von Angela Klein
Sahra Wagenknecht, eine der beiden Fraktionsvorsitzenden der LINKEN im Bundestag, hat sich erneut darauf eingelassen, in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) (2.10.) mit der Bundessprecherin der AfD, Frauke Petry, zu diskutieren. Am 22.September waren beide schon einmal zusammen in der Talkshow von Sandra Maischberger aufgetreten. Wenn Frau Wagenknecht sich dabei gedacht hat, sie könne auf diese Weise der AfD die Butter vom Brot nehmen, hat sie sich geirrt. Die einzige Seite, die bei diesem Interview gewonnen hat, war die FAS. Sie hat damit offenkundig die Absicht verfolgt, zum xten Mal ihre Lieblingsthese «Rot = Braun» zu belegen. Und das ist ihr zweifellos gelungen.
Geschickt hat sich die FAS auf solche Fragen konzentriert, in denen Linke mit der extremen Rechten in der Kritik am Bestehenden partiell übereinstimmen – etwa in der Kritik an der EU bzw. am Euro, oder an CETA/TTIP. Das ist ihr ideologisches Geschäft. Aber muss man deswegen über jedes Stöckchen springen, das einem hingehalten wird?
Hier soll nicht in den Chor der Linken eingestimmt werden, die gegenüber der AfD eine Kontaktsperre verhängen wollen. Es gibt Wähler (vielleicht auch Mitglieder) der AfD, mit denen lohnt keine Diskussion, weil sie nur ihre Vorurteile und Befindlichkeiten laut rausschreien wollen. Solchen Leuten kommt man auch nicht mit Fakten bei, denen ist es egal, ob eine Behauptung stimmt oder nicht, wichtig ist, dass jemand als Lautsprecher für ihr Bauchgefühl zur Verfügung steht.
Andererseits gibt es Wähler der AfD – leider haben sich nicht wenige davon bis vor kurzem noch als Linke bezeichnet oder gesehen –, die können es gar nicht nachvollziehen, dass man sie nur deshalb, weil sie jetzt auf eine andere Spur geraten sind, auf einmal schmäht, der Diskussion nicht mehr für würdig hält und als «Rechtsradikale» abstempelt. Wen man die zurückgewinnen will, muss man mit ihnen diskutieren. Und da sie manches gut finden, was Frau Petry mit Blick auf eine bestimmte Öffentlichkeit sagt, muss man unter bestimmten Umständen auch mit Frau Petry diskutieren.
Wobei diskutieren hier wohl das falsche Wort ist. Denn es gibt mit Frau Petry keinen gemeinsamen politischen Nenner. Mit Frau Merkel kann ich darüber streiten, dass sie mit ihrer Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik das Grundrecht auf Asyl abschafft – oder was von ihm übriggeblieben ist. Das würde sie jedoch stets abstreiten, weil sie wenigstens dem Bekenntnis nach einige Elemente des Grundgesetzes hochhält, die auch Linken wichtig sind: die Achtung der Menschenwürde, die Gleichwertigkeit aller Menschen usw. Und auch wenn das «gleiche Recht» in der bürgerlichen Gesellschaft, wie Marx ausführt, seinem Inhalt nach ein Recht der Ungleichheit ist, weil es die ungleichen Lebensverhältnisse anerkennt und zementiert, so macht es doch einen Unterschied, ob die Gleichheit wenigstens in der Phrase aufrechterhalten wird oder nicht.
Die AfD aber vertritt die Ungleichwertigkeit der Menschen, nicht nur von Ausländern (vor allem solchen aus ärmeren Ländern) gegenüber Deutschen, sondern auch von Frauen gegenüber Männern, von Menschen, deren sexuelle Veranlagungen der «Norm» entsprechen, gegenüber den anderen. In ihrem Grundsatzprogramm hetzt sie gegen Genderpolitik und gegen den sog. Multikulturalismus. Unterschiede zwischen den Geschlechtern und den Kulturen werden naturalisiert, zu einer unveränderlichen Wesenheit erklärt. Das kleidet sie dann verschämt in den Ausdruck «differenziertes Menschenbild». Es hat zur Folge, dass eine Politik der Ungleichheit gefordert wird, etwa wenn es heißt: «Eine Gleichstellungspolitik im Sinne von Ergebnisgleichheit lehnt die AfD ab.»
