von Angela Huemer
Wenige Filme haben auf mich so einen Eindruck gemacht wie Home of the Brave, ein Film der Musikerin und Komponistin, Pionierin der elektronischen Musik, Dichterin, Bildhauerin und Fotografin Laurie Anderson von 1986. Damals war sie für mich vor allem die Musikerin, einige Jahre zuvor war ihr Lied «Oh Superman» in die Charts geraten und eine Weile war sie so etwas wie berühmt.
Heart of a Dog, Das Herz eines Hundes, ist ihr zweiter Film. Und er ist ganz anders als ihr erster, aber ebenso schön und speziell.
Am Anfang steht Animation, wir sehen eine gezeichnet-animierte Version von ihr selbst, «this is my dream body, the one I use to walk around in my dreams», das ist mein Traumkörper, mit dem ich in meinen Träumen herumgehe, sagt sie in ihrer unvergleichlich schönen, ausdrucksvollen und wohl benutzten, poetischen Stimme.
Der Film hat einen traurigen Hintergrund. Von 2011 an hat Laurie Anderson große Verluste erlitten, zuerst starb ihr Hund Lolabelle, dann ihre Mutter und 2013 ihr Mann Lou Reed.
«Ich wolllte einen Film machen über Dinge, die sehr traurig sind, ich wollte das aber mit viel Freude tun», sagt Laurie Anderson über ihren Film. Und es gelingt ihr. Anfangs erfahren wir viel über ihren Hund, ein «rat terrier», wie er reagiert, wie er die Welt erlebt, wie sie mit ihm nach Kalifornien fährt nach dem 11.September und ihm Dinge beibringen will, was sie aber vergisst, weil es dort so schön ist.
Wir erfahren Geschichten aus ihrer Kindheit, begleitet von teils verschwommenen, teils realen (u.a. Super-8-Filme aus ihrer Kindheit), immer sehr poetischen Bildern. Ein wenig, so meint Anderson in einem Radiointerview, ist ihr Film wie ein Hörspiel, da sie während des ganzen Films spricht und ihre Musik zu hören ist. Und er ist sehr «collaborative», d.h. der Zuschauer muss angesichts der oftmals abstrakten Bilder seine eigenen konkreten Bilder finden. Das fällt leicht, sie erzählt präzise, plastisch und einfühlsam.
Mit der gleichen Leichtigkeit, mit der sie Geschichten erzählt, zitiert sie Wittgenstein und Kirkegaard und David Foster Wallace. Das klingt nach schwerer Kost, das ist es aber niemals. Man kann sich in diesen Film hineinfallen lassen, wenn man sich darauf einlässt. Komische Momente bleiben nicht aus. So erzählt sie, wie ihr Hund Klavier spielen lernte, nachdem er blind geworden war. Und er spielte nicht schlecht, er war mitunter so etwas wie eine musikalische Inspiration für sie.
Sie erzählt von den Daten, die die NSA sammelt, und wir sehen Bilder von Überwachungskameras, sie erzählt von Hunden, die nach dem 11.September ausgebildet wurden, um Bomben zu finden. Sie erzählt sehr persönliche Geschichten aus ihrer Kindheit. Eigentlich, so Anderson, geht es um Geschichten, darum, wie wir sie erzählen, über verschiedene Dinge, über uns selbst, über Leute und wie es ist, wenn jemand stirbt, über das Gefühl der Trauer.
Mitunter fragt man sich, nachdem sie den Tod ihres Hundes und ihrer Mutter thematisiert, ob sie irgendwann auch vom Tod ihres Mannes Lou Reed erzählt. Sie tut es nicht und tut es doch. Der Film ist ihm gewidmet, und «Lou gets the last song in the movie», wie sie sagt. «Turning Time Around» ist seine Antwort auf die Frage, «what do you call love?»
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