von Manuel Kellner
Die 1,3 Millionen Wahlberechtigten in Mecklenburg-Vorpommern sind nur ein recht kleiner Teil des politischen Deutschland. Gleichwohl hat das – durchaus erwartete – Wahlergebnis der Landtagswahlen in diesem Bundesland Deutschland erschüttert. Der spektakuläre Wahlsieg der AfD bestimmt die öffentliche Debatte. In der Tat hat die AfD allen anderen Parteien Stimmen weggenommen, vor allem der SPD, der CDU und in noch höherem Maße der Partei Die Linke.
Im Jahr 2011 lag die Wahlbeteiligung bei 51,5%, diesmal bei über 60%. Die AfD hat es geschafft, die öffentliche Debatte zu prägen und massiv frühere NichtwählerInnen zu mobilisieren.
Die SPD bleibt mit 30,6% der Stimmen stärkste Kraft, verliert aber gegenüber 2011 5 Prozentpunkte. Laut der Forschungsgruppe Wahlen verdankt sie ihre relative Selbstbehauptung ihrem Ministerpräsidenten Erwin Selering, dem 75% der WälerInnen „gute Arbeit“ attestieren, und von dem laut diesen Umfragen zwei Drittel der Wählerschaft wünschen, dass er Ministerpräsident bleibt.
Die AfD hat aus dem Stand 20,8% der Stimmen errungen und ist damit die wahlpolitisch zweitstärkste Kraft in diesem Bundesland geworden. Obwohl die Einwanderung nach Mecklenburg-Vorpommern sehr gering ist und nur sehr wenige Flüchtlinge dort leben, hat die grobschlächtige rassistische und fremdenfeindliche Demagogie der AfD dort verfangen: Man müsse sich gegen die Flut der Flüchtlinge, Moslems, Terroristen und Sozialschmarotzer wehren, gegen die Kanzlerin Angela Merkel, die unverantwortlicher Weise alle Welt einggeladen habe, nach Deustchland zu flüchten, gegen die etablierte Politik, die auf die kleinen Leute und die nationalen Interessen scheißt. Das hat sehr gut funktioniert. Weiter unten werde ich versuchen zu erklären warum.
Die CDU landet bei 19% der Stimmen und verliert 4 Prozentpunkte. Das ist ein historischer Tiefststand für sie. Außerdem wird sie damit zur wahlpolitisch bloß noch drittstärksten Kraft hinter der AfD degradiert. In der öffentlichen Debatte in den großen Medien wird das als Ohrfeige für Angela Merkel wahrgenommen, für ihre angeblich viel zu freundliche und willkommenheißende Haltung gegenüber den Flüchtlingen.
Die Partei Die Linke verliert mit 13,2% der Stimmen gegenüber 2011 noch mehr, nänlich 5,2 Prozentpunkte. Ihr poitisches Profil in Meckleburg-Vorpommern – ähnlich wie in den anderen neuen Bundesländern – ist sehr moderat. Sie träumt dort vor allem davon, mit der SPD und den Grünen zusammen zu regieren. Sie wird sehr weitgehend als Teil des politischen Establishmentts wahrgenommen.
Die Grünen aber haben mit 4,8% die 5%-Hürde knapp verfehlt und 4,5 Prozentpunkte verloren. Damit haben sie keine neuen Mandate im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern.
Die FDP wird mit 3% der Stimmen (gegenüber 2,8% 2011) wiederum nicht im Landtag vertreten sein. Die NPD fliegt ihrerseits mit nur 3% der Stimmen aus dem Landtag raus – weil die AfD unter anderem gerade auch die rechtsextremistische Wählerschaft auf sich ziehen konnte.
Ein Blick auf die absoluten Zahlen in Zusammenhang mit den Wählerwanderungen (laut infratest dimap) gibt einige Aufschlüsse. Die fast 21% der Wählerstimen, die die AfD errungen hat, entsprechen 167.000 Wählern (und deutlich weniger Wählerinnen). Die AfD konnte 56.000 der NichtwählerInnen von 2011 mobilisieren, außerdem noch 23.000, die 2011 sehr kleine Splitterparteien gewählt hatten. Der CDU hat die AfD 23.000 Stimmen abgenommen, der NPD 20.0000, der Partei Die Linke 18.000, der SPD 16.000 und den Grünen 3000. Die AfD hat also allen anderen Parteien Stimmen abgenommen. Für die Mitglieder der Partei Die Linke ist die Diskussion darüber wichtig, wieso die AfD so viele linke WählerInnen auf ihre Mühlen lenken konnte.
