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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 09/2016

Parlamentsbericht verlangt Reparationen
von Paul Michel

Ein Ausschuss des griechischen Parlaments hat Ende Juli den lang erwarteten Bericht über die griechischen Reparationsforderungen gegenüber Deutschland fertiggestellt. Anfang September soll es darüber im griechischen Parlament zu einer Abstimmung kommen.
Der Abschlussbericht des Ausschusses listet die bis heute offenen Ansprüche auf Reparationen und Entschädigungen auf. Demnach kann Athen «Reparationen für materielle Kriegsschäden und beschlagnahmte Waren» beanspruchen, darüber hinaus die Rückzahlung einer Zwangsanleihe, die die deutschen Besatzer Griechenland abpressten, außerdem Entschädigungen für Opfer deutscher Kriegsverbrechen und ihre Angehörigen.

Die Entschädigungsansprüche von Privatpersonen belaufen sich dem Parlamentsbericht zufolge «auf mehr als 107 Milliarden Euro ohne Zinsen». Der heutige Wert der damaligen NS-Zwangsanleihe wird gewöhnlich auf etwas mehr als 10,3 Milliarden Euro beziffert. Die Bundesrepublik schulde Griechenland zudem bis heute 9,2 Milliarden Euro an Reparationen aus dem Ersten Weltkrieg. Insgesamt ergeben sich daraus Reparations- und Entschädigungsforderungen in Höhe von 269 Milliarden Euro.

Der Abschlussbericht enthält auch Handlungsvorschläge für die griechische Regierung. Zunächst soll eine griechische Parlamentarierdelegation die Abgeordneten im Bundestag und in den Parlamenten anderer Staaten über die Ansprüche informieren. Die Athener Regierung soll Berlin in einer Verbalnote zu Verhandlungen auffordern. Zudem sei das Europaparlament einzuschalten; die Auseinandersetzung könne auch vor die Vereinten Nationen gebracht werden. Bleibe die Bundesregierung uneinsichtig, dann müsse der Rechtsweg eingeschlagen und der Internationale Gerichtshof in Den Haag eingeschaltet werden. Auch müsse Athen die Möglichkeit in Betracht ziehen, bereits bestehende Urteile griechischer Gerichte durch die Beschlagnahmung deutscher Liegenschaften in Griechenland umzusetzen.

Die griechische Justiz hat überlebenden Opfern deutscher Kriegsverbrechen in Distomo, Egio und Rethymno im Grundsatz Entschädigungen zugesprochen, kann die Realisierung ihrer Urteile allerdings nicht erzwingen – die einzige Möglichkeit dazu wäre die Übernahme etwa des Athener Goethe-Instituts in griechischen Besitz, um die Opfer aus dem Erlös zu entschädigen. Aufgrund massiven politischen Drucks aus Deutschland hat die griechische Regierung dies bislang unterlassen.

Ministerpräsident Tsipras erklärte anlässlich einer Gedenkveranstaltung zu Ehren der 317 zivilen Opfer des Wehrmachtmassakers in Kommeno, man werde «alles Notwendige» tun, um Reparationen von der Bundesrepublik Deutschland zu erreichen: «auf diplomatischer und falls nötig auf gerichtlicher Ebene». Auf die vom Untersuchungsbericht genannten Vorschläge ging Tsipras nicht ein.

Die Bundesregierung lehnt grundsätzlich jede Forderung nach Reparationen an Griechenland ab. Sie vertritt den Standpunkt, die Reparationsfrage sei «politisch und juristisch abgeschlossen» (siehe SoZ 7/2011 und 5/2015). Wenn Tsipras seinen Worten («Wir werden bis zum Schluss kämpfen») auch Taten folgen lässt, stehen wir vor einer wichtigen Auseinandersetzung. Vermutlich kommt es von Seiten der herrschenden Kreise der BRD zu einer Wiederholung der Hetz- und Schmutzkampagne aus dem vergangenen Jahr. Hier sind die deutschen Griechenlandsolidaritätsgruppen und die gesamte Linke gefordert, dem Paroli zu bieten.

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