Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 10/2016
Ein Scheunentor für die weitere Privatisierung der Renten
von Manfred Dietenberger

Ein sog. «Standardrentner» mit Durchschnittseinkommen hätte vor der Sozialkahlschlagspolitik von Rot-Grün (Stichwort Agenda 2010) nach 45 Beitragsjahren beim damaligen Rentenniveau von 53% noch 1530 Euro erhalten. Der gleiche «Standardrentner» erhält heute nach 45 Beitragsjahren beim aktuellen Rentenniveau von nur noch 47,5% 1370 Euro brutto Rente. Davon werden ihm noch rund 10% für Kranken- und Pflegeversicherung sowie Steuern abgezogen.

Im Jahr 2030, wenn das gesetzliche Rentenniveau dann nur noch 43% betragen wird, wird die zu erwartende Rente bei gerade noch 1240 Euro liegen. Und mal ehrlich, wer bringt es heute wirklich noch auf 45 Arbeitsjahre?

Der Vorstand der IG Metall, der mit rund 2,3 Millionen Mitgliedern stärksten Einzelgewerkschaft der Bundesrepublik, hat deshalb unter dem Motto «Mehr Rente – Mehr Zukunft» ein Reformprogramm zum Neuaufbau einer solidarischen Alterssicherung und eine Rentenkampagne zur Durchsetzung dieses Programms beschlossen und nun der Öffentlichkeit vorgestellt. «Gerade für die Jüngeren ziehen bei der Alterssicherung dunkle Wolken am Horizont auf. Wir brauchen daher umgehend einen grundlegenden Strategiewechsel, damit sozialer Abstieg oder gar Armut im Alter nicht zum Massenphänomen werden. Gute Renten für alle muss das Ziel sein und nicht möglichst niedrige Beiträge für die Arbeitgeber. Mit ihrem Rentenkonzept für den Neuaufbau einer solidarischen Alterssicherung hat die IG Metall dafür einen ausgewogenen Vorschlag vorgelegt», so Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, Ende September in Hannover.

Die Einsicht kömmt spät, aber sie kömmt spät, möchte man da sagen. Denn auch die IG Metall hat bekanntlich die Teilprivatisierung der gesetzlichen Rente durch die 2002 nach ihrem Ex-Vorsitzenden sog. Riester-Rente unterstützt. Das dreistufige Reformkonzept der IG Metall sieht so aus:

Zunächst soll in der «Stabilisierungsphase» das gegenwärtige Rentenniveau bis 2021 bei 47,5% eingefroren werden. Darauf soll die «Ankopplungsphase» folgen, bei der die Renten wieder an die Lohnentwicklung gekoppelt werden und die bislang üblichen «Dämpfungsfaktoren» wegfallen. Schließlich soll in einer «Anhebungsphase» das Leistungsniveau der gesetzlichen Rente schrittweise angehoben werden.

Finanziert werden soll das ganze unter anderem mit einer sogenannten «Demografie-Reserve», die in den Zeiten aufgebaut wird, in der die Beitragseinnahmen die Ausgaben der Rentenkasse übersteigen. Darüber hinaus soll das Modell der Betriebsrente auf alle Betriebe ausgedehnt werden. «Wir fordern daher eine Betriebsrente für alle als ergänzende Absicherung», und «es müssen für tarifliche Lösungen bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden», so Jörg Hofmann, der Vorsitzende der IG Metall.

Schon im Koalitionsvertrag haben Union und SPD angekündigt, die betriebliche Altersvorsorge auszubauen. Nun bekommt Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) Schützenhilfe von der IG Metall und den DGB-Gewerkschaften bei der Umsetzung ihrer Pläne zu einer «Reform» der Rente. Nahles hält die betriebliche Altersvorsorge (bAV) für «den wichtigsten kapitalgedeckten Baustein in unserem Rentensystem».

Wie genau die von der IG Metall favorisierte, allgemeine Betriebsrente aussehen soll, ist noch offen. Derzeit gibt es aber mit der «Metallrente» schon eine Betriebsrente, die von der Gewerkschaft IG Metall und dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall gemeinsam verwaltet wird. Dieser Metallrente haben sich bislang rund 30000 Unternehmen aus der Metall- und Elektroindustrie, Stahl-, Holz-, Kunststoff- und Textilbranche angeschlossen.

Anfangs hatte die Metallrente wenig Zulauf und die Versicherungsvermittler waren nicht bereit, die Beschäftigten in den Betrieben zu beraten. Seit die Metallrente 35% der Provision bezahlt, die für einen privaten Altersvorsorgevertrag anfallen würde, klappt es mit der Beratung. Die Absicht der IG Metall, die Rentenversicherung zu einer solidarischen Erwerbstätigenversicherung zu entwickeln, in der «auch Soloselbständige, Beamte und Parlamentarier ihren Beitrag zur Alterssicherung leisten», wie Urban sagt, ist der richtige Weg zu einem gesetzlich garantierten, auskömmlichen Leben nach der Erwerbsarbeit.