Von den 71 Sitzen im neuen Landtag von Mecklemburg-Vorpommern erhält die SPD 26, die AfD 18, die CDU 16 und Die Linke 11 Mandate. Eine „rot-rote“ Koalition bleint damit rechnerisch möglich (mit 37 Mandaten gegenüber zusammengezählt 34 von AfD und CDU). Wahrscheinlich ist diese Variante gleichwohl nicht. Die AfD hat vor und nach den Wahlen erklärt, dass sie für niemanden als Koalitionspartner zur Verfügung steht, weil sie dann ihre Positionen insbesondere zur Flüchtlingspolitik nicht verwirklichen könnte. Am Wahrscheinlichsten ist die Fortsetzung der „großen“ (wenn auch geschrumpften) SPD-CDU-Koalition – aber man wird sehen.
Der große wahlpolitische Erfolg der AfD hängt sicherlich mit der Politik der Regierungsparteien auf Bundesebene zusammen. Nicht zuletzt unter Druck der CSU – gemäß deren Mantra: rechts von mir darf sich nichts etablieren – hat die Regierungspolitik der rechtsextremistischen Demagogie immer wieder Recht gegeben. Die Regierungskoalition hat alles dafür getan, die Flüchtlinge daran zu hindern, in der EU und in Deutschland anzukommen, sie hat mit der Türkei Erdogans den schändlichen Flüchtlingsdeal ausgehandelt, sie hat das Asylrecht in zwei Anläufen zum Zerrbild eines Gnadenrechts zerschreddert und die Rechte der Flüchtlinge in Deutschland immer weiter abgebaut, so dass deren Lage immer unerträglicher wird. Die Leute, man weiß es, wählen lieber das Original als die Kopien. Die CSU-Strategen täuschen sich also – sie schwächen die Konkurrenz von rechts mit ihrer Linie nicht, sondern stärken sie sehr viel eher. Außerdem können die AfD-WählerInnen zu Recht davon ausgehen, dass sie die Bundespolitik in ihrem Sinne beeinflussen, wenn sie die AfD wählen, auch wenn die AfD absehbar Oppositionspartei bleibt.
Die Partei Die Linke in Mecklenburg-Vorpommern artikuliert durchaus kapitalismuskritische Positionen. Sie macht auch durchaus gute Vorschläge zugunsten der besseren Integration der Flüchtlinge, für eine sozialere Politik, für eine gerechtere Verteilung der Reichtümer und Einkommen von oben nach unten. Aber sie erscheint nicht als radikale und antikapitalistische Alternative. Sie betont sehr stark ihren Willen, mit SPD und Grünen zusammen an die Regierung zu kommen. Was die EU betrifft, so fordert sie nur deren demokratische und soziale Reform von innen (nicht ohne eine kleine Andeutung des Nationalen, weil ja demokratischer Einfluss auf Entscheidungen im nationalen Rahmen manchmal eher möglich sei). Außerdem erklärt sie, die „Schuldenbremse“ und die entsprechende „Haushaltsdisziplin“ unbedingt respektieren zu wollen (ohne die Respektierung dieses neoliberalen Dogmas kann man ja in Deutschland nicht „regierungstauglich“ sein). Ja, Die Linke erscheint in Mecklemburg-Vorpommern (wie in Thüringen und anderswo in den neuen Bundesländern), als Teil der etablierten Politik – und das in einem immer polarisierteren politischen Klima mit immer mehr – oft dunpfer – Unzufriedenheit in wachsenden Teilen der Bevölkerung.
Eine gewisse DDR-Nostalgie ist an der Basis der Partei die Linke in den neuen Bundesländern der ehemaligen DDR durchaus präsent. Am 20. August hat der Spitzenkandidat der Partei Die Linke, Helmut Holter, am Landeswandertag der Volkssolidarität teilgenommen. Diejenigen, die an solchen Events teilnehmen, sind in aller Regel nicht besonders jung – um nicht unhöflicherweise mehr zu sagen. Andererseits sind die Landesverbände der Partei Die Linke in den neuen Bundesländern jederzeit bereit zu unterschreiben, die DDR sei ein „Unrechtsstaat“ (gemeint: wie die Nazidiktatur) gewesen, wenn das von der SPD rituell zur Bedingung dafür gemacht wird, Die Linke als Regierungspartei zu akzeptieren. Damt verstrickt sich die Partei Die Linke natürlich in einen schwer aufzulösenden Widerspruch.
Die AfD hat ihrerseits keine Probleme damit, auf der Klaviatur der DDR-Nostalgie zu spielen. Das passt doch sehr gut zu einer politisch-kulturell ultra-konservativen Mentalität. Die Partei Die Linke neigt auch dazu, die internationale Politik Russlands unter Putin mehr oder weniger zu rechtfertigen (obwohl die Mehrheit der antikapitalistischen Linken in und außerhalb der Partei Die Linke das leider noch viel klarer tut), wenn auch geniert, mit vielen Vorbehalten und Nuancen. Für die AfD ist das einfacher: sie unterstützt Putin ungeniert und ohne Vorbehalte. Man muss schon zugeben, dass das insofern gerecht ist, als es auf Gegenseitigkeit beruht: Putin unterstützt ja ganz entschieden die extreme Rechte auch in Westeuropa, Front National, UKIP und was es sei.
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