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Einige Mitgliedstaaten der EU – nämlich die Regierungen von Deutschland, Österreich, Frankreich, Finnland und den Niederlanden – planen einen Investitionsschutzvertrag für die EU.
Das TTIP-Abkommen steht auf wackligen Füßen. US-Präsident Obama hat auf seiner letzten Deutschland-Reise klargestellt, dass vor den Präsidentschaftswahlen in den USA am 8.November dieses Jahres mit einem Vertragsabschluss nicht mehr zu rechnen ist. Was danach kommt, steht in den Sternen. Gegenwind kommt aus dem Lager der Republikaner nicht weniger als aus dem der Demokraten.
Doch Bundeskanzlerin Merkel hat sich diesem Vertrag voll und ganz verschrieben. Den Konzernen kommt es dabei vor allem auf den Investitionsschutz an – d.h. auf Sonderrechte für international agierende Unternehmen, die ihnen erlauben, sich über geltende Sozial- und Umweltstandards hinwegzusetzen und diese Rechte vor privaten Schiedsgerichten einzuklagen. Jetzt starten diese fünf Mitgliedstaaten den Versuch, ein solches Investitionsschutzgesetz auf EU-Ebene durchzusetzen, wenn es denn schon auf transatlantischer Ebene nicht geht.
Den Aufhänger dafür bildet eine Initiative der EU-Kommission, bilaterale Verträge ehemaliger Ostblockstaaten durch eine EU-Regelung zu ersetzen. Als sich die Staaten des ehemaligen Ostblocks in den 90er Jahren der EU zuwandten, schlossen viele von ihnen Verträge mit westeuropäischen Staaten, die Investitionen aus dem Westen fördern sollten. Dazu gab man den Investoren Sonderrechte und Schutz vor staatlichen Maßnahmen, die sie vor privaten Schiedsstellen einklagen können. So konnte etwa ein niederländischer Konzern die estnische Regierung vor ein Schiedsgericht zerren, weil ihm nicht erlaubt wurde, die Wasserpreise in der estnischen Hauptstadt Tallin zu erhöhen. Der österreichische Holzhändler Schweighofer droht, in ähnlicher Weise gegen das neue rumänische Waldgesetz vorzugehen, das verhindern will, dass eine Firma über 30% des Holzes einer Baumart in Rumänien aufkauft.
Handelspolitik aber gehört in die Zuständigkeit der EU-Kommission. Diese bilateralen Verträge, die vor dem Beitritt der osteuropäischen Staaten zur EU abgeschlossen wurden, sind ihr daher ein Dorn im Auge, sie möchte auch diese Kompetenz an sich ziehen. Nun wittert sie – und mit ihr einige EU-Mitgliedstaaten – die Chance, die alten Verträge in einen neuen gesamteuropäischen Vertrag zu überführen. Damit würden private Schiedsgerichte Konzernklagen zwischen allen Mitgliedstaaten verhandeln. Dann hätten wir TTIP in der EU ohne das TTIP-Abkommen jemals unterzeichnet zu haben.
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