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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2016
Widerstand gegen XXXLutz in Oberhausen
von Petra Stanius*

Im Februar dieses Jahres macht sich die Möbelhauskette XXXL, die in zahllose GmbHs aufgespalten ist, in Mannheim einen traurigen Namen: Das Möbelhaus XXXLutz stellte kurzerhand 99 Beschäftigte von der Arbeit «frei». Es folgte ein massiver Arbeitskampf, den die Beschäftigten jedoch verloren (siehe SoZ 4/2016). Jetzt versucht das Unternehmen einen neuen Coup in Oberhausen.

Zu Beginn des Jahres 2014 wurde die Firma Möbelstadt Rück von der XXXLutz-Gruppe übernommen. Im Zuge der Übernahme wurde allen Beschäftigten des Möbelhauses in Oberhausen gekündigt. Den meisten von ihnen wurden Arbeitsverträge in XXXLutz-Gesellschaften angeboten – im Vergleich mit ihren alten Verträgen zu deutlich schlechteren Bedingungen. Potentiell unbequeme, «teure» oder nicht so leicht kündbare Beschäftigte, zum Beispiel Betriebsräte oder Schwerbehinderte, erhielten nicht einmal dieses Angebot. Die Geschäftsleitung behauptet auch heute noch, dies sei rechtmäßig gewesen, weil das Möbelhaus geschlossen und von XXXL neu eröffnet worden sei.

Kündigungsschutzklagen
Das Arbeitsgericht Oberhausen sah das jedoch anders und entschied in diesem Jahr, dass die Kündigungen der Altbeschäftigten in den meisten Fällen unzulässig seien, weil ein Betriebsübergang nach §613 BetrVG stattgefunden habe. Tatsächlich ist der Geschäftsbetrieb bei Rück nach der Übernahme ohne Unterbrechung weiter gelaufen. Gegen dieses Urteil legte XXXL Berufung ein.

Am 1.August wurde die erste Kündigungsschutzklage vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf verhandelt, sie endete mit einem Vergleich: Ein Tischler, der seit 1977 bei dem Möbelhaus beschäftigt war, erhält eine Abfindung von 75000 Euro – 20000 Euro mehr, als ihm in der Vorinstanz angeboten worden war.

In den kommenden Monaten werden weitere Kündigungsschutzklagen vor dem Landesarbeitsgericht verhandelt. Es ist wichtig, dass diese Verhandlungen große Öffentlichkeit erfahren und von vielen Menschen besucht werden.

Behinderung des Betriebsrats
Noch ein weiterer Vorwurf gegen XXXL Rück wird vor dem Arbeitsgericht verhandelt: Der 2014 gewählte Betriebsrat von XXXL Rück geht davon aus, dass er aufgrund des einheitlichen Betriebsübergangs bis 2018 im Amt ist. Dieser Auffassung war auch das Arbeitsgericht Oberhausen, als es im November 2015 einen Eilantrag im Zusammenhang mit der damals geplanten vorsorglichen Neuwahl des Betriebsrats ablehnte.

Dem Betriebsrat wird jedoch von der Unternehmensleitung der Zutritt zu seinem Büro verweigert. Seit einem Jahr kann er deshalb nur seine Aufgabe, die Interessen der Kolleginnen und Kollegen gegenüber der Geschäftsleitung zu vertreten, nur unter sehr erschwerten Bedingungen wahrnehmen. Dagegen hat der Betriebsrat Klage eingereicht. Einen Termin für die Verhandlung gibt es derzeit noch nicht, er wurde bereits zweimal verschoben.

Baurecht am Centro?
Das Möbelhaus im Schladviertel ist für die Bedürfnisse von XXXLutz eigentlich zu klein, auch die Lage mitten in einem Wohngebiet ist wegen des hohen Verkehrsaufkommens problematisch. Deshalb will XXXL in der Nähe des Oberhausener Konsumtempels Centro ein großes Möbelhaus neu bauen. Die Einleitung des dafür nötigen vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahrens hat der Rat der Stadt am 4.Juli 2016 beschlossen.

