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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2016

Fraport übernimmt die griechischen Flughäfen
von Imke Meyer*

Alle Vorteile bleiben beim Konzern, alle Nachteile beim Staat – das ist das Rezept, nach dem die Privatisierung des griechischen Staatsvermögens vorgenommen wird, eine mit keinem Feigenblatt mehr verhüllte Form des Kolonialismus. Bedurfte es früher noch einer Armee, um sich einen fremden Staat untertan zu machen, reichen dazu heute die Sturmtruppen der Troika.

Im sog. Dritten Memorandum vom Juli 2015 wurde ausdrücklich festgeschrieben, dass die 14 gewinnbringenden Flughäfen Griechenlands an den deutschen Flughafenbetreiber Fraport gehen. Imke Meyer von der «Griechenland Solidarität Frankfurt-Rhein-Main» ist der Frage nachgegangen, wie diese Privatisierung abläuft und was sie bedeutet. Der nachstehende Text basiert auf einem Vortrag, den sie am 11.Januar 2016 in Frankfurt am Main auf Einladung des Frankfurter Bündnisses gegen Privatisierung hielt.

Als einer der wenigen Erfolge, die Ministerpräsident Tsipras bei den Verhandlungen in Brüssel über das Dritte Memorandum erreichen konnte, wird genannt, dass ein Viertel der Privatisierungserlöse für Investitionen verwendet werden darf. Aber das absolut Perfide an den Knebelverträgen ist, dass von den 50 Milliarden Euro zu erzielenden Erlösen 25 Mrd. Euro in die Rekapitalisierung der Banken fließen sollen, 12,5 Mrd. Euro in den Schuldendienst – und erst wenn diese 12,5 Mrd. Euro erreicht sind, kann die Regierung den restlichen Erlös für Investitionen im Land verwenden. Da diese 12,5 Mrd. Euro aber nicht erreicht werden können, kann man sagen, dass das Land wirklich nur ausgeplündert wird.

Unerreichbare Ziele
Wir alle wissen, dass auch bei der Abwicklung der DDR die angepeilten Summen nicht eingenommen wurden, sondern die Treuhand mit einem riesigen Defizit von 400 Milliarden Euro abgeschlossen hat – vor allem weil bei Zwangsprivatisierung alles zu Schleuderpreisen verscherbelt wurde. Dies war auch einer der Gründe, weswegen SYRIZA alle Privatisierungen erst einmal gestoppt hat.

Das Schicksal der deutschen Treuhand steht auch dem Hellenic Republic Asset Development Fund (HRADF) bevor. Er wurde im Juli 2011 mit einem Stammkapital von 30 Mio. Euro eingerichtet und nahm seine Arbeit im August auf. Dem ersten Quartalsbericht zufolge hat der Fonds fast 30 Beschäftigte, seine Ausgaben lagen in den ersten drei Monaten mehr als doppelt so hoch wie die Einnahmen, nämlich bei 135413 Euro, seine Einnahmen hingegen bei 61495 Euro! Bis 2015 wurden statt der angepeilten 50 Mrd. lediglich 3 Mrd. Euro durch Privatisierung realisiert. Der Verfall der Werte bei Zwangsverkauf und unter Zeitdruck ist enorm.

Ein Beispiel dafür sind die Immobilienpreise, die laut der griechischen Zentralbank bereits um über 40% gefallen sind. Wider besseres Wissen halten die Institutionen am Ziel, 50 Mrd. Euro aus Privatisierungen zu erlösen, jedoch fest, denn die Summe ist ein sehr wirksames Druckmittel. Je weiter die Realisierung vom Ziel entfernt ist, desto höher der Druck der Institutionen, die Privatisierung weiter voranzutreiben. Die Zahlung weiterer Tranchen wird davon abhängig gemacht. Griechenland wird sozusagen im Schwitzkasten gehalten.

Mit dem dritten erpressten Memorandum wurde ein zweiter «Vermögensentwicklungsplan» erstellt, der die Privatisierungen erneut festlegt. Er umfasst neben Immobilien und anderem den gesamten gewinnbringenden Teil der Infrastruktur und als Besonderheit 14 gewinnbringende Flughäfen.

