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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2016
Öl und Kohle sind Vergangenheit
von Wolfgang Pomrehn

Die dürftigen Ergebnisse der diesjährigen UN-Klimakonferenz stehen in einem eigenartigen Gegensatz zu den fast euphorischen Reaktionen vieler Regierungen und auch mancher beobachtenden Umweltorganisation. Der allgemeine Tenor ist: Egal ob in den USA demnächst ein erklärter Mann der Öl- und Frackingindustrie ins Weiße Haus einzieht, wir machen weiter. Von einem nicht aufzuhaltenden Impuls (irreversable momentum) ist die Rede.

Im Kontext der bisherigen Verhandlungen ist diese Stimmung verständlich. Die Gespräche über Klimaschutz schleppen sich nun schon seit 26 Jahren ohne  bahnbrechende Durchbrüche dahin und die globalen Treibhausgasemissionen sind in dieser Zeit um deutlich mehr als die Hälfte gestiegen. Alle bisherigen Abkommen blieben weit hinter dem Notwendigen zurück und wurden von einer zunehmenden Zahl von Industriestaaten sabotiert.

Nun trat Anfang November mit dem Pariser Abkommen erstmals ein neuer Klimaschutzvertrag in kürzester Zeit in Kraft. Wichtiger noch: China hat trotz des sich abzeichnenden Rückzugs der USA angekündigt, an den eingegangenen Selbstverpflichtungen festhalten zu wollen. Das ist neu. Bisher haben die Verhandlungen stets daran gekrankt, dass sich die großen Schwellenländer wie China und Indien nicht festlegen wollten, solange die USA sich nicht bewegten.

Einige Faktoren, die mit den Klimaverhandlungen nicht direkt im Zusammenhang stehen, dürften dazu beigetragen haben. Zum einen hat China neben dem Klimaschutz eigene gute Gründe, den Ausstieg aus Kohle und Erdöl vorzubereiten: das ist vor allem die Sicherheit seiner Energieversorgung sowie die dramatische Luftverschmutzung in den meisten seiner Städte.

Zum anderen nimmt der Umbau der Antriebstechnik beim Auto langsam Fahrt auf. Inzwischen haben selbst deutsche Autokonzerne begriffen, dass der Verbrennungsmotor ein Auslaufmodell ist, und Windkraftanlagen können inzwischen so billig Strom liefern wie ein neues Kohlekraftwerk. Wenige Jahre ist es erst her, dass überall im Land Bürgerinitiativen gegen neue Kohlekraftwerke kämpften und manchen Bau verhinderten. Inzwischen denkt hierzulande kein Unternehmen mehr an derlei Pläne, und die bestehenden Anlagen arbeiten oft nicht mehr gewinnbringend.

Auch Solaranlagen werden immer billiger und sind in vielen Gegenden Afrikas und Südasiens bereits die günstigste Option. Insbesondere dort, wo der Netzanschluss fehlt. In vielen Ländern bahnt sich daher eine imposante technologische Revolution an, deren Bedeutung für Menschen, die seit Generationen an die ständige und zuverlässige Verfügbarkeit von Licht, Telefon, Funkmedien und seit neuerem auch Internet gewöhnt sind, kaum nachvollziehbar ist. Die vollständige Versorgung der Menschheit mit elektrischer Energie könnte dank der Solarenergie spätestens im übernächsten Jahrzehnt erreicht werden.

Zusätzlichen Schub erhält diese Entwicklung derzeit durch eine erneute Überproduktionskrise in der Branche der Solarmodulhersteller. Im Lauf dieses Jahres haben sich aus unterschiedlichen Gründen wieder große Überkapazitäten aufgebaut, die mächtig auf die Preise drücken. Diese sind im globalen Mittel seit Jahresanfang bereits um 20% gesunken. Module aus hiesiger Produktion kosten inzwischen nicht einmal mehr ein Drittel dessen, was für sie noch Anfang 2011, zu Zeiten des großen deutschen Solarbooms, ausgegeben werden musste.

Vor diesem Hintergrund wurden in Marrakesch – mehr am Rande, denn als Teil der offiziellen Verhandlungen – verschiedene erfreuliche Initiativen gestartet, die den Prozess beschleunigen könnten. So ist das Bündnis «Under 2° Coalition» auf inzwischen 165 Mitglieder gewachsen. In ihm haben sich Großstädte, Provinzregierungen und andere substaatliche Einheiten aus aller Welt verabredet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf 80–95% gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken. Die Mitglieder repräsentieren immerhin ein Drittel des Weltsozialprodukts. Eine Gruppe von über 40 der am wenigsten entwickelten Länder hat sich zudem darauf verpflichtet, bis irgendwann zwischen 2030 und 2050 ihre Energieversorgung zu 100% auf Erneuerbare umgestellt zu haben.

Inzwischen ist klar, dass es nur noch um Rückzugsgefechte geht. Öl, Kohle und letztlich auch Gas sind die Vergangenheit, und die mit ihnen verbundenen Konzerne kriseln zum Teil erheblich. Nicht zuletzt auch die deutsche RWE, die damit den Haushalt so mancher Ruhrgebiets-Kommune arg beutelt. Die Zukunft wird den erneuerbaren Energieträgern gehören, aber noch sind die Unternehmen dieser Branche Zwerge im Vergleich zu der Kapitalmacht, die sich rund um Öl, Auto, Kohle und Gas zusammengeballt hat.

Nichts deutet deshalb daraufhin, dass der Markt das Problem von allein lösen könnte. Auf dem Verhandlungsweg wird sich zudem nicht schnell genug eine durchgreifende Lösung finden lassen, wenn nicht die Macht der fossilen Dinosaurier gebrochen wird. In Deutschland sorgt ihr Einfluss derzeit dafür, dass mit dem Deckel für die Solarenergie und der neuen Ausschreibungspflicht für die meisten Anlagenarten, darunter auch die bisher noch bestens florierende Windkraft, die Dynamik des Umbaus gebrochen wird. Notwendige Anpassungsmaßnahmen, wie die Dezentralisierung der Netze und vor allem die Entwicklung und der Bau von Speichern werden ebenso verschleppt wie die Stilllegung von Kohlekraftwerken.

Eines ist derweil klar: Die Zeit ist so gut wie abgelaufen. Werden weiter so viele Treibhausgase wie derzeit emittiert, wird eine Erwärmung des Planeten um mehr als 2 Grad Celsius schon ab den 2030er Jahren so gut wie unausweichlich sein. Dabei müsste sie eigentlich sogar auf maximal 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau beschränkt bleiben, um die Stabilität der großen Eismassen auf Grönland und in der Antarktis zu sichern.

Hierzulande sollte sich die Bewegung daher weiter auf den Kampf gegen den Braunkohleabbau und die Kohlekraftwerke konzentrieren. Ein Kohleausstiegsgesetz muss her, das den Übergang bis 2030 organisiert. Darüber hinaus brauchen wir auch ein Klimaschutzgesetz, das den Rahmen für den Abbau der Emissionen in Verkehr, Industrie und Landwirtschaft absteckt. Dazu gehört natürlich auch ein sozialverträglicher Wandel, denn es werden nicht nur bei den Kraftwerken, sondern auch in der Automobilbranche unzählige Arbeitsplätze wegfallen. Arbeitszeitverkürzung und neue Branchen könnten dies auffangen, aber das eine will erkämpft und das andere organisiert sein. Nur eines ist dabei sicher: Langweilig wird es uns in den nächsten Jahrzehnten nicht werden.

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