von Paul Michel
Heute erinnert in Albacete nur noch ein (kleines) Denkmal daran, welche Bedeutung dieser Ort im spanischen Bürgerkrieg hatte. Seit dem 14. Oktober 1936, als die ersten internationalen Freiwilligen dem Ruf «¡A las armas!», «Zu den Waffen!» folgend hier ankamen, glich die Stadt einem aufgewühlten Ameisenhaufen, wie André Malraux in seinem berühmten Roman Die Hoffnung schreibt.
Die Stadt mit ihren damals 42000 Einwohnern brachte einige Vorteile mit sich, die sich auch günstig auf die Aufstellung der Internationalen Brigaden auswirken sollten: Es gab eine Eisenbahnanbindung, einen kleinen Flugplatz, vor allem aber die riesige Kaserne der Guardia Nacional. Albacete war eine Stadt im Hinterland, nicht zu weit entfernt von der Zentralfront.
Albacete
Am 27. September 1936 beschloss das Präsidium der Komintern, die spanische Republik mit einem bewaffneten Freiwilligenkorps zu unterstützen. Am 22.Oktober wandten sich auf Anraten von José Díaz, dem Generalsekretär der PCE, der Italiener Luigio Longo, der Pole Stefan Wisniewski und der Franzose Pierre (Philippe) Rebiére wegen der Aufstellung von Internationalen Brigaden an Manuel Azaña, den Präsidenten der spanischen Republik, und an dessen Ministerpräsidenten Largo Caballero. Letzterer war mehr an Waffen als an Männern interessiert, eine Meinung, die auch das Verteidigungsministerium und der Generalstab teilten. Schließlich aber stimmte er zu und schickte die Abgesandten der Komintern nach Albacete.
Was folgte, war eine der erstaunlichsten Leistungen der Militärgeschichte. Innerhalb kürzester Zeit entstand, wie Luigi Longo – unter dem Namen «Gallo» Generalinspekteur und Generalkommissar der Internationalen Brigaden – später schrieb, «eine Militärorganisation aus dem Nichts.» Buchstäblich eine Handvoll Männer schaffte es in wenigen Tagen, nicht nur ein Verwaltungszentrum mit Stab, Ausbildungssektor, Intendanz, Personalabteilung, Post- und Zensurdienst, Sanitätsdienst, Presse, Abwehrabteilung usw. aufzubauen, sondern auch die erste bewaffnete Einheit zu formieren, die schon am 4.November an die Front von Madrid ging.
Geleitet wurde das Ganze zum einen durch ein Organisationskomitee – mit den Italienern Giuseppe Di Vittorio (Nicoletti) und Luigi Longo (Gallo), dem Deutschen Hans Kahle und dem französischen Arzt Jacob Kalmanovitch (Calman); zum anderen durch ein Militärkomitee unter dem Vorsitz der Franzosen André Marty und Vidali Gayman (Vidal). Letzterer war zunächst Stabschef, dann der erste Kommandant der neu geschaffenen «Base orgánica de las Brigadas Internacionales» in Albacete.
Die Freiwilligen erreichten Spanien zumeist über Frankreich, wo die PCF mit Hilfe der Gewerkschaft CGT in Paris, in der Rue Lafayette, ein Rekrutierungsbüro eingerichtet hatte, das u.a. die Transporte nach Spanien organisierte. Ihre Wege nach Spanien waren häufig abenteuerlich. Der erste Sammelpunkt war in der Regel die alte Festung der Stadt Figueras, von wo aus sie zu einer kurzen Ausbildung und Eingliederung in die militärischen Einheiten nach Albacete geschickt wurden.
