von Peter Nowak
Der Film stellt eine Region als Ort von Kämpfen und Streiks vor, die oft mit deutschnationalen Ansprüchen konnotiert ist.
Der Titel mag manche Linke irritieren. Denn wenn es um Schlesien geht, sind oft die Vertriebenenverbände nicht weit und deren Rebellion gegen die Anerkennung von historischen Tatsachen nach der Niederlage der Nazis ist manchen noch in schlechter Erinnerung. Doch darum geht in dem Film nicht. Er ist vielmehr eine einstündige Lektion in Geschichte von unten – und das in einer Region Polens, die einmal Schlesien hieß.
Der Film beginnt mit dem Ende der Epoche, die Historiker aus Verlegenheit Mittelalter genannt haben. Mitte des 16.Jahrhunderts gab es wichtige Neuerungen im Bergbau – und massive Kämpfe der Beschäftigten. Zu Beginn erleben wir die blutige Niederschlagung der Proteste der Bergleute, das Ende spielt in den 90er Jahren, als sich erneut Lohnabhängige gegen die Abwicklung ihrer Arbeitsplätze wehren. Dazwischen liegen fast 500 Jahre Geschichte von unten am Beispiel einer Region, die einmal ein Zentrum der Arbeiterklasse war.
Abwechselnd auf Deutsch und Polnisch berichten die Chronisten von den unterschiedlichen Kämpfen. Was sich viele Jüngere vielleicht nicht vorstellen können: Es gab auch ein Leben vor dem Internet und schon damals verbreitete sich die Kunde von Streiks, Kundgebungen und Demonstrationen schnell. Dafür sorgten unter anderem Lieder, in denen die Kämpfe besungen, die Ausbeuter verspottet und der Opfer der Repression durch Staat und Polizei gedacht wurden. Wir lernen in dem Film einige dieser Lieder kennen.
Regisseur des Films, der Ende letzten Jahres in Katowice Premiere hatte, ist Dariusz Zalega. Er stößt damit auch eine Diskussion über Gedenkpolitik an. Schließlich gibt es bis heute keinen Erinnerungsort für die 17 vom Militär im Verlauf eines Streiks im Januar 1919 Ermordeten. Sie demonstrierten für Lohnerhöhungen im damaligen Königshütte, dem heutigen Chorzów, als das Militär schoss. Nun sollte sich in Deutschland bloß niemand über eine ungenügende Gedenkpolitik in Polen empören. Für die über 40 Toten, die im Januar 1920 vor dem Reichstag erschossen wurden, als Berliner Arbeiter gegen die Entmachtung der nach der Novemberrevolution gestärkten Arbeiterräte protestierten, gibt es bis heute ebenfalls keinen Erinnerungsort. Es gäbe viele Beispiele mehr.
Rebellisches Schlesischen macht an einem Landstrich deutlich, dass es eine Geschichte von Kämpfen und Revolte gibt, die durchaus nicht abgeschlossen ist. Wenn wir uns mit ihr auseinandersetzen, sollten wir uns auch fragen, ob die unabgegoltenen Forderungen von damals heute nicht immer noch aktuell sind. Eine aktuelle Beschäftigung mit der rebellischen Geschichte in Schlesien und anderswo sollte nicht bei einer Diskussion über Gedenkorte stehenbleiben Am besten erinnern wir an die damaligen Kämpfe und die daran Beteiligten, wenn wir ihre Forderungen wieder aufgreifen und daran erinnern, wie lange vor uns dafür schon Menschen auf den Barrikaden gestanden haben.
Es ist die alte Frage, woher wir kommen, wohin wir gehen. Dafür müssen wir die Kämpfe von damals kennen, dass wir mehr über die Protagonisten erfahren, ihre Träume, ihre Utopien, ihre Erfolge und Niederlagen. Deshalb sind Filme wie Rebellisches Schlesien so wichtig.
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