Die Privatisierung der 14 Flughäfen und deren Übernahme durch Fraport war der bundesdeutschen Regierung so wichtig, dass sie im dritten Memorandum festgeschrieben wurde und das Parlament im August 2015 mit der Annahme des Pakets auch der Übernahme der Flughäfen durch Fraport nach den mit der vorherigen Regierung (!) ausgehandelten Bedingungen zustimmen musste.

Wer ist Fraport?
Fraport ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, allerdings mit einer Mehrheitsbeteiligung des Landes Hessen und der Frankfurter Stadtwerke von über 51%. Fraport ist nach Heathrow und Charles De Gaulle mit etwa 60 Millionen Fluggästen und einem Umsatz von 2,4 Mrd. Euro im Jahr der drittgrößte Flughafen in Europa mit wachsendem Engagement im Ausland. Der deutsche Heimatmarkt gilt als gesättigt. Fraport ist an 11 Flughäfen im Ausland beteiligt oder betreibt sie zu 100%, u.a. in St.Petersburg, in Lima, im türkischen Antalya, in Ljubljana und auch in China. Das Auslandsgeschäft beträgt bereits 37% des Konzerngewinns. Der Wettbewerb zwischen den großen Flughäfen spielt sich um Marktanteile im Ausland ab. Von daher war das Interesse des Konzerns an der Übernahme extrem hoch.

Das Mindestangebot, mit dem die 14 Flughäfen an Betreiber vergeben werden sollten, betrug anfänglich 350 Millionen Euro. Da es jedoch bis zum Schluss mehrere Bieter gab, ging der Preis in die Höhe. Im November 2014 erhielt Fraport gemeinsam mit dem griechischen Partner Copelouzos den Zuschlag für 1,234 Mrd. Euro. Außerdem wurde das Unternehmen verpflichtet, jährlich 22 Mio. Euro an Griechenland zu zahlen und etwa 350 Mio. Euro in die Flughäfen sofort zu investieren.

Für 40 Jahre soll Fraport der Betreiber von 14 lukrativen Flughäfen auf den Tourismusinseln sein. Es sind dies u.a. die Flughäfen von Korfu, Samos, Thessaloniki, Mykonos, Rhodos, Santorin, Chania auf Kreta, um nur einige zu nennen. Alle 14 Flughäfen verzeichneten in den letzten Jahren eine kontinuierliche Zunahme an Passagieren, im Jahr 2014 mit einer Steigerung von 19% auf 22 Millionen Passagiere (laut zeit-online 26,5 Mio.) – mit prognostiziert steigender Tendenz. Das bedeutet für Fraport einen Zuwachs von über einem Drittel der bisherigen Fluggäste und einen deutlichen Schub im internationalen Wettbewerb.

Weitere 25 Regionalflughäfen, die subventioniert werden müssen, behält Griechenland. Die Regierung hatte in den Verhandlungen versucht, Fraport auch zur Übernahme von einigen defizitären Flughäfen zu bewegen, was das Unternehmen aber abgelehnt hat. Das sind vor allem Flughäfen auf abgelegenen Inseln, die anders kaum zu erreichen und zur Versorgung der dort lebenden Bevölkerung notwendig sind. Sie wurden bislang über die gewinnbringenden mitfinanziert. Dies muss nun von der griechischen Regierung ohne diese Einnahmen gestemmt werden. Der Deal trägt also direkt zur Erhöhung der Schuldenlast Griechenlands bei.

Fraport geht von einem lukrativen Geschäft aus. Schätzungen zufolge kann das Unternehmen in den 40 Jahren mit einem Gewinn von 20 Mrd. Euro rechnen, bei einer Investition von rund 3 Mrd. Euro.

Die Keule mit dem Investitionsschutz
Perfide ist aber nicht nur, dass hier ein deutsches Staatsunternehmen griechisches Staatsvermögen plündert. Perfide sind zumal die Bedingungen, zu denen das passiert. Meldungen des Online-Portals Telepolis zufolge wird Fraport von den für alle anderen in Griechenland geltenden Sonderabgaben für Immobilien befreit. Zudem gehen etwaige Schulden und Bankkredite des Unternehmens bei Pachtende an den griechischen Staat über. Nach dem gleichen Muster soll der Staat entlassene Beschäftigte der bislang staatlichen Unternehmen entschädigen, wenn Fraport sie nicht mehr braucht.