Bei der Ratssitzung empörten sich Mitglieder aller Fraktionen über die Unternehmenspraxis von XXXLutz. Sie unterstützten die Forderung des Betriebsrats von Rück und von Ver.di, dass die Neuansiedlung des Möbelhauses an verbindliche Vereinbarungen im Sinne der Beschäftigten gekoppelt werden muss. Auch Oberbürgermeister Daniel Schranz (CDU) sicherte den Beschäftigten, von denen einige als Zuschauer die Ratssitzung verfolgten, zu, entsprechend auf die Geschäftsleitung von XXXL Rück einzuwirken. Nach seiner Aussage hat es bereits Gespräche gegeben, in denen man XXXLutz unmissverständlich klargemacht habe, es werde nur dann eine Unterstützung des Rates für die Baumaßnahme am Centro geben, wenn die aufgestellten Forderungen erfüllt werden.

Die Forderungen von Betriebsrat, Beschäftigten und Gewerkschaft lauten:

– sofortige Rücknahme der Kündigung der Altbeschäftigten,

– Einhaltung von sozialen Standards, Tarifverträgen und deren Nachwirkung,

– Wahrung der Rechte der Beschäftigten u.a.,

– sofortige Wiedereinsetzung des 2014 in Oberhausen gewählten Betriebsrats,

– Garantieübernahme aller Beschäftigten unter gleichen Arbeitsvertragsbedingungen am Centro.

In dem Ratsbeschluss kommen diese Forderungen allerdings nicht vor. Die Bedingungen, die XXXL erfüllen muss, um auf dem ehemaligen Stahlwerksgelände bauen zu dürfen, beziehen sich lediglich auf die künftige Nutzung des Grundstücks im Schladviertel, dem derzeitigen Standort von Rück.

Boykottaufruf und Desinformationskampagne
Der Boykott-Aufruf von Ver.di an die Bürger vom 15.Juli ist da schon deutlicher: «Wir fordern Sie auf, Ihren Einkauf bei XXXL Rück so lange einzustellen, bis XXXL Rück die Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht zurückzieht bzw. diese im Interesse der Arbeitnehmer beendet sind», heißt es darin. Ver.di fordert die Spitze der Stadtverwaltung und die Politik auf, bei der Entscheidung über die Ansiedlung von XXXL Rück am Centro «auch das Verhalten von XXXL Rück gegenüber den ehemaligen Beschäftigten zu berücksichtigen».

Fast zeitgleich hat XXXL Rück eine Werbekampagne gestartet, um das offenkundig angeschlagene Image des Unternehmens wieder aufzupolieren. Im Wochenanzeiger, einem Anzeigenblatt für Oberhausen, sind inzwischen vier Folgen einer Anzeigenserie erschienen. Sie erwecken aufgrund ihrer Gestaltung den Eindruck, als handele es sich hier um einen redaktionellen Beitrag.

Darin rechtfertigt einmal der Sprecher der Geschäftsleitung, Helmut Götz, die Kündigungen mit der mangelhaften Arbeitsmoral der Beschäftigten, die sich Neuerungen entgegenstellen würden. In der zweiten und dritten Folge werden das «einzigartige Angebot» des Unternehmens, die gute Bezahlung und die Aufstiegschancen für MitarbeiterInnen gerühmt. Dabei müssen die Beschäftigten von Rück selbst mit Bild und Namen für die Zwecke von XXXL herhalten.

In Folge 4 schließlich fällt die Betriebsratsvorsitzende des ebenfalls Anfang 2014 übernommenen Möbelhauses XXXL Kröger, Kerstin Hüttner, ihren Kolleginnen und Kollegen aus Oberhausen kräftig in den Rücken und schildert, wie seit der  Übernahme des Möbelhauses Kröger durch XXXL alles besser geworden sei.

Diese sicher nicht billigen Bemühungen von XXXLutz zeigen, dass die Entschlossenheit des Oberhausener Betriebsrats, die negative Berichterstattung über XXXL (nicht nur) in der lokalen Presse und nicht zuletzt der Boykottaufruf von Ver.di Wirkung zeigen.


* Die Autorin ist Mitglied von Ver.di und AKUWILL (Aktionskreis gegen Unternehmerwillkür).

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