dokumentiert
Pakistanische Arbeiterinnen verklagen die Textilbilligfirma KiK auf Schadensersatz wegen des Brandes in der Textilfabrik Ali Enterprises in Karachi vor vier Jahren. Gerichtsstand ist Dortmund. Das dortige Landgericht hat die Klage angenommen und gewährt den Klägerinnen Prozesskostenhilfe. Dies ist der erste Prozess dieser Art in Deutschland, und es wird sicher eine wichtige Entscheidung werden.
Unter den 260 Toten und den 57 zum Teil schwer Verletzten, die dem Brand zum Opfer fielen, waren auch Angehörige der klagenden Beschäftigten. KiK war zu einem sehr hohen Anteil Abnehmer der Produkte einer Textilfabrik, die 2012 in Flammen aufgegangen war.
In ihrer Klageschrift stellen die Klägerinnen fest, dass Unternehmen wie KiK von der Ausbeutung der Arbeiterinnen und Arbeiter in Südasien profitieren, aber keinerlei Verantwortung für deren Sicherheit übernehmen. Die Klage gegen KiK in Deutschland soll ein Signal auch an andere Textilfirmen sein, dass global handelnde Unternehmen für die Arbeitsbedingungen in ihren Zulieferbetrieben im Ausland verantwortlich sind.
Obwohl nicht ausgeschlossen ist, dass es sich damals um eine Brandstiftung handelte – die Gutachten aus der Zeit sind in diesem Punkt nicht klar –, ist die Brandursache für die Klage unerheblich, denn, so die Argumentation der Klägerinnen, Schutzmaßnahmen müssen auch dann funktionieren, wenn ein Feuer mutwillig gelegt wird. Die Klägerinnen werfen KiK vor, nicht nachhaltig dafür gesorgt zu haben, dass ein langjährig wirtschaftlich abhängiger Zulieferbetrieb die notwendigen Brandschutzvorrichtungen einhält.
Die Betroffenen haben sich in der Baldia Factory Fire Association zusammengeschlossen und haben auch in ihrem Land rechtliche Schritte gegen den pakistanischen Staat eingeleitet, die zu Entschädigungs- und Pensionsansprüchen führten.
Das Pakistan Intitute of Labour Education and Research (PILER) nahm an den Entschädigungsverhandlungen zwischen den Betroffenen und KiK teil, ebenso das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). Es ging nicht nur um die Entschädigung, die kurz nach dem Brand in Höhe von 1 Mio. US-Dollar von KiK gezahlt wurde, sondern auch um Schmerzensgeld. Die Verhandlungen zogen sich mehrere Jahre hin, schließlich lehnten die Betroffenen ein ihnen zu niedrig erscheinendes Angebot von KiK ab. Doch vor kurzem scheint es eine Teillösung gegeben zu haben. KiK scheint zu einer zusätzlichen Zahlung von etwas über 5 Mio. US-Dollar bereit, die ab 2017 den Hinterbliebenen und Verletzten als Renten ausgezahlt werden sollen.
Unabhängig davon wird die Klage auf Schmerzensgeld vor dem Dortmunder Landgericht fortgesetzt, das für den Firmensitz von KiK zuständig ist. Eine Regel besagt, dass im Ausland stattfindende Verfahren nach dem Recht des Staates stattfinden müssen, in denen der Rechtsgrund entstanden ist, in dem Fall müsste das Dortmunder Gericht also pakistanisches Recht anwenden. Eine genauere Darstellung dieses Sachverhalts findet sich auf der Homepage des ECCHR. Hier wird dazu ausgeführt:
«Das pakistanische Rechtssystem gehört zum Common-Law-Rechtssystem. Pakistanische Gerichte sehen sich in der Regel an die Rechtsprechung indischer und britischer Gerichte gebunden. Daher ist die Anwendung der in der Großbritannien und Indien weiterentwickelten Common-Law-Ansprüche angebracht. Diese Ansprüche sind vergleichbar mit den deutschen Schadenersatznormen des BGB. Auch hier ist eine Haftung für untergeordnete Mitarbeiter vorgesehen. Im Common Law sind diese Haftungstatbestände aber deutlich weitergefasst als in Deutschland. Die Klage stützt sich auf aktuelle Entwicklungen im Common Law, die insbesondere durch pakistanische, indische und britische Gerichte gefestigt wurden. Die Urteile dieser Gerichte tragen modernen Wirtschaftsstrukturen zunehmend Rechnung: Die Gerichte sehen eine Haftung von auftraggebenden Unternehmen für zuliefernde Unternehmen dann als gegeben an, wenn eine hinreichend nahe Beziehung zwischen den Unternehmen bestand. Da die pakistanische Fabrik fast ausschließlich für KiK produziert hat und KiK mehrfach versichert, all seine Zulieferbetriebe regelmäßig zu besuchen und zu kontrollieren, ist die Geschäftsbeziehung zwischen KiK und der pakistanischen Fabrik als eng und ‹nahe› anzusehen.»
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