Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2016

Frankreich 2015
von Angela Huemer

Der Einstieg in den Film bringt – auf zwar leicht gewöhnungsbedürftige Art und Weise, was auch an der deutschen Fassung liegen mag – sehr gut auf den Punkt, worum es geht: «Vor drei Jahren», sagt Mélanie Laurent, eine in Frankreich relativ bekannte Schauspielerin und Regisseurin des Films, den Zuschauern, «als ich gerade schwanger war, erzählte mir Cyril von einer Studie. Die Studie kam zu dem Schluss, dass mein Sohn in einer Welt aufwachsen würde, in der Nahrung, Wasser und Öl knapp sind.» «Damals leitete ich eine Non-Profit-Organisation», sagt dann Cyril Dion, Aktivist, Autor, Schauspieler, der den Film konzipierte und ebenfalls Regie führte. «Ich fragte mich, wie können wir Millionen von Menschen, die von Katastrophen sowieso schon genug haben, mit so einer Nachricht erreichen.» Und er kommt zu dem Schluss: «Wir mussten etwas tun. Also machten wir uns auf den Weg, um nach Leuten zu suchen, die kreative Lösungen anbieten.»

Die Macher des Films drehen den Spieß also um, anstatt Probleme aufzuzeigen und die Zuschauer ob der aussichtslosen Gegebenheiten am Ende nahezu gelähmt aus dem Kino zu entlassen, zeigen sie Lösungskonzepte, die bereits real existieren.

Wir Zuschauer machen uns also mit den Filmemachern auf den Weg, in insgesamt zehn Länder. Die Themen sind vielfältig und wir kriegen viel zu sehen. Eine Herausforderung an die Macher und die Zuseher, aber irgendwie funktioniert es. Der Film ist in einzelne Kapitel aufgeteilt: Ernährung bzw. Landwirtschaft, Energie, Wirtschaft, Demokratie und Erziehung. Breiter könnte ein Film nicht gefächert sein, möchte man meinen, aber tatsächlich ist ja, wie wir wissen, all das eng miteinander verbunden und die Filmemacher machen dies auch anschaulich.

Wir sehen, wie eine effiziente, kluge Art der Bepflanzung aus einem 1000 m2 großen Grundstück ebenso viel Ertrag herausholen kann wie aus einem Hektar (= 10000 m2). Pflanzen werden über- und nebeneinander auf eine Weise genutzt, bei der sie sich gegenseitig schützen und im wahrsten Sinne des Wortes befruchten.

Fast eine Metapher. Der Bauernhof, auf dem das passiert, liegt in der Normandie. In England erfahren wir, wie eine örtliche Währung funktionieren kann, und in Basel lernen wir die Wir-Bank kennen, die dasselbe System auf Bankenebene umsetzt. Dass lokal zentriert nicht gleichzusetzen ist mit verbohrt und egoistisch, sehen wir anhand der US-amerikanischen Allianz BALLE (Business Alliance for Local Living Economies), mit deren Hilfe lokale Initiativen einen regen Austausch pflegen. Emanuel Druon, Leiter von Pocheco, einem Unternehmen im Norden Frankreichs, das Briefumschläge herstellt, zeigt auf beeindruckende Weise, wie innovativ man sein kann, wenn die erwirtschafteten Ressourcen auf kluge Weise reinvestiert werden, statt Aktionäre reich zu machen.

Besonders spannend wird der Film, wenn er sich neuartigen Demokratieansätzen widmet, am Beispiel von Island und einem kleinen indischen Dorf. Nicht von ungefähr widmet sich das letzte Kapitel der Erziehung, hier stellen die Filmemacher eine finnische Schule vor.

Die Bilder sind sorgfältig zusammengestellt, die Übergänge erinnern mitunter zu sehr an Musikvideoclips und nicht nur einmal schrammen die Macher am Kitsch entlang. Es gelingt ihnen aber, komplexe Themen greifbar und unterhaltsam zu vermitteln. In Frankreich wurde der Film mit dem César als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet und erreichte 800000 Zuschauer, ich hatte leider viel Platz bei meinem Kinobesuch, was wohl auch daran lag, dass der Film schon eine Weile zu sehen ist und nur mir bislang entgangen war.

Trotz der hier angemerkten ästhetischen Vorbehalte ist der Film unbedingt zu empfehlen, weil es ihm gelingt, auf gut verständliche und anschauliche Weise positive und nachahmenswerte Ansätze nahezubringen. Schon bald, Mitte Oktober, ist er auf DVD oder «on demand», also per Internet-Stream, auch für Kinomuffel verfügbar. Gut, denn so kann man ihn sich mehrfach ansehen und, wenn gewünscht, auch in einzelnen Portionen. So ist dann auch die Fülle an Anregungen leichter verdaulich und besser verwertbar.

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