Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2016
Wer auf Spaltungen zwischen den Herrschenden setzt, hegt falsche Hoffnungen
von Paul Michel

Im Vorfeld des Treffens der Finanzminister der Eurogruppe am 9.Mai in Brüssel redeten vor allem die Medien «tiefgreifende Zerwürfnisse» in der Quadriga herbei.

Durchgedrungen war, dass es in der Frage, ob Griechenland die Bedingungen für eine weitere Tranche aus dem Knebelpaket erfüllt habe, und mehr noch in der Frage eines Schuldenschnitts für Griechenland unterschiedliche Auffassungen gab. Frankreich, Portugal und die EU-Kommission hatten signalisiert, sie würden den Kredit freigeben, wenn die griechische Regierung das vereinbarte Sparpaket von 5,4 Mrd. Euro (siehe Artikel: "Griechenland: Die zweite Kapitulation") zum Gesetz erhebe. EU-Kommissionspräsident Juncker wurde mit den Worten zitiert: «Wir sind gerade bei der Überprüfung des Programms, und die Ziele sind so gut wie erreicht.»

Der bekannten Koalition der Böswilligen mit Wolfgang Schäuble als Boss und seinen österreichischen und finnischen Gefolgsleuten reichte das nicht. Schäuble unterstellt der SYRIZA-Regierung grundsätzlich, dass sie die Sparprogramme zu unterlaufen versucht. Deswegen verlangte er einen «Vorrats»beschluss, eine Art Ermächtigungsgesetz für den Fall, dass Athen bis 2018 nicht einen Überschuss von 3,5% im Primärhaushalt erreicht. Dafür erhielt er die Unterstützung von IWF-Chefin Christine Lagarde. Diese befürwortet zwar – im Gegensatz zu Schäuble – einen Schuldenschnitt, liegt aber hinsichtlich der Härte der geforderten Sparmaßnahmen mit ihm auf einer Linie. Da die Regierung Tsipras an disem Punkt eingeknickt ist, waren die Weichen für die Freigabe der Gelder gestellt.

Schuldenschnitt?
Besonders in diesem Punkt hatten die Medien über schwerwiegende Differenzen zwischen der Bundesregierung und dem IWF spekuliert. Wenige Tage vor dem Treffen wurde ein offener Brief von Lagarde an die 19 Euro-Länder bekannt, den die Süddeutsche Zeitung als Ultimatum an die Bundesregierung bezeichnete. Der Spiegel sprach von einem «tiefgreifenden Zerwürfnis» zwischen Paris und Berlin. Weil unter dem Eindruck der saftigen Wahlniederlage der SPD auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel zur Abwechslung die soziale Karte ausspielte und ebenfalls Schuldenerleichterungen für Griechenland forderte, zeichneten einige deutsche Presseorgane ein Bild, wonach Schäuble mit dem Rücken zu Wand stehe. Tom Strohschneider, Chefredakteur des ND, griff diese Spekulationen dankbar auf und wollte schon im Umgang mit Griechenland eine Zeitenwende zum Positiven heraufziehen sehen.

Doch die Ergebnisse des Finanzministertreffens straften alle jene Lügen, die auf eine Isolierung Schäubles gehofft hatten. Einen Schuldenschnitt, bei dem Gläubiger auf Forderungen verzichten, soll es nicht geben. Das sei eine «rote Linie», erklärte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem.

Gespräche über mögliche Schuldenerleichterungen soll es erst ab 2018 geben, aber auch nur, wenn sie wirklich erforderlich sind und Griechenland bis dahin alle Auflagen erfüllt hat. Weder vom IWF noch von Wirtschaftsminister Gabriel gab es seither kritische Anmerkungen zum Ergebnis des Treffens der Eurogruppe. Und der griechischen Regierung reicht die schiere Aussicht auf Gespräche, um das Ergebnis als Erfolg zu verkaufen.

Finanzminister Tsakalotos schwärmte nach der Sitzung der Eurogruppe, man habe einander wirklich zugehört und sei auf einem guten Weg: «Das war ein gutes Treffen für Griechenland und für Europa.» Den Machthabern in Euroland ist es ein weiteres Mal gelungen, ihre zweifellos vorhandenen internen Differenzen unter Kontrolle und Griechenland weiterhin einvernehmlich unter der Knute zu halten.

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