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Nur Online PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2016
Rechtsaußen gegen das Establishment?

von Dan La Botz*

Der Sieg des Republikaners Donald Trump bringt den reaktionärsten Präsidenten der jüngsten Geschichte der Vereinigten Staaten an die Macht. Sie leitet auch eine ungewisse Zukunft ein, nicht zuletzt deshalb, weil dieser Mann politisch ein völliger Outsider ist. Fest steht jedoch, dass sein Sieg zu Angriffen auf die Welt der Arbeit, auf Frauen, Latinos, AfroamerikanerInnen und LGBT-Menschen sein wird. Trumps Erfolg ist eine schmähliche Niederlage für die Demokratische Partei und hat die kleine Green Party (1 %) in die Bedeutungslosigkeit gedrängt, der gegenüber Gary Johnson mit seiner rechten Libertarian Party dreimal besser abschnitt.

Trump hat nicht nur die Präsidentschaftswahlen für sich entschieden. Die Republikaner behalten auch die Kontrolle über den Senat und konnten ihre Vorherrschaft im Repräsentantenhaus ausbauen. Der Präsident wird nun in der Lage sein, freiwerdende Posten, namentlich am Obersten Gerichtshof, mit ihm genehmen Personen zu besetzen. Zudem stellen die Republikaner in 31 Bundesstaaten den Gouverneur und kontrollieren in 27 Bundesstaaten auch das Parlament.

Faktisch hat die Kandidatur von Trump die Republikanische Partei allerdings tief gespalten, und die Demokraten haben im Senat einen Spielraum für Verzögerungen. Das Regieren wird also nicht leicht sein. Wie wird der neue Präsident seine Anhängerschaft unter den ArbeiterInnen zufrieden stellen, wenn er eine konservative, unternehmerfreundliche politische Agenda verfolgt? Wie wird seine Regierung mit dem Obamacare umgehen, der Krankenversicherung, von der so viele abhängen?

Donald Trump wird zweifellos mit einer Rezession und Krisensituationen im Ausland (Irak, Syrien, Russland, China) konfrontiert sein, die ihn fordern werden. Wir steuern auf unbekannte Gewässer, wenn nicht eine stürmische See zu.

Trump ging mit einer nationalistischen Wirtschaftsplattform in den Wahlkampf und bediente sich einer rassistischen, migranten- und frauenfeindlichen Rhetorik. Er gewann die Wahlen vom 8. November, indem er Millionen von weißen WählerInnen des Mittelstands und der Arbeiterschaft mobilisierte, die verdrossen über und wütend auf Washington und das New Yorker Establishment sind.

Ironischerweise sind es die ArbeiterInnen, die Trumps Sieg ermöglicht haben. Die weißen WählerInnen in den besseren Vororten bildeten schon bislang die Basis der Tea Party und Trumps; entscheidend für seinen Sieg war jedoch, dass er die Mehrheit der Männer und Frauen der weißen Arbeiterschaft ohne höhere Schulbildung im sog. Rust Belt (Pennsylvania, West Virginia,
Ohio, Indiana, Michigan) auf seine Seite ziehen konnte. Auch in den Kleinstädten der ländlichen Regionen schnitt er landesweit gut ab.

Die WählerInnen, die seit 40 Jahren von der Demokratischen Partei betrogen worden sind, schlossen sich nach und nach dem republikanischen Lager an, dieses Jahr nun massenweise. Trump konnte diese gesellschaftlichen Schichten für sich gewinnen, indem er die Reindustrialisierung des Landes, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Verteidigung von Stellen gegenüber den „Sans-Papiers“ ankündigte und versprach, die Vereinigten Staaten gegen die ausländische Konkurrenz zu schützen. Neben dem Versprechen, das nationale Territorium gegen Terrorismus zu verteidigen, sprach er sich gleichzeitig gegen den Einsatz der USA in ausländischen Kriegen und zugunsten von Regimewechseln aus.

Zur allgemeinen Überraschung konnte er mit je 29 % der spanisch- und der asiatischsprachigen WählerInnen auch bei farbigen Minderheiten punkten. Clinton konnte die afroamerikanische Community nicht so gut mobilisieren wie Obama 2012, der damals 93 % der Stimmen von Schwarzen erhielt. Dieses Jahr stimmten 88 % für Clinton, während Trump 8 % und der libertäre Kandidat 2 % erhielten.

Obwohl Umfragen darauf hindeuteten, dass Bernie Sanders gegen Trump besser abschneiden würde als Clinton, wählten die Demokraten die Kandidatin des Establishments statt ihren eigenen populären Kandidaten, den „sozialistischen Demokraten“ mit seinem Programm eines New Deal. Die Entscheidung zugunsten von Clinton statt Sanders dürfte Trump den Weg zum Erfolg geebnet haben.

Manche ArbeiterInnen, die sich von der Botschaft Sanders’ angezogen fühlten, wandten sich in der Folge Trump zu. Während viele junge WählerInnen für Clinton stimmten, brachte es ein Teil der Anhängerschaft von Sanders nicht über sich, Hillary die Stimme zu geben. Manche davon mögen Trump gewählt haben, andere Johnson oder Stein, doch die meisten nahmen aus Ärger über die Ablehnung ihres Kandidaten und enttäuscht über die schwache Alternative nicht an den Wahlen teil.

Der Sieg von Trump, der zum Verbot der Einwanderung von MuslimInnen aufrief und den Bau einer Mauer forderte, um die Migration aus Mexiko aufzuhalten, hat nicht nur bei Latinos und Latinas und bei MuslimInnen Ängste wachgerufen, sondern auch die AfroamerikanerInnen aufgeschreckt, die seinen rassistischen Werdegang gut kennen.

Im ganzen Land gab es Demonstrationen gegen Trump, getragen vor allem von jungen Personen, die „not my president“ skandierten. Die Bewegung wird sicher weitergehen und wachsen, und sie wird nach und nach auch Leute mitreißen, die Trump gewählt haben und sich bitter enttäuscht sehen werden. Der Ausgang der Konfrontationen wird davon abhängen, ob die AntikapitalistInnen in unserer Gesellschaft und die Millionen von Sanders-AnhängerInnen in der Lage sein werden, breiten Gesellschaftsschichten solidarische Perspektiven anbieten zu können.

* verfasst für Viento Sur (Madrid), zugleich Leitartikel der Zeitung solidaritéS (Genf)

Aus dem Französischen übersetzt von tigrib

Siehe http://vientosur.info/spip.php?article11896,
https://www.solidarites.ch/common/fr/international/270-edito-trump

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