dokumentiert
Arlene Inouye ist im Vorstand der United Teachers Los Angeles. Sie erzählt, wie ihre Gewerkschaft 2014 an einem Tiefpunkt angelangt war und wie sie diese, nachdem sie die Führung austauschten, von innen heraus vollkommen neu und mit einer klaren Strategie aufbauten. Ihre sechs zentralen Lehren lauteten:
1) Man muss den Mitgliedern zuhören und aus ihnen neue Führungspersönlichkeiten aufbauen.
2) Das Gefühl der Solidarität untereinander und mit Verbündeten lässt sich nur aufbauen, wenn man viel Zeit miteinander verbringt und dadurch Vertrauen gewinnt.
3) Themen beziehen sich auf soziale, ökonomische, politische und ethnische Gerechtigkeit; wenn Kollegen dafür noch nicht bereit sind, muss man Raum für Diskussionen schaffen.
4) Die Beschäftigung mit der Geschichte der sozialen Bewegungen und der Arbeiterbewegung ist wesentlich, um daraus Lehren zu ziehen.
5) Man muss sich permanent um die Ausweitung und Vertiefung der Organisierung in den vorhandenen, aber auch in neuen Betrieben bemühen und Lobbyarbeit und Vertragsverhandlungen mit dieser Ebene rückkoppeln.
6) Die Aktivität muss über einen konkreten Ort hinausgehen und mit der größeren Perspektive von sozialer Gerechtigkeit verknüpft werden.
Kreatives Organizing
Ricardo Evins Morales ist Künstler und stellt seine Fähigkeiten in den Dienst der Arbeiterbewegung. Sein Fokus richtet sich darauf, wie Menschen bewegt werden können. Seine erste Frage: Was hindert Menschen daran, aktiv zu werden? Das Gefühl, durch eigenes Handeln nichts zu ändern, Angst, fehlendes Vertrauen in die Kollegen. Statt an passiven Kollegen aber zu verzweifeln, müsse man sich die Frage stellen, unter welchen Bedingungen Beschäftigte aktiv werden. Eine zentrale Rolle spielen dabei einprägsame Slogans, die etwas auf den Punkt bringen.
Als Beispiel nennt er die Formel «99% gegen 1%» und die Kampagne Black Lives Matter. Lebendige Geschichte, die Theorien zum Leben erwecken, geben Hoffnung. Sein Spezialgebiet sind kleine kreative, unvorhersehbare Aktionen, oft in Interaktion mit dem Vorgehen der Geschäftsleitung, die Verwirrung stiften. Sie versprechen, gerade wenn sie humorvoll sind, manchmal mehr Erfolg als der ausgeklügeltste Plan. Er bringt ein Beispiel: Eine im Betrieb bereits verbreitete Karikatur hat zu Zugeständnissen des Managements geführt, weil sie die Widersprüche überspitzt hat. Als Reaktion war abzusehen, dass die Beschäftigten sich zusammenschließen. Ein anderes Beispiel: In einem Betrieb sollte ein regelmäßiger Drogentest eingeführt werden. Als das Gesicht des Managers auf den Boden der Urinbecher geklebt wurde und die Gewerkschafter dies als Ermutigung zum Drogentest verkauften, dauerte es nicht lange, bis die Tests eingestellt wurden. In Gruppen wird dann ausgetauscht, welche Behinderungen es auf der Arbeit gibt, und kreative Ideen zur Reaktion entwickelt. Das macht nicht nur Spaß, sondern hilft auch, Pfade der Routine zu verlassen.
Geheimnisse des erfolgreichen Organizers
Secrets of a Successful Organizer – zeitgleich zur Konferenz wurde ein Buch mit diesem Titel herausgebracht, das einen praktischen Leitfaden für die Arbeit von unten enthält (bisher nur auf Englisch erhältlich). Einzelne Aspekte davon wurden in Workshops auf der Konferenz behandelt. Begonnen wurde mit der Frage, wem es bekannt vorkommt, dass zu Gewerkschaftstreffen nur ein Bruchteil der Mitglieder kommt. Zustimmendes Nicken im Raum. Typische Werkzeuge aus dem Baukasten des Organizing werden besprochen. Im Gegensatz zum Aktivisten, der selbst aktiv ist, orientiert sich der Organizer an den Menschen um ihn herum und ermutigt sie, aktiv und schließlich selbst Organizer zu werden.
Es kommt nicht darauf an, wie viele beim Treffen präsent sind. Wichtiger ist, dass die Informationen sich verbreiten und auch wieder zurückfließen. Organizer arbeiten daher mit Zwei-Stunden-Treffen für die 1% der sehr Engagierten, mit Fünf-Minuten-Treffen für die 10% Interessierten, Eine-Minute-Treffen für jeden. Dabei kann man eine Struktur mit klaren Zuständigkeiten aufbauen, wer für die Weitergabe der Informationen an konkrete Personen verantwortlich ist. Durch das Vergeben von Aufgaben bezieht man Menschen mit ein und kann sie langsam aufbauen. Dafür ist es vor allem notwendig zuzuhören, die Kolleginnen und Kollegen zu verstehen und passende Aufgaben zu finden.
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