Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2016
Hrsg. von Sebastian Friedrich. Münster: Edition Assemblage, 2015. 220 S., 20 Euro
von Peter Nowak

Fritz Güde gehörte zu den politisch Verfolgten in der BRD der 70er Jahre. Wegen seiner kurzen Mitgliedschaft im maoistischen KBW bekam er 1974 Berufsverbot. Er war einer von Tausenden, doch sein Fall bekam ein großes Medienecho. Schließlich war er Sohn des Generalbundesanwalts Max Güde. Zudem war Güde zum Zeitpunkt seines Berufsverbots bereits 39 Jahre. Er gehörte also zu dem Kreis von politischen Opponenten des Adenauer-Staats, die, obwohl sie selbst keine 68er waren, die Aufbruchsbewegung jener Zeit als Befreiung aus dem Klima der Restauration wahrnahmen.

Güde kämpfte in mehreren Instanzen gegen sein Berufsverbot, gewann schließlich und war bis zu seiner Pensionierung noch an zahlreichen Schulen als Lehrer tätig. Nach seinem kurzen KBW-Intermezzo schloss er sich keiner Partei mehr an, blieb aber ein entschiedener Linker. Er publiziert bis heute in unterschiedlichen Zeitschriften und Internetmagazinen zu Themen aus  Politik, Gesellschaft und Kunst.

Sein profundes Wissen fließt in die Beiträge mit ein. Eine Auswahl von 26 Texten ist nun in einem Buch versammelt, das zu Güdes 80.Geburtstag in der Edition Assemblage erschienen ist. Herausgegeben wurden sie vom Publizisten Sebastian Friedrich, der Güde seit Jahren aus der gemeinsamen politischen Arbeit kennen und schätzen gelernt hat.

Oft sind es Bücher, Filme oder Theaterstücke, die Güde nicht nur rezensiert, sondern auch in einen gesellschaftlichen Kontext einordnet.

Der erste Text widmet sich einem Buch, in dem Henning Böke den Maoismus nicht, wie heute üblich, in Bausch und Bogen verdammt, sondern bei aller Kritik in seinem historischen Kontext analysiert. Dabei verweist Güde auf den antiautoritären Geist der Kulturrevolution, die auch keine Ehrfurcht vor Politbüros und Parteifunktionäre hatte.

Ausführlich beschäftigt sich Güde in seinem politischen Essay mit der Zeitschrift Weltbühne, einer linksbürgerlichen Stimme, die am Ende der Weimarer Republik vergeblich die Arbeiterparteien SPD und KPD zur Einheitsfront gegen die Nazis aufrief. Güde verschweigt aber auch nicht, dass es auch vereinzelt Beiträge in der Weltbühne gab, die den italienischen Faschistenführer Mussolini lobten.

Dass Güde auch interessiert die aktuell populäre Kultur verfolgt, zeigt ein Text, der sich mit der Wandlung des Familienbilds in US-amerikanischen Fernsehserien befasst. Sehr kundig auch sein Nachruf auf Heinrich Böll, über den schreibt: «Eine Seekarte hat er uns nicht hinterlassen, wohl aber die Kunst, im Wellengang oben zu bleiben.»

In einem Aufsatz wendet sich Güde gegen Versuche, Bert Brecht als eigentlich unpolitischen Schriftsteller darzustellen, der nie Marx gelesen habe und von den Kommunisten manipuliert worden sei. Auf solche Anpassungen an den Zeitgeist reagiert Güde mit gut begründeten Widerworten.

Ausführlich beschäftigt er sich mit Kurt Tucholsky und Walter Benjamin. An Benjamin angelehnt ist auch Güdes Motivation beim Verfassen seiner Schriften: «Es muss im Bewusstsein der Niederlagen der Kampf angetreten werden, im schärfsten Blick auf die Entstellungen, die bisherige Revolutionäre sich antaten, um ein Jahr oder fünf Jahre oder gar zehn weitermachen zu können.» Güde plädiert dafür, die Kämpfe für eine neue Gesellschaft auch in der Gewissheit zu führen, «dass unsere Züge nicht weniger entstellt, unsere Hände nicht weniger schmutzig sein werden, als die jener, die uns vorangingen». Sein Buch ist eine solche Ermunterung in Zeiten der Restauration.

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