Rom gerettet werden. Die Familie zeigte sich überglücklich und dankbar, die Medienresonanz war groß. Yasmine rührte die Journalisten besonders, als sie einen alten italienischen Schlager anstimmte: «Lasciate mi cantare, sono un italiano» (Lasst mich singen, ich bin Italiener).
Bleibt zu hoffen, dass das Projekt im Rest Europas Nachahmung findet.

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