Die ganze Zielsetzung des AfD-Programms besteht darin, den Deutschen einzureden, dass sie einzigartig sind und sich gegen ihren drohenden Untergang zur Wehr setzen müssen. Menschen werden danach bewertet, ob sie diesem Ziel nützlich sind oder nicht. Zweifellos ist es richtig darauf hinzuweisen, dass dieses verallgemeinerte und radikalisierte Nützlichkeitsdenken bereits im Neoliberalismus angelegt ist, oder dass der Unterschied zwischen der einstigen Stahlhelm-Fraktion in der CDU und dem AfD-Programm ein gradueller ist. Aber «angelegt» ist nicht dassebe wie «virulent».
Sahra Wagenknecht arbeitet diesen Unterschied nicht heraus. Sie lässt sich darauf ein, mit Frau Petry das Terrain der Kritik zu teilen. Sie haut ihr beim Freihandelsabkommen nicht um die Ohren, dass laut AfD-Programm «außenwirtschaftliche Maßnahmen von übergeordneter Bedeutung der deutschen Souveränität Rechnung tragen müssen», auch nicht, dass dieses Programm sich nicht gegen, sondern für Freihandel ausspricht, solange die Interessen deutscher Unternehmen dadurch nicht beeinträchtigt werden. Eine linke Kritik am Freihandel leitet sich aber nicht aus der Wahrung der Interessen der deutschen Industrie ab, sondern daraus, dass sich die Unternehmen – auch die klein- und mittelständischen, die Frau Petry so sehr am Herzen liegen – wie Wagenknecht übrigens auch –, damit noch mehr jeglicher Kontrolle der Öffentlichkeit entziehen und die Schutzrechte der lohnabhängigen Bevölkerung aushebeln.
Wagenknecht versäumt es auch, dem imperialen Charakter dieser Freihandelsabkommen und ihre destabilisierende Wirkung etwa auf die Länder Nordafrikas zu benennen. Ähnliches ließe sich für die Kritik an der EU sagen, wenn Wagenknecht den undemokratischen Charakter der EU betont, aber die von Schäuble diktierte Austeritätspolitik etwa gegenüber Griechenland unerwähnt lässt.
Soweit aus dem Interview ersichtlich, hindern zwei Dinge Sahra Wagenknecht daran, den Wolf im Schafspelz kenntlich zu machen:
- Sie teilt mit Frau Petry nicht nur etliche Kritikpunkte am liberalen Kapitalismus (was legitim wäre), sondern auch einige Forderungen: etwa das Bekenntnis zum Nationalstaat und die Rückverlagerung von Kompetenzen in diesen, ohne zu präzisieren, um welche Kompetenzen es sich dabei handeln soll und wo dagegen supranationale Lösungen notwendig sind, wenn globale Probleme gelöst werden sollen, und wie solche supranationalen Lösungswege demokratisch gestaltet werden können. Oder ihre unsäglichen Formulierungen, dass zuviele Einwanderer «den Konkurrenzkampf unter den sozial Schwachen anheizen», ohne den mindesten Verweis darauf, dass dieser Konkurrenzkampf von den Unternehmen angeheizt wird und die Einwanderer nicht minder deren Opfer sind wie die Einheimischen. Dass sie auf die sozialen Defizite in diesem Land nur ein grelles Licht werfen, sie aber nicht verursachen. Und dass die Bekämpfung von Fluchtursachen keine Ausrede dafür sein kann, Menschen in Not hier und jetzt maximal zu helfen. Wagenknecht lässt in ihren Ausführungen immer wieder die Lesart zu, dass die Flüchtlinge das Problem sind, nicht die herrschende Politik. Es gibt noch andere ideologische Überschneidungen: etwa die Berufung auf den Ordoliberalismus der 50er Jahre, auf die Stärkung des Staates usw.
- Sie nimmt Frau Petry beim Wort und arbeitet sich daran ab. Bei der AfD zählt das Wort aber wenig, politische Kohärenz gar nichts. Die Partei lebt davon, dass ihre Vertreter alles und das Gegenteil davon behaupten. Es soll sogar Untersuchungen darüber geben die zeigen, wie die AfD ihrem jeweiligen Publikum nach dem Maul redet, nur um Wählerstimmen zu erheischen. Im Gespräch mit einer Linken lässt Frau Petry dann die Sorge um den Sozialstaat heraushängen, während ihr Programm ein Steuermodell nach Friedrich Merz und die Beseitigung der Rentenprobleme durch mehr Druck auf die deutsche Frau propagiert, Kinder zu kriegen. Das ist übrigens die einzige Stelle im Interview, an der Wagenknecht wirklich einen Punkt machen konnte. Es ist aber kein Einzelfall, sondern ein Muster im öffentlichen Auftreten der AfD, das man immer wieder kenntlich machen muss – ebenso wie das Bündnis mit richtigen Nazis und einer militanten extremen Rechten, das die AfD darstellt. Auch dazu hat Wagenknecht kein Wort verloren.
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