von Hermann Dworczak
Um Griechenland ist es in letzter Zeit ziemlich ruhig geworden. Die Hoffnungen nach dem Wahlsieg von SYRIZA sind weitgehend verflogen – in Griechenland und international. Nikos Chilas und Winfried Wolf zeigen in ihrem materialreichen Buch, wie es dazu gekommen ist.
Der Untertitel «Rebellion, Kapitulation, Ausverkauf» umschreibt präzis die Kurve der historischen Entwicklung. Mit einem klar linken Programm hatte SYRIZA die Wahlen gewonnen. Die Tsipras-Regierung begann mit einer Reihe kleiner Reformen und stand unter Dauererbeschuss durch das internationale Kapital und deren politische Repräsentanten. Zwar wehte «ein Geist der Rebellion über das Land». Jedoch: «Die Verhandlungen mit den Gläubigern waren endlos und ließen der Regierung keine Zeit zum Atmen.» Realistisch unterstreichen die Autoren deren internationale Isolierung – auch Russland und China waren zu keinen Finanzhilfen bereit.
Aufgrund der permanenten Erpressungen kam es am 5.Juli 2015 zu dem legendären Referendum, bei dem 61% gegen die Vorschläge der Gläubiger stimmten. «Tsipras hat nun die Wahl zwischen einer weiteren Konfrontion mit ihnen und der Kapitulation. Am 13.Juli wählt er die Kapitulation.»
Es sind nicht nur externe Faktoren, die zum Einknicken führten. Insbesonders in dem Kapitel «SYRIZA» beleuchten die Autoren die internen Faktoren. Tsipras setzte vor allem auf «harte Verhandlungen, eine schnellere Veränderung der Kräfteverhältnisse in der EU». Als sich das nicht einstellte, «steuerte er auf einen minimalistischen Kompromiss zu». Begleitet war dieser Niedergang von einer Änderung des internen Funktionierens der Partei. Ihre «lebendige und demokratische Diskussionskultur» verkümmerte, es erfolgte eine «immer größere Zentralisierung der Entscheidungen in den Händen der Gruppe um Tsipras». Und: «Das Parlament wurde zu einer Maschinerie degradiert, die ausschließlich die Maßnahmen der Gläubiger durchboxt.»
Die Autoren analysieren differenziert die Ereignisse. Zurecht wird das Referendum als ein Schlüsselereignis behandelt. Die Chance für breite Mobilisierungen wurde nicht genutzt. Spätestens hier kippt die historische Kurve. Es folgt: «Ein ganzes Land im Ausverkauf.»
Ausdrücklich betonen Nikos Chilas und Winfried Wolf, dass Solidarität nicht passé ist, sondern dass es gilt, sich für den Moment bereit zu halten, in «dem sich als Folge der europäischen Krise ein neues Fenster für einen europaweiten demokratischen Prozess öffnet».
Das Buch sollte jeder lesen, der die Entwicklungen und Kämpfe in Griechenland in den letzten Jahren mit Anteilnahme verfolgt hat.
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