von Marjana Schott*
Rund um Kali und Salz tobt ein Kampf um Umwelt, Arbeitsplätze und Profite. Dahinter verbirgt sich eine facettenreiche Geschichte. In SoZ 10/2016 wurde der allgemeine Konflikt beleuchtet, hier konzentrieren wir uns auf den scheinbaren Konflikt zwischen Umweltschutz und Arbeitsplätzen.
Im Jahr 2007 hatte sich die Entsorgungslage in der Werraregion derart zugespitzt, dass alle damals im hessischen Landtag vertretenen Fraktionen einen gemeinsamen Antrag einbrachten. Darin wurde gefordert, Kalibergbau und Umweltschutz unter einen Hut zu bringen, die Grenzwerte der Flussbelastung zu reduzieren, darüber mit dem Unternehmen einen öffentlichen Vertrag abzuschließen und vorher einen Runden Tisch einzurichten, an dem alle Betroffenen ihr Belange einbringen sollten. Dieser sollte «die Aufgabe haben, Strategien und einen verbindlichen Zeitplan zur Verringerung der Salzbelastung in der Werra zu erarbeiten. Neben Umweltbelangen gilt es, gleichgewichtig die Kali-Arbeitsplätze in der Region zu sichern.»
Darüber hinaus wurde festgestellt, «dass wegen des zu Ende gehenden Versenkvolumens im Plattendolomit der Werraregion dringend geeignete und dauerhaft wirkende Vermeidungs- und Entsorgungsstrategien seitens des Unternehmens Kali und Salz erforscht, entwickelt und angewendet werden müssen, um den Bestand der Werke und der Arbeitsplätze nicht zu gefährden». Damals gingen einige immer noch davon aus, dass Abwasser bliebe im Plattendolomit.
Arbeitsplätze und Umweltschutz stehen in dem Antrag bereits in einem scheinbaren Dilemma. Diese Grundannahme ist aber falsch. Die Arbeitsplätze lassen sich dauerhaft nur sichern, wenn man den Umweltschutz gewährleistet. Das tatsächliche Konkurrenzverhältnis besteht zwischen den Investitionen in den Umweltschutz und den Aktiengewinnen! Umweltschutz geht zwar aufgrund der hohen Investitionen zunächst zulasten der Gewinne, im Laufe der Zeit amortisiert er sich jedoch weitgehend.
Ohne greifbares Ergebnis – der Runde Tisch
Der Runde Tisch konstituierte sich im Jahr 2008 unter der Leitung von Hans Brinckmann, ehemals Professor für öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaften an der Universität Kassel und von 1989 bis 1999 deren Präsident.
Etwa zur gleichen Zeit gründet sich die Werra-Weser-Anrainerkonferenz (WWA), in der sich Städte, Gemeinden und Vereine zusammenschlossen, um ihre Interessen auch am Runden Tisch zu vertreten. Die WWA wählt Walter Hölzel zum Vorsitzenden. Schnell stellte sich heraus, dass die WWA zum stärksten Kritiker der Entsorgungspolitik des Unternehmens und des Co-Managements durch den Runden Tisch wurde.
Der Runde Tisch, finanziert durch K+S, legte sich nach langer Debatte auf die Entsorgung der flüssigen Abfälle durch eine Pipeline zur Nordsee fest. Auch der BUND teilte diese Einschätzung. Die WWA brachte gemeinsam mit der LINKEN immer wieder das sogenannte K-Utech-Verfahren ins Gespräch, bei dem die flüssigen Abfälle vor Ort eingedampft werden. Dabei werden weitere Rohstoffe verwertet und das Verfahren somit wirtschaftlich darstellbar. Nach langem Widerstand beschäftigte sich schließlich 2012 auch der Runde Tisch mit diesem Verfahren und kam zu dem Ergebnis, eine Machbarkeitsprüfung in Auftrag zu geben. Die Wissenschaftliche Begleitung des Runden Tisches wiegelte dieses Verfahren jedoch gemeinsam mit K+S ab und erklärte mit fadenscheinigen Begründungen, es sei nicht machbar.
Die WWA kommentierte die Arbeit des Rundes Tisches einige Zeit später so: «Der Runde Tisch hat im Jahre 2010 empfohlen, die Abwässer der K+S Kali GmbH mit einer Rohrleitung an die Nordsee zu transportieren und durch Einleiten in den Jadebusen zu beseitigen. Dieser Vorschlag wurde von der K+S Kali GmbH als ‹ökonomisch und ökologisch unsinnig› bezeichnet. Die EU-Kommission ihrerseits will die ‹Fernentsorgung über eine Pipeline an die Nordsee› nicht als Entsorgungsoption akzeptieren, weil sie darin nur den Versuch deutscher Behörden sieht, die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie zu behindern. Der Runde Tisch hat in den Jahren 2008–2014 keine technischen Lösungen für die Entsorgungsprobleme der K+S Kali GmbH finden können. Den Beschluss des Gremiums vom September 2012, die international erfolgreichen Verfahren der K-UTEC AG auf ihre Übertragbarkeit auf das Werrarevier und ihre wirtschaftliche Zumutbarkeit zu untersuchen, hat seine Leitung bis zum heutigen Tage nicht umgesetzt. Zusammenfassend können wir feststellen, dass der Runde Tisch nach sechsjähriger Tätigkeit ohne jedes greifbare Ergebnis geblieben ist.»