Unverständlich ist aber, dass die IG Metall nicht den Mumm hat, schon im ersten Schritt die Rückkehr auf das frühere Rentensicherungsniveau von 53% zu fordern Ergänzt werden müsste dies um die Forderung nach einer Grundrente für alle in der Höhe von mindestens 1500 Euro. Indem sie aber daran festhält, die kapitalgedeckte Betriebsrente als Ergänzung zu einer immer unzureichenderen gesetzlichen Rente auszubauen, springt sie zu kurz und öffnet nach der Riesterrente ein weiteres Mal das Scheunentor für die Privatisierung der Altersvorsorge. Nur für die Finanzbranche, egal ob Fondsgesellschaften, Banken, Versicherungen oder Beratungsunternehmen, die die Gelder der Betriebsrentner verwalten, wäre die branchenübergreifende Einführung einer Pflicht-Betriebsrente eine profitable Aussicht.

Oder soll das Ganze unter anderem auch dazu dienen, die Löcher zu stopfen, die durch die anhaltende Niedrigzinspolitik in der sogenannten «Metallrente» entstanden sind?

Die IG Metall will ihre Rentenkampagne erklärtermaßen bis zur Bundestagswahl 2017 fortsetzen und zuspitzen. Ja, das tut not. Die IG Metall will, dass ihre «Forderungen und Vorschläge Eingang in die gewerkschaftlichen Diskussionen vor Ort finden und zugleich Impulse für die Verständigung mit Sozialverbänden, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Parteien geben.» Das ist nicht schlecht.

Doch das wird nicht reichen. Denn hinter dem vermeintlich «natürlichen» Renten-Demografie-Problem verbirgt sich die uralte Frage: Wie wird der erarbeitete gesellschaftliche Reichtum verteilt? Diese Frage ist Teil der Lohnfrage und wird daher wie diese in den Betrieben, Verwaltungen und auf der Straße entschieden, und eben nicht nur auf Konferenzen oder in Verhandlungen auf Vorstandsebene mit Parteien und Sozialverbänden. Das haben unsere Kolleginnen und Kollegen in Frankreich, Italien, Griechenland und auch in Österreich auch in der Rentenfrage erfolgreich vorgelebt.

Die IG Metall erklärt auf ihrer Homepage: «Wir freuen uns auf eine engagierte Debatte in der IG Metall und ein ebenso engagiertes politisches Handeln zur Realisierung dieses Zieles.» Das sollte für uns Ermunterung sein, uns kämpferisch in die Debatte und Kämpfe einzubringen.

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  • […] Betriebsrente für alle? Ein Scheunentor für die weitere Privatisierung der Renten “… Der Vorstand der IG Metall, der mit rund 2,3 Millionen Mitgliedern stärksten Einzelgewerkschaft der Bundesrepublik, hat (…) unter dem Motto «Mehr Rente – Mehr Zukunft» ein Reformprogramm zum Neuaufbau einer solidarischen Alterssicherung und eine Rentenkampagne zur Durchsetzung dieses Programms beschlossen und nun der Öffentlichkeit vorgestellt. (…)Zunächst soll in der «Stabilisierungsphase» das gegenwärtige Rentenniveau bis 2021 bei 47,5% eingefroren werden. Darauf soll die «Ankopplungsphase» folgen, bei der die Renten wieder an die Lohnentwicklung gekoppelt werden und die bislang üblichen «Dämpfungsfaktoren» wegfallen. Schließlich soll in einer «Anhebungsphase» das Leistungsniveau der gesetzlichen Rente schrittweise angehoben werden. Finanziert werden soll das ganze unter anderem mit einer sogenannten «Demografie-Reserve», die in den Zeiten aufgebaut wird, in der die Beitragseinnahmen die Ausgaben der Rentenkasse übersteigen. Darüber hinaus soll das Modell der Betriebsrente auf alle Betriebe ausgedehnt werden. «Wir fordern daher eine Betriebsrente für alle als ergänzende Absicherung», und «es müssen für tarifliche Lösungen bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden», so Jörg Hofmann, der Vorsitzende der IG Metall. (…) Wie genau die von der IG Metall favorisierte, allgemeine Betriebsrente aussehen soll, ist noch offen. (…) Unverständlich ist aber, dass die IG Metall nicht den Mumm hat, schon im ersten Schritt die Rückkehr auf das frühere Rentensicherungsniveau von 53% zu fordern Ergänzt werden müsste dies um die Forderung nach einer Grundrente für alle in der Höhe von mindestens 1500 Euro. Indem sie aber daran festhält, die kapitalgedeckte Betriebsrente als Ergänzung zu einer immer unzureichenderen gesetzlichen Rente auszubauen, springt sie zu kurz und öffnet nach der Riesterrente ein weiteres Mal das Scheunentor für die Privatisierung der Altersvorsorge…” Artikel von Manfred Dietenberger in Soz Nr. 10/2016 […]


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