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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2016
Die EZLN will die Probleme der indigenen Bevölkerung ins Zentrum der Präsidentschaftswahl 2018 rücken
von Angela Klein

Die Zapatistische Nationale Befreiungsarmee (EZLN) und der Nationale Indigene Kongress (CNI) haben vereinbart, zusammen mit Völkern und Gemeinden über die Aufstellung einer indigenen Frau als Präsidentschaftskandidatin für die Wahlen 2018 zu beraten. Politische Beobachter sagen, das stellt gegenüber dem früheren Verhalten der EZLN zu Wahlen eine Kehrtwende um 180 Grad dar.

Die EZLN hat sich auch früher schon zu Präsidentschaftswahlen positioniert, so etwa im Jahr ihres Aufstands 1994, als sie aufrief, gegen die Regierungspartei PRI zu stimmen. Im Jahr 2005 rief sie über die Zweite Erklärung des Lakandonischen Urwalds zu einer «Nationalen Demokratischen Konvention» auf, aus der eine Übergangsregierung hervorgehen sollte, «sei es durch den Rücktritt der Bundesregierung oder mittels Wahlen». Der Prozess sollte damals in der Ausarbeitung einer neuen Verfassung und in der Durchführung von Neuwahlen münden.

Kurz darauf unterstützte die EZLN die Kandidatur des Journalisten Amado Avendaño als Kandidat der Zivilgesellschaft für das Gouverneursamt im Bundesstaat Chiapas. Nach dem Wahlbetrug, der seinen Sieg nicht zuließ, erkannte sie ihn als aufständischen Gouverneur an und behandelte ihn als einen solchen Gouverneur.

Ende 2005 riefen die Zapatisten dazu auf, eine große landesweite Bewegung zu organisieren, um die gesellschaftlichen Beziehungen zu transformieren, ein landesweites Kampfprogramm auszuarbeiten und eine neue politische Verfassung zu schaffen. In diesem Kontext gaben sie den Anstoß zur «anderen Kampagne», der Initiative einer zivilgesellschaftlichen, aus der Bevölkerung kommenden Politik von unten und links, unabhängig von den eingetragenen politischen Parteien, mit antikapitalistischer Ausrichtung.

Die «andere Kampagne» wurde damals scharf kritisiert von dem Parteienbündnis aus der Partei der Demokratischen Revolution (PRD), der Konvergenz-Partei und der Arbeitspartei, das die Kandidatur von Andrés Manuel López Obrador zu den Präsidentschaftswahl 2006 unterstütze. Ein Wahlbetrug machte die Erfolgsaussichten von Obrador damals zunichte. Das Wahlbündnis machte der EZLN damals heftige Vorwüfe, sie habe eine Wahlempfehlung gegen Obrador ausgesprochen und damit seinen Wahlsieg verhindert. Dem Vernehmen nach hat die EZLN es ihren Anhängern aber freigestellt, ob sie zur Wahl gehen wollten oder nicht.

Im vergangenen Jahr hat Subcomandante Moises noch einmal bekräftigt: «Als Zapatisten, die wir sind, rufen wir weder dazu auf, nicht zu wählen noch zu wählen. Als Zapatisten, die wir sind was wir tun, sagen wir den Leuten bei jeder Gelegenheit, sie sollen sich organisieren, um Widerstand zu leisten, zu kämpfen, um das zu erreichen, was nötig ist.»

Andere Organisationen wie die PRT (die mexikanische Sektion der IV. Internationale) haben den Schritt begrüßt.

Der jüngste gemeinsame Entschluss von EZLN und CNI bedeutet dennoch eine Kehrtwende, denn niemals zuvor haben sie daran gedacht, eigene Kandidaten aufzustellen. Die Kandidatur soll ein antikapitalistische Profil haben und die indigene Bewegung stärken. Die Probleme der indigenen Bevölkerung sollen ins Zentrum der politischen Agenda gerückt werden, die Aggressionen ihnen gegenüber sichtbar gemacht werden. Der Entschluss ruft dazu auf, am Wahlprozess mit kämpferischen Aktionen, Formen des Widerstands und der Organisierung teilzunehmen.

Die Tatsache, dass eine Frau die indigene Bewegung repräsentieren soll, ist zudem eine Provokation gegenüber machistischen Einstellungen auch in den Reihen der zapatistischen Bewegung selbst.

Die 1000 Teilnehmenden des Nationalen Indigenen Kongresses, der den Entschluss hervorgebracht hat, beraten den Vorschlag nun in ihren Regionen. Vom 30.Dezember bis 1.Januar treffen sich die Delegierten erneut, um möglichst eine Kandidatin aufzustellen und eine Strategie zur Stärkung der CNI zu beschließen.

Bei der Präsidentschaftswahl 2018 sind erstmals auch unabhängige Kandidaten zugelassen. Unter anderem müssen die Bewerber mindestens 800000 Unterschriften von Unterstützern vorlegen.

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