von Helmut Born
Das Klimacamp im Rheinland, das in diesem Jahr vom 19. bis 29.August stattfand, hatte sich nur kleinere Aktionen vorgenommen. Doch deren Ankündigung reichte schon aus, den Hauptvorstand der IG BCE auf die Palme zu bringen.
Unter dem Titel «Schnauze voll – Gegen Gewalt durch Öko-Aktivisten» drohten im Vorfeld «Vertrauensleute» der Gewerkschaften IG BCE und Ver.di, das Camp massiv zu stören. Sie verbreiteten einen Aufruf, der eine Faust zeigte, die das Camp zerquetscht. Darin klagten sie über den anhaltenden Arbeitsplatzabbau durch RWE, die fehlende Unterstützung der Politik und zu guter letzt über gewalttätige Öko-Aktivisten. Zuletzt hatte der Vorstand von RWE eine 25prozentige Einkommenskürzung von den Beschäftigten gefordert, die allerdings nicht durchgesetzt wurde.
Auf ihrer Homepage hatte die Initiative die Logos der beiden Gewerkschaften abgebildet und damit den Eindruck erweckt, sie hätte deren Unterstützung. Der Ver.di-Bundesvorstand reagierte prompt und untersagte die Benutzung des Ver.di-Logos. Die IG BCE erklärte lediglich, sie distanziere sich von Gewaltandrohungen. Damit machte sie aber auch klar, dass sie inhaltlich hinter der Initiative steht, die nichts anderes fordert als den unbegrenzten Abbau der Braunkohle.
Auf die Initiative der Braunkohlebefürworter reagierten «Gewerkschafter*innen für Klimaschutz» mit einem Aufruf, der sich für den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Braunkohleförderung ausspricht. Sie halten es für falsch, Umweltschutz und Arbeitsplätze gegeneinander auszuspielen, und fordern eine gewerkschaftliche Debatte darüber.
Es ist nicht neu, dass sich Gewerkschaften schwertun, den Umweltschutz angemessen in ihre Arbeit zu integrieren. Mit dem Arbeitsplatzargument wird praktisch jede menschenfeindliche Produktion gerechtfertigt. Das ist in der Rüstung so, bei der Atomenergie oder jetzt eben bei der Braunkohle. Dabei profiliert die IG BCE sich als die Gewerkschaft, die am heftigsten die Umweltschutzaspekte negiert.
In der Vergangenheit hat sie mehrmals Arm in Arm mit den jeweiligen Unternehmensvorständen zu Demonstrationen gegen diesbezügliche Gesetzesvorhaben aufgerufen, zuletzt Anfang dieses Jahres in Berlin, als es darum ging, die Bundesregierung unter Druck zu setzen, damit sie in ihren Klimaschutzplänen Rücksicht auf die Braunkohleförderung nimmt. Für die an der Demonstration beteiligten Beschäftigten wurde der Ausflug in die Hauptstadt zu einer preiswerten Angelegenheit, sämtliche Kosten wurden von RWE übernommen. An der Demonstration beteiligte sich auch Ver.di. Ob gezwungenermaßen oder aus Überzeugung, sei dahingestellt.
Konversion statt Kahlschlag
Allerdings hat der Ver.di-Gewerkschaftsrat im März einen Leitantrag beschlossen, der den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Braunkohleförderung fordert – was immer «schnellstmöglich» heißen mag. Fest steht aber, dass Ver.di den Klimawandel anerkennt und entsprechende Schlussfolgerungen gezogen hat. Somit dreht sich die Debatte letzten Endes um die Frage, wie schnell der Ausstieg vollzogen werden soll. Die Landesregierung NRW und die Bundesregierung tun so, als könne erst 2045 mit der Braunkohleförderung Schluss sein. Verschiedene Umweltverbände wie der BUND befürworten einen Ausstieg bis 2030, während Klimaaktivisten den sofortigen Ausstieg wollen. Die Gewerkschaften haben bis jetzt keine Jahreszahl genannt, was nur zum Teil mit der Rücksicht auf ihre Mitglieder zu erklären ist.
Es wäre sicherlich besser, es würden jetzt schon und rechtzeitig Konzepte entwickelt, wie die Beschäftigten umsatteln können. Auf die Unternehmensführungen braucht man da keine Hoffnungen zu setzen. Der Personalabbau bei RWE, der in der nächsten Zeit wohl verstärkt werden wird, zeigt an, wohin die Reise gehen soll. RWE plant die Aufspaltung des Konzerns: ein Teil soll noch fossile Brennstoffe verbrennen, ein anderer Teil will Geschäfte mit erneuerbaren Energien machen. RWE ist in Deutschland der letzte Konzern, der auf die Erneuerbaren umsteigt. Da die Erneuerbaren vorrangig ins Stromnetz eingespeist werden, wird hiermit künftig am meisten Geld zu verdienen sein.
Die fossilen Kraftwerke, und damit zuallererst die Braunkohlekraftwerke, sollen in Zukunft nur noch die Spitzenlasten abdecken. Sie werden also immer weniger zum gesamten Stromaufkommen beitragen. Dass dieses Szenario es notwendig machen soll, Braunkohle bis 2045 zu fördern, können nur sehr naive Menschen glauben. Allerdings soll RWE die Bereithaltung der Braunkohlekraftwerke jährlich mit Milliardensubventionen versüßt bekommen, die von den Stromverbrauchern aufgebracht werden müssen.
Die Beschäftigten bei RWE, die Gewerkschaften und die ortsansässige Bevölkerung müssen sich also schon jetzt Gedanken über ihre Zukunft machen. Die «Gewerkschafter*innen für Klimaschutz» fordern, dass niemand erwerbslos werden darf. Dafür gibt es genug Möglichkeiten. Warum sollen die umliegenden Gemeinden nicht mit Unterstützung von Bund und Land Gesellschaften gründen, die sich um die Wiederherstellung der Landschaft und die Ansiedlung zukunftsfähiger Industrien oder Dienstleistungen bemühen? Die ehemaligen Beschäftigten der Kraftwerke könnten in diesen Gesellschaften ausgebildet werden und wieder eine neue Arbeitsstelle bekommen. Dafür müssen sie und die ortsansässige Bevölkerung in die Planungen einbezogen werden. Und RWE muss an den Kosten der Umstrukturierung beteiligt werden, schließlich hat der Konzern über Jahrzehnte Riesenprofite mit der Braunkohle gemacht.
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