Organisation und Zusammensetzung
Die erste aufgestellte Brigade – gemäß der Nummerierung der Einheiten der Spanischen Volksarmee die XI.Internationale Brigade – kommandierte Manfred Stern (General Kléber). Sie bestand ihre Feuertaufe in der Schlacht um Madrid gegen Francos Truppen und deren marokkanische Söldner mit Bravour, erlitt jedoch erhebliche Verluste. Am 9.November griff auch die XII.Internationale Brigade, kommandiert vom ungarischen Schriftsteller Máté Zalka («General Lukacz»), in die Kämpfe um Madrid ein
Mit dem Aufbau der XIII.Brigade wurde der Deutsche Wilhelm Zaisser (General Gómez), ein erfahrener Weltkriegsoffizier, betraut, die XIV.Internationale Brigade kommandierte der Pole Karol Swierziewski unter dem Kampfnamen «General Walter», die XV.Brigade führte der Ungar János Galicz («General Gal») an. Im März 1937 entstand die 86. Brigada Mixta (Gemischte Brigade), deren Kommandeure der Italiener Aldo Morandi und der Deutsche Ernst Dudel waren. Viel später, nämlich im Dezember 1937, entstand dann noch die von dem Polen Wacek Komar geführte 129.Internationale Brigade. Nicht vergessen werden dürfen die vierinternationalen Artillerieeinheiten, die über Flug- und Panzerabwehrbatterien sowie schwere Artillerie verfügten.
Den Internationalen Brigaden gehörten auch Spanier an, Rekruten und Freiwillige. Damit wurde die Zugehörigkeit der Brigaden zur Spanischen Volksarmee unterstrichen, sollte der Kontakt zum spanischen Volk enger gestaltet werden. Zudem konnten die Spanier von den Erfahrungen der ausländischen Freiwilligen, die vielfach an den verschiedenen Fronten des Ersten Weltkriegs gekämpft hatten, profitieren. Ab Sommer 1938, als kaum noch Freiwillige nach Spanien kamen, bestanden die Internationalen Brigaden zu über 80% aus Spaniern.
Über die Anzahl der Interbrigadisten gibt es keine absolut zuverlässigen Angaben. Man darf wohl von maximal 35000 ausgehen – eine relativ niedrige Zahl, wenn man bedenkt, dass die republikanische Armee 1938 etwa 450000 Personen umfasste. Die franquistische Propaganda fabulierte, um ihren antikommunistischen «Kreuzzug» und die deutsche und italienische Hilfe zu legitimieren, von hunderttausend Ausländern, die auf der Seite der «Roten» kämpfen würden.
Das größte Kontingent unter den Brigadisten stellten die Franzosen mit rund 9000 Personen. Etwa 2800 Deutsche und 1400 Österreicher, 3000 Polen, 3000 Italiener, 1800 Briten, 1600 Belgier, 1660 Jugoslawen, 1500 Tschechoslowaken und 2800 US-Amerikaner kämpften in den Internationalen Brigaden. Besonders hoch motiviert waren die Menschen aus jenen Ländern, in denen mittlerweile Faschisten an der Macht waren. Deutsche und italienische Emigranten, vertrieben aus ihrer Heimat, sahen die Chance gekommen, direkt mit ihren Feinden den Kampf aufzunehmen. Der frühere KPD-Reichtagsabgeordnete Hans Beimler, der am 1.Dezember 1936 vor Madrid fiel, wird mit dem Satz zitiert: «Der Weg nach Berlin führt über Madrid.»
Durch ihre Tapferkeit und ihren Enthusiasmus wurden die Interbrigadas quasi zu Eliteeinheiten der Volksarmee. Sie kämpften an allen Fronten des Spanischen Kriegs, an der Zentralfront um Madrid, an der Córdoba-Front, am Jarama und Guadalajara, um Brunete und Teruel, am Ebro und in Aragón. Oft wurden sie an den gefährlichsten Abschnitten der Front eingesetzt. Dementsprechend hoch waren die Verluste: Wilhelm Zaisser schrieb in seiner Funktion als Kommandant der Basis in Albacete am 31.März 1938 an das spanische Kriegsministerium, es gebe 31369 Freiwillige, von denen 4575 gefallen, 5740 vermisst und 2361 verwundet seien.