Sollte es durch Streikmaßnahmen zu Beeinträchtigungen der Leistungen des Flughafens kommen (gemessen an der durchschnittlichen Zahl von Starts und Landungen je Stunde), so hat Fraport Ansprüche auf finanzielle Entschädigung durch den griechischen Staat. Sollten Beschäftigte bei Arbeitsunfällen verletzt werden oder zu Tode kommen, so hat der Staat dafür aufzukommen. Auch die Kosten für Reparatur oder Ersatz alter Maschinen (Kofferbänder, Klimaanlage) sind über die gesamte Vertragslaufzeit vom griechischen Staat zu tragen.

Hingegen kann der Inverstor jede andere, für die übrigen Unternehmer extra anmelde- und genehmigungspflichtige wirtschaftliche Tätigkeit nach Gutdünken durchführen. Im Vertrag finden sich zudem zahlreiche Schlupflöcher für weitere Steuerminderungen.

Die Betreiber kann außerdem Angestellte aus Nicht-EU-Staaten, zum Beispiel Flüchtlinge, einstellen. Der Staat ist im Gegenzug dazu verpflichtet, die notwendigen Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen sowie den Familiennachzug zügig zu erlauben. Der Betreiber kann Planungskosten und Umbauten auf den Staat abwälzen. Zudem kommen auf Besucher des Landes höhere Gebühren zu. Darüber hinaus muss die für die Flughafensicherheit abgestellte Polizei mit einem Sockelbetrag für Telefon, Wasser und Klimatisierung auskommen – oder nachzahlen.

Von arm zu reich
Nach der Erfahrung, dass SYRIZA die Verhandlungen über die Privatisierungen im Januar 2015 auf Eis gelegt hatte, wollte die hessische Landesregierung kein Risiko mehr eingehen. Zeitungsberichten zufolge forderte Ministerpräsident Volker Bouffier verbindliche Festlegungen, dass keine zukünftige Regierung diesen Deal rückgängig machen könne. Gleichzeitig bediente er den deutschen Stammtisch, indem er forderte, dass Fraport eigene Leute mitbringen müsse, sonst seien die Flughäfen in drei Jahren von Unkraut überwuchert.

Der Skandal dieses Deals liegt nicht so sehr im Schleuderpreis. Der Skandal liegt vielmehr darin, dass hier ein staatliches Unternehmen ein anderes staatliches Unternehmen übernimmt und Gewinne von einem armen Staat in den reichen Staat transferiert werden.

Die Grünen im Europäischen Parlament nennen diese Übernahme bizarr. Die Grünen in Hessen, an der Regierung beteiligt und mit Sitz im Aufsichtsrat von Fraport, hauen in die Kerbe von Bouffier und stellen die Flughäfen als völlig veraltet und nahezu verrottet dar. Die Flughäfen in diesem Zustand würden den Tourismus behindern, Fraport sie sozusagen vor dem endgültigen Bankrott retten.

Auch die SPD, Oppositionspartei in Hessen, jubelt, dies sei ein Gewinn für die Griechen genauso wie für Fraport. Es interessiert sie nicht, dass insbesondere die griechischen Gewerkschaften heftig gegen diese Übernahme protestieren. Die einzige Partei, die sich gegen den Deal ausgesprochen hat, ist Die LINKE, die auch Anträge in den Landtag und die Stadtverordnetenversammlung eingebracht hat.

Langfristig fehlen dem griechischen Staat die Einnahmen und die Verfügung über die Infrastruktur. Griechenland wird so auch in der Zukunft in Abhängigkeit gehalten, völlig egal, wie sich die Schulden entwickeln. Es ist ein weiterer Baustein zur Zerschlagung der Demokratie.

Jean-Claude Juncker hat schon 2011 verkündet, die Griechenland aufgebürdeten Maßnahmen würden zur Folge haben, dass die «Souveränität Griechenlands massiv eingeschränkt wird».

Wir wissen alle, dass dies mit dem dritten Paket noch verschärft wurde, dass Griechenland kein Gesetz verabschieden darf, das nicht zuvor der «Quadriga» vorgelegt und von ihr bewilligt wurde – das ist Zerschlagung der Demokratie. Der Minister für Infrastruktur, Christos Spirtzis, benennt es denn auch so, dass dieses Vorgehen eher zu einer Kolonie als zu einem EU-Mitgliedsland passt.

* Imke Meyer arbeitet in der überregionalen AG der Griechenlandsolidaritätsgruppen zu Fragen der Privatisierung mit.

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