Wu Ming: Altai. Deutsch von Klaus-Peter Arnold. Berlin: Assoziation A, 2016. 352 S., 24 Euro
von Udo Bonn
Die Sondertische zu 500 Jahre Reformation sind in den größeren Buchhandlungen schon gedeckt, was in der Regel dabei fehlt, ist der großartige Roman Q vom Kollektiv Luther Blisset. Vom Verlag Assoziation A wieder aufgelegt, erzählt er über einen Zeitraum von knapp 40 Jahren von der radikalen Interpretation Luthers, von der traumatischen Niederlage der Bauern gegen die vereinigten Fürsten in Frankenhausen, von Antwerpener Kaufmannskommunen, dem Aufstieg und Irrsinn der Wiedertäufer in Münster, vom Bankensystem der Fugger und der Etablierung der Inquisition in Italien.
Q ist Agent der Kirche, er beobachtet die verhassten widerspenstigen Bewegungen in Europa und berichtet an den Leiter der Inquisition, Gian Pietro Carafa, dem späteren Papst Paul IV. Sein Gegenspieler ist ein ehemaliger Schüler Luthers, wir lernen ihn unter den Namen Gustav, Brunnengert oder Don Ludovico kennen, von Wittenberg treibt es ihn an die Schauplätze der europäischen Rebellionen bis nach Venedig. Und da kann er auch nicht bleiben.
Altai heißt der Fortsetzungsroman, geschrieben von der gleichen italienischen Autorengruppe unter dem Pseudonym Wu Ming.
Venedig, 1569, nach einer Explosion brennt die Werft. Haben die Arbeiter diesen Anschlag verübt, um eine bessere Bezahlung durchzusetzen, oder kamen die Auftraggeber aus dem Osmanischen Reich? Manuel Caroso ist Geheimagent der Serenissima, aber bevor er zur Aufklärung beitragen kann, wird er zum Sündenbock gemacht. Nur knapp kann er der Hinrichtung entkommen und nur knapp gelingt es ihm, über die Adria in seine alte Heimatstadt Ragusa zu gelangen. Hier ist er als Jude aufgewachsen, von hier ist er als Konvertit nach Venedig geholt worden. Ragusa ist nicht sicher, über Thessaloniki flieht er nach Istanbul und wird von dem Großbankier und Sultanvertrauten Joseph Nasi mit offenen Armen empfangen.
Joseph Nasi kümmert sich um die vertriebenen Juden, nur im Osmanischen Reich müssen sie nicht um ihr Leben und ihren Besitz fürchten. Im palästinensischen Tiberias hat ihm Selim II. erlaubt, eine jüdische Ansiedlung zu organisieren, aber dieses Projekt macht keine Fortschritte, die Siedler sind keine Bauern und die Einheimischen leisten Widerstand.
Nasis große Idee ist, eine Heimstatt für Juden in Zypern zu schaffen, aber dafür muss Venedig von der Insel vertrieben werden, dafür muss der Sultan Krieg führen. Nasi setzt alles daran, den Sultan zu überzeugen, dafür braucht er auch Cardoso. Aber kann er auch den alten Aufrührer gewinnen, der aus seinem Zufluchtsort auf der arabischen Halbinsel nach Istanbul gekommen ist?
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