Die Schwächung der Brigaden
Waren die Internationalen Brigaden während der Kämpfe um Madrid Ende 1936 noch in aller Munde, so wurde ab der zweiten Hälfte 1937 die offizielle Berichterstattung deutlich heruntergefahren. Das hing damit zusammen, dass die republikanische Regierung ab Mitte 1937 den Kampf gegen Franco als Kampf für «nationale Unabhängigkeit» darstellte. Da passten die Internationalen Brigaden nicht ins Bild.
Es stellt sich überdies die Frage, inwiefern die überwiegend kommunistischen Internationalen Brigaden in die Repression der Stalinisten gegen Anarchisten und die POUM verwickelt waren. Das scheint – auch nach Ansicht von Andy Durgan, einem wichtigen Historiker mit deutlichen Sympathien für die POUM – gar nicht oder nur in geringem Maße der Fall gewesen zu sein. Zwar war auch die Presse der Internationalen Brigaden voll von den üblichen antitrotzkistischen Hetztiraden. Die Internationalen Brigaden richteten auch einen «Kontroll- und Sicherheitsdienst» ein, mit denen sie Abweichler in den eigenen Reihen ausfindig zu machen suchten. Letzten Endes richteten sich ihre Strafaktionen aber überwiegend gegen Verstöße gegen die militärische Disziplin und Deserteure in den eigenen Reihen: Nach den verlustreichen Schlachten von Brunete und Teruel, bei denen des öfteren Einheiten der Internationalen Brigaden verheizt worden waren, war die Kampfmoral deutlich gesunken. Es kam häufiger zu Befehlsverweigerungen und Fahnenflucht.
Das Ende
Im Verlauf des Jahres 1937 machten sich die schweren Verluste bei den Brigaden bemerkbar. Viele Einheiten waren kaum noch kampffähig. Zudem ließ der Zustrom von neuen Freiwilligen aus dem Ausland nach.
Ab Juni 1938 verringerte die Sowjetunion ihre Unterstützung für die spanischen Republik. Es häuften sich jetzt die Signale, dass Moskau um eine Verbesserung der Beziehungen zu Hitlers Regime bemüht war. Intern sprach man in der sowjetischen Hauptstadt davon, dass die Internationalen Brigaden eigentlich keinen Sinn mehr machten. Sie hätten ihre Stellung als Elitetruppen der republikanischen Armee verloren. Entsprechend wurde ein Abzug der Internationalen Brigaden ins Auge gefasst. Die Initiative dafür kam aber vom spanischen Ministerpräsidenten Juan Negrín. Er erklärte am 21.September – während die entscheidende Schlacht am Ebro tobte – vor dem Völkerbund in Genf den Abzug der Internationalen Brigaden in der Hoffnung, dass Franco mit den deutschen und italienischen Truppen ähnlich verfahren würde.
Doch dieser letzte verzweifelte diplomatische Versuch stieß bei Franco auf taube Ohren. Am 28.Oktober 1938 versammelten sich die Internationalen Brigaden zu einer eindrucksvollen Abschiedsparade. Unter Jubel und Beifall wurden sie im November von 300000 Spaniern in Barcelona verabschiedet. Als Franco zum Jahreswechsel 1938/39 eine Großoffensive startete, wurden Ende Januar die noch in Spanien verbliebenen internationalen Freiwilligen ein letztes Mal in die Kämpfe einbezogen. Dieser Einsatz konnte das Vordringen der franquistischen Armee nicht mehr aufhalten, sicherte aber die Flucht der Zivilbevölkerung nach Frankreich.
Viele der diesem Text zugrundeliegenden Informationen sind einem Artikel («A las armas! An die Waffen!») von Werner Abel im Neuen Deutschland vom 15.10.2016 entnommen. Werner Abel wird in einer der nächsten Ausgaben der SoZ einen Artikel zum «Innenleben» und der «politischen Ausrichtung» der Internationalen Brigaden veröffentlichen.
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