Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2016
Deutschland 2015, Regie: Stefan Eberlein und Manuel Fenn
von Angela Huemer

Flughafen Parchim in Mecklenburg-Vorpommern: «Eins, drei, zwei» – der Chinese Jonathan Pang durchschneidet ein rotes Band und weist dann darauf hin, dass hier auch eine chinesische Fahne hängt. Jonathan Pang ist der Unternehmer und Investor, der dem Flughafen Schwerin-Parchim eine große Zukunft verleihen will.

Schnitt. Wir gehen zurück in der Zeit, fünf Jahre davor. Die Filmemacher Stefan Eberlein und Manuel Fenn haben sich Zeit genommen. Zeit, einen Prozess zu beobachten. Der Investor Jonathan Pang hat große Visionen für den Flughafen. Ideal ist Parchim gelegen, zwischen Hamburg und Berlin, unweit der Autobahn und nahe der Bahnlinie, offiziell heißt der Flughafen Schwerin-Parchim, Schwerin liegt eine knappe Autostunde entfernt. Er hat eine lange Geschichte, 1934 erbaut, dann zerstört, ab den 1970er Jahren, nach dem Wiederaufbau, wurde er bis 1994 für militärische Zwecke genutzt.

Herr Pang freut sich über seine Investition, er sieht große Dinge für den Flughafen voraus, eine Million bis 10 Millionen Jobs könnten entstehen. Das ist Mitte der Nuller Jahre. Aber noch ist der Tower des Flughafens ein erhöht stehender Container, der im Winter viel zu kalt und im Sommer zu heiß ist, und die darauf montierte, sich drehende Signallampe fällt durch rhythmisches Knirschgeräusch auf. Dieses Geräusch ist eines der Leitmotive des Films.

2008 kommt erschwerend die weltweite Finanzkrise hinzu und in Parchim muss vieles gemacht werden – die Bäume vom nahegelegenen Soldatenfriedhof gefällt, der Belag der Landebahn neu gemacht u.v.m. Im Laufe des Films wird die Stimmung bei den deutschen Beteiligten resignativer, kulturelle Unterschiede, meint einer, heißt auch wohl: ein anderes Zeitgefühl. Herr Pang bleibt optimistisch, den Flughafen sieht er als persönliche Herausforderung an, eine Art Bestätigung seines eigenen Könnens. Er scheint unermüdlich, und im Laufe des Films kommen wir ihm näher. Die Filmemacher begleiten ihn sogar in seine ländliche chinesische Heimat, wir sehen, dass er aus eher ärmlichen Verhältnissen stammt, und auf dem Weg dorthin erzählt Jonathan Pang, dass sein Bruder als Kind gestorben ist, weil es zu wenig essen gab. Vielleicht kommen seine mitunter großspurig anmutenden Visionen daher. Denn neben einem Flughafen schwebt ihm auch eine Art Shopping Mall vor, eine Art Duty-Free-Shop, zudem eine Lager- bzw. Fertigungshalle, ein Flughafenhotel und noch so einiges mehr. Aber dort, in der Heimat, bei seiner Mutter, sehen wir ihn in einen der seltenen Momente, wo er sich gehen lassen kann, wo er seinen Sorgen, seiner Trauer um den Vater, der verstarb, als er gerade auf Geschäftsreise in Nigeria war, abladen kann. Sie ist eine alte Bäuerin, sie erzählt ihrem Sohn von der guten Getreideernte, die sie gerade hatten. Sie lebt in einer vollkommen anderen Welt als ihr Sohn.

Es gibt nicht wenig skurrile Szenen im Film, er wird auch als Komödie angepriesen, doch das ist er eigentlich nicht. Es geht vielmehr darum, wie zwei Welten aufeinander prallen und wie Klischees viel zu kurz greifen. Denn Herr Pang ist nicht der hartgesottene chinesische Investor, wie es anfangs scheint, er hat tatsächlich eine Vision. Und einen Blick für mögliche weitere Geschäftsfelder, wie z.B. Fische. Viel Land gibt es hier und viele Seen, meint er bei einer Autofahrt durch Mecklenburg, aber nur wenig Menschen. In China ist das umgekehrt. Man könnte ja hier in den Gewässern Fische farmen. Prompt trifft er sich mit einem Fischer, der kann nur schmunzeln, als Pang ihm vorschlägt, Geld reinzustecken, wenn er dafür die Garantie kriegt, viele Tonnen Fische und Krabben zu bekommen jedes Monat. Das geht nicht, sagt der Fischer, es gibt einfach nicht so viele, egal, wieviel Geld man hier reinstecken würde. Und es gibt Regelungen.

Gegen Ende des Films sehen wir, dass ein neuer Flughafentower gebaut und fertig gestellt ist, der Lotse, der im Winter immer friert und im Sommer schwitzt in seinem Container mit der knarzenden Lampe, blickt sehnsüchtig darauf, ein wenig Zuversicht ist ihm geblieben. Und Herr Pang meint ohnehin, dass alles viel länger dauert, als er geplant hat, und es vielleicht bis zu hundert Jahre braucht, bis das Projekt vollendet wird.

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