Drohende Bußgelder zulasten der Steuerzahler
Im Juni 2013 leitete die EU ein Vorverfahren zum Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Ein Mahnschreiben erging an die Bundesregierung, da sie als Mitgliedstaat Vertragspartner der EU ist. Gefordert wurde eine Stellungnahme, ob die Wasserrahmenrichtlinie eingehalten werde. Die Bundesregierung antwortete – jedoch nicht zur Zufriedenheit der Kommission. Seither gehen Nachforderungen und unbefriedigende Antworten zwischen der Kommission und der Bundesregierung hin und her.
Die hessische Umweltministerin Priska Hinz tut immer wieder so, als wäre ihre politische Arbeit erfolgreich und die Kommission würde das Vorverfahren einstellen. Das entspricht aber nicht den Tatsachen. Es ist nach wie vor offen, ob die Kommission eine Klage einleitet. Eine Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof könnte mit einem Bußgeld von bis zu 900000 Euro pro Tag enden. Da K+S auf der Grundlage von Genehmigungen arbeitet, wären diese Strafzahlungen nicht auf das Unternehmen abzuwälzen, d.h. die Steuerzahler müssten für die Kosten aufkommen. In der Konsequenz müssten die geltenden Genehmigungen in einem sauber durchgeführten Verfahren widerrufen werden, um die Bußgeldforderung zu beenden.
Erfahrungen mit schlecht durchgeführten Verfahren, die anschließend zu Schadenersatzansprüchen führen, hat die hessische Landesregierung ja bereits bei der Schließung der Atomkraftwerke gesammelt. Für K+S würde der Widerruf die sofortige Einschränkung der Produktion, wenn nicht gar deren Beendigung bedeuten. Damit wären die Arbeitsplätze unmittelbar gefährdet. Ob die entstandenen Umweltschäden in Form von Halden und Grundwasserverseuchung saniert werden können, steht völlig in den Sternen.
Inzwischen wurden neben allen anderen dokumentierten Schäden an mehreren Standorten giftige Schwermetallrückstände im Grundwasser gefunden. Die Thüringer Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) hat jedwede Nutzung der betroffenen Grundwasserleiter untersagt, während ihre hessische Amtskollegin keinen Handlungsbedarf sieht. Diese Entscheidung passt sich nahtlos in die Politik des Wegschauens und Schönredens ein. Damit verhindert die hessische Landesregierung immer wieder, den Druck auf das Unternehmen aufzubauen, der nötig wäre, um eine umweltgerechte Entsorgung sicherzustellen.
Arbeitsplätze als Poker
Den Beschäftigten des Unternehmens sitzt zunehmend die Angst um den Arbeitsplatz im Nacken – nicht nur wegen solcher Umweltskandale. Seit Anfang des Jahres wird bei K+S an verschiedenen Standorten immer wieder Kurzarbeit angeordnet. Das Unternehmen erklärt dazu, die Kurzarbeit sei wegen der geringen Niederschläge in den vergangenen Wochen und der damit verbundenen, begrenzten Einleitung von Salzabwässern nötig. K+S erhielt vom Regierungspräsidium Kassel zuletzt nur eine Übergangserlaubnis für eine begrenzte Versenkung von Salzabwässern, die Ende 2016 ausläuft.
Tatsächlich sind in einem deutlich geringeren Maß als behauptet die Niederschläge für die Kurzarbeit verantwortlich. DIE LINKE konnte in einer Kleinen Anfrage nachweisen, dass in den sogenannten Stapelbecken durchaus noch Abwasser hätte gespeichert werden können.
Das Unternehmen schlägt hier gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe. Die Kalilager sind voll, während die Preise in den Keller fallen. Betrug im letzten Jahr der Preis noch recht stabil 300 Dollar je Tonne, ist er inzwischen auf ein Niveau von leicht über 200 Dollar je Tonne eingebrochen. Dazu kommt die endende Übergangserlaubnis, die dem Unternehmen erheblichen Druck beschert. Diesen Druck gibt K+S mit der mächtigen Drohgebärde der Kurzarbeit an die Politik weiter.
Zornige und verzweifelte Beschäftigte laden Politiker zu Gesprächen vor Ort, um sich Luft zu machen über deren unzureichendes Verständnis für ihre Lage. Diese Beschäftigten sind hoch solidarisch mit «ihrem» Unternehmen, da K+S nicht nur die Löhne in die Region bringt, sondern auch durch Sponsoring in nahezu jedem Lebensbereich das Alltagsleben prägt. Seit Jahren erklärt ihnen das Unternehmen, es gebe keine anderen Entsorgungswege der Abfälle als die bisher praktizierten, und jeder, der etwas anderes behauptet, gefährde die Arbeitsplätze.
Kurzarbeit und die Angst vor Arbeitsplatzverlust haben im September dieses Jahres zu einer Menschenkette mit über 12000 Teilnehmenden geführt, bei der es zwar um Solidarität ging, aber vor allem darum, den Druck auf die hessische Landesregierung zu erhöhen, die Übergangsgenehmigung nicht nur zu verlängern, sondern «Planungssicherheit» zu schaffen.
Der Poker um die Arbeitsplätze geht so lange weiter, bis das Unternehmen sich für die Entsorgung der Abfälle nach dem Stand der Technik entscheidet. Allerdings wird das Zeitfenster, in dem das noch möglich ist, immer kleiner, denn Planung und Bau der notwendigen Anlagen brauchen Zeit, und Ausnahmeregelungen, die die EU zulässt, greifen nur, wenn ein realistischer Plan vorliegt, der die Wasserverschmutzung, egal ob im Grund oder im Fluss, beendet.
* Marjana Schott ist Mitglied im Hessischen Landtag und Sprecherin für Sozial- und Umweltpolitik für die Fraktion DIE LINKE.
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