von David Stein
Als die internationale Finanzkrise vor neun Jahren die Finanzmärkte in Bedrängnis brachte, haben Regierungschefs und Finanzminister, Finanzmarktaufsichtsbehörden, sogar die Banken selbst weltweit und unisono gelobt, die Lehren aus diesen durch mangelnde Regulierung beschleunigten Verwerfungen zu ziehen. Dabei haben sie sich für einen strikteren Regulierungsrahmen ausgesprochen, um kommende Finanzkrisen zu vermeiden.
Bei den Versprechungen ist es geblieben; umgesetzt wurde seither nicht genug. Von der Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanken redet in der EU niemand mehr, die Regelungsvorschläge über die Reduktion der maßlosen Gehälter und Boni gerade im Investmentbanking sind in den parlamentarischen Verfahren der EU-Mitgliedstaaten versackt.
Einen weiteren traurigen Höhepunkt hat diese defizitäre Regulierung nunmehr bei der Frage schärferer Eigenkapitalanforderungen erreicht. Banken, die mit fremdem Geld ihre Geschäfte finanzieren, haben angemessene Eigenmittel aufzuweisen, um ihren Verpflichtungen gegenüber ihren Gläubigern, insbesondere den Einlegern nachkommen zu können. Gerade die Kanzlerin hatte sich in internationalen Foren (G20) für eine strengere Eigenkapitalunterlegung ausgesprochen. Mehr Eigenkapital ist mit mehr Kapitalkosten verbunden und wirkt deshalb als Risikopuffer für ein expansives Aktivgeschäft.
Internationaler Standardsetzer für die Frage der Qualität, Quantität und Transparenz der Eigenkapitalunterlegung ist der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht, der derzeit Anpassungen der internationalen Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung für Banken diskutiert (sie stellen als «Basel IV» eine Ergänzung zu «Basel III» dar, das bereits in eine EU-Richtlinie gegossen wurde). Der Ausschuss und die in ihm vertretenen Notenbanken und Aufsichtsinstitutionen der wichtigsten Industriestaaten wollten am 8.Januar 2017 über diesen neuen Anpassungen endgültig beschließen. Im Kern ging es dabei darum, alte Basel-Regelungen teilweise zu korrigieren. Diese um die Jahrhundertwende zu Zeiten der neoliberalen Expansion der internationalen Finanzindustrie geschaffenen Regelungen (Basel II) gestatteten den Banken, die Kreditrisiken der von ihnen betriebenen Geschäfte über interne Risikomodelle selbst zu bewerten, was dann in die erforderliche Eigenkapitalunterlegung einfließen konnte. Nach einer Untersuchung des Basler Ausschusses haben interne Risikomodelle der Banken oftmals das Kleinrechnen von Risiken ermöglicht. Deshalb wollte sich der Basler Ausschuss wieder stärker für einen Standardansatz aussprechen, der für alle Banken in gleicher Art und Weise gilt.
Zum Beschluss des Basler Ausschusses über den finalisierten Text ist es nun durch die Blocklade Deutschlands nicht gekommen. Dieser hat auf Druck der Bundesregierung, der Bundesbank, der deutsche Bankenaufsicht (BaFin) und der deutschen Bankenlobby quasi 5 vor 12 erklärt, dass er mehr Zeit braucht, um die Standards zu finalisieren. Deutsche Regulatoren und Lobbyisten brachten die Befürchtung zum Ausdruck, die neuen Regeln für Banken könnten mehr schaden als nützen.
Der Basel-Beschluss ist damit zunächst aufgrund des deutschen Vetos suspendiert. Die wahren Gründe für die Blockade sind andere. Nach Berechnungen der Finanznachrichtenagentur Bloomberg wären die Deutsche Bank und die Commerzbank besonders stark von dem strikteren Regulierungsansatz betroffen gewesen – darüber hinaus drängt sich die Frage auf, ob die beiden angeschlagenen Banken die höheren Anforderungen hätten überhaupt stemmen können. Deshalb hat die deutsche Politik – internationale Finanzmarktkrise und internationale Standards gegen Zockerei der Banken hin oder her – sich wieder zur Interessenvertreterin «ihrer Banken» gemacht, damit diese auf dem internationalen Parkett weiter mitspielen können, egal welche Risiken daraus erwachsen, für die dann wieder der Staat einzustehen hat.
So sehen also die Lehren aus der Finanzmarktkrise aus, von denen sich die deutsche Politik leiten lässt.
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