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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2016
Auch in Polen ist das Festhalten an der Kohleverstromung ein teures Unterfangen
von Norbert Kollenda

Durch den Kohlebergbau ist in Polen eine Konzentration von abhängig Beschäftigten sowohl im Bergbau als auch in der nachfolgenden Industrie entstanden. Bei Erdöl und Erdgas gibt es diese Arbeitermacht nicht, da können die Eigentümer (oder Putin) mehr oder weniger machen, was sie wollen.

Im polnischen Kohlebergbau stellten die Arbeiter traditionell eine Macht dar, sie konnten den Streik als Waffe nutzten, um damit demokratische Rechte abzutrotzen. Diese Zeiten scheinen vorbei zu sein, die Kumpel sehen zudem keine Chance, dass adäquate oder überhaupt Arbeitsplätze für sie geschaffen würden. Es wird deshalb wichtig sein, die Kumpel in die weitere Entwicklung einzubeziehen.

Das Klima ist bei fossilen Brennstoffen die eine Seite. Was ist aber, wenn alternative Energien zum Tragen kommen, die weiter der Logik der Kapitalakkumulation dienen? In Polen wird 84% des Stroms aus Steinkohle gewonnen. Nur eine Steinkohlenzeche befindet sich noch in der Region Lublin im Südosten Polens, die anderen liegen alle in Oberschlesien. Im Jahr 2000 wurden die Zechen in Niederschlesien – vor allem in Walbrzych (Waldenburg) – von heute auf morgen geschlossen, da sie unrentabel waren. Das Steinkohlevorkommen in Polen würde beim jetzigen Stand der Förderung – 70 Mio. Tonnen jährlich – für 250 Jahre (weltweit für 133 Jahre) reichen. Technisch allerdings würden die Reserven «nur» für 40 Jahre reichen. Wobei die Förderung sich immer schwieriger gestaltet und die Talsohle bald erreicht sein wird. Trotzdem wird die Kohle immer wieder unreflektiert als das Mittel der Energieerzeugung beschworen.

In jeder Hinsicht veraltet
Einer rentablen Zeche stehen in Oberschlesien 14 unrentable gegenüber. Sicherheitsvorschriften werden vernachlässigt, je tiefer gefördert wird, umso häufiger ist Methan anzutreffen, oft werden die Alarmsysteme verklebt, damit «das Warnsignal nicht die Arbeit stört»! Gefördert wird in Oberschlesien nach veralteten Methoden – teilweise wie vor 200 Jahren –, und die Geschichte zeigt, dass diese Region technologisch selbst zu Zeiten Preußens vernachlässigt war.*

Hinzu kommt, dass eine Tonne Importkohle aus den USA viermal billiger ist. Viele Länder – sogar Indien – schränken den Verbrauch von Steinkohle ein, entsprechend sinken Preis und Fördermenge.

Die «billige» Kohle kostet den Steuerzahlern viele Milliarden Zloty jährlich, zählen wir die zusätzlichen Kosten für Gesundheit und Umwelt dazu, sind es Dutzende Milliarden Zloty – die wir dafür zahlen, dass wir uns auf unsere Kosten vergiften. Denn der Staat pumpt enorme Subventionen in den Kohleabbau, und dennoch landet die Kohle auf der Halde (Anfang 2015 waren es 12 Millionen Tonnen!), weil die ausländische weitaus billiger ist. Die staatlichen Energieunternehmen müssen jedoch die heimische Kohle kaufen. Nun grassiert die Idee, Zechen und Kraftwerke zu einem Unternehmen zusammenzulegen. Ein solches Zweckbündnis würde die Chancen für die Erzeugung einer erneuerbaren Energie in Polen noch mehr blockieren.

70% der CO2-Emissionen ist der Kohleverbrennung zuzuschreiben. Die Europäische Kommission hat Polen bereits verwarnt. Sollte sich nichts ändern, könnte die Regierung zu Strafzahlungen von jährlich 4 Mrd. Zloty verpflichtet werden – im schlimmsten Fall rückwirkend von 2004 an. Allerdings machen die 300 Mio. Tonnen CO2-Emissionen Polen «nur» 1% der weltweiten Emissionen aus. Die Verantwortlichen in der Regierung tun so, als ob sie schon einiges unternommen hätten, um die Emissionen zu verringern. Allerdings beziehen sich sich dabei auf die Jahre der Transformation, wo alle den Gürtel enger schnallen mussten, die Industrie teilweise einbrach und weniger Kohle durch den Schornstein ging.

Oft wird bei der Diskussion um den Ausstieg aus der Steinkohle nur von den hohen Kosten einer Energiewende gesprochen, die Kosten der fossilen Energieerzeugung für Umwelt und Gesellschaft jedoch ganz außer acht gelassen. Natürlich stehen dem auch die Bergleute mit den für Polen starken Gewerkschaften entgegen. Verständlich, wenn wir uns die Situation in Niederschlesien ansehen, wo die Zechen geschlossen wurden und die Menschen in der Region mit einemmal vor dem Nichts standen und die Arbeitslosigkeit in die Höhe schnellte, weil sich niemand Gedanken über eine Umstrukturierung machte.

Die einzige Idee damals war die Schaffung einer «Sonderwirtschaftszone», die Amazon, LG, Chung Hong & Co. mit billigen und willigen Arbeitskräften versorgt. Die Bergbaugewerkschaften leugnen jedoch, dass es Probleme mit der Arbeitslosigkeit gibt, es würden keine Bergleute entlassen. Übertage gab es allerdings Angebote, 500 Leute mit Übergangsgeld zu entlassen – es meldeten sich über 2000.

Problematisch ist die Situation der Kumpel, die in Tschechien gearbeitet haben. Dort wurden die Zechen geschlossen und die Arbeiter entlassen. Viele hatten sich in Tschechien versichert und Steuern gezahlt, weil diese Ausgaben dort niedriger waren. Nun stehen sie da, Rente gibt es dort auch erst mit 60 und nicht wie in Polen, wo so mancher, der unter Tage arbeitet, mit 40 in Rente geht. Dabei gäbe es genügend Alternativen, die neue Arbeitsplätze schaffen würden, das zeigen andere Beispiele.

Dazu wäre es jedoch notwendig, dass sich die Verantwortlichen in der Regierung Gedanken machen und zusammen mit den Beschäftigten und Gewerkschaften Pläne für eine Umstrukturierung erarbeiten.

 

*Dazu empfehlen wir den Dokumentarfilm «Rebellisches Schlesien – Geschichten sozialer Kämpfe in Oberschlesien», Katowice 2016, von Dariusz Zalega. Nachzufragen bei norbert@europa-von-unten.org.

Quelle: E.Bendyk u.a.: Polski wegiel [Polnische Kohle] (Hrsg. Krytyka Polityczna). Warszawa 2015.

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