von Ute Abraham
Eine der Krisenerscheinungen ist, dass Gewalt gegen Frauen zunimmt – auch in Deutschland. Zahl und Ausstattung der Frauenhäuser reichen hinten und vorne nicht.
Das wichtigste Anliegen der neuen Frauenbewegung der späten 60er Jahre war, dass das Private politisch ist. Dass Ungleichheit zwischen Frau und Mann der Ausdruck eines tief verwurzelten, alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens umfassenden Herrschaftssystems ist.
Das Thema Gewalt gegen Frauen, bis dahin absolutes Tabuthema, wurde öffentlich. Aber die Frauen wollten nicht nur reden sondern auch handeln. Inspiriert wurden sie von einem Projekt in Westeuropa – einer Frauenbegegnungsstätte im britischen Chiswick. Dort hatte die Kommune Räume für eine Frauenbegegnungsstätte zur Verfügung gestellt, die so viele Frauen mit Gewalterfahrungen anzog, dass schon bald neue Räume gefunden werden mussten.
In Westdeutschland konnten die ersten Türen von Frauenhäusern im Jahr 1976 in Berlin und Köln geöffnet werden – nach vielen Aktionen und Debatten. Der Sozialdezernent von Köln war damals noch der Meinung, dass man die wenigen schlagenden Männer «in einer Schubkarre wegfahren» könne. Solche Sprüche kreisen heute höchstens noch über die Stammtische Unbelehrbarer.
Das Ausmaß häuslicher Gewalt ist dennoch nicht im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit. Dabei kommen «auf jeden toten Zivilisten in Kriegsgebieten ungefähr neun Menschen, die in zwischenmenschlichen Streitigkeiten getötet werden», schreiben Wissenschaftler der Universität Oxford und Stanford in einer Studie von 2014, die sich mit den wirtschaftlichen Folgen von Gewalt und kriegerischen Auseinandersetzungen befasst. Sie kommen zu dem überraschenden Ergebnis, dass häusliche Gewalt mit Abstand am teuersten ist und pro Jahr weltweit Schäden in Höhe von etwa 7 Billionen Dollar verursacht, damit 50mal mehr als Bürgerkriege.
40 Jahre nach der Eröffnung der ersten beiden Frauenhäuser organisierte die Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser eine Reise durch alle Bundesländer um zu zeigen, dass die Frage, ob von Gewalt betroffene Frauen mit ihren Kindern schnellen und unbürokratischen Schutz in einem Frauenhaus erhalten können, entscheidend davon abhängt, in welchem Bundesland sie leben.
Die Empfehlung lautet: ein Frauenhausplatz für 7500 Einwohner – sie wird gerade mal in zwei Bundesländern umgesetzt. In einigen Bundesländern gibt es so viele «weiße Flecken» auf der Landkarte, dass ein Zugang zu Schutz und Unterstützung faktisch nicht gegeben ist. Die Frauenhäuser in den Großstädten platzen hingegen aus allen Nähten. Mittlerweile übertrifft die Zahl der abgewiesenen Frauen und Kinder die Zahl der angenommenen erheblich. Sie stehen auf der Warteliste in der Hoffnung, dass sie die Zeit heil überstehen.
Aber nicht nur Platzmangel ist das Problem. 90% der Frauenhäuser sind entweder gar nicht oder nur eingeschränkt barrierefrei. Inklusion findet also so gut wie nicht statt, obwohl Frauen mit Beeinträchtigungen wesentlich häufiger von Gewalt betroffen sind.
Der Mangel an Räumen und deren Ausstattung sowie der Personalmangel, der sich durch vielfältige Veränderungen ergeben hat, haben eine Ursache. Auch 40 Jahre nach der Eröffnung der ersten Frauenhäuser fehlt es an einer bundeseinheitlichen, kostendeckenden Finanzierung bedarfsgerechter Angebote. Lediglich in den Bundesländern Berlin, Hamburg, Schleswig-Holstein und in einigen Kommunen werden im Einzelfall unabhängige Zuschüsse gezahlt. Der größte Teil finanziert sich über Tagessätze. Frauen, die keine Ansprüche auf Transferzahlungen haben, wie z.B. Migrantinnen mit unsicherem Aufenthaltsstatus, Auszubildende oder Frauen aus anderen EU-Ländern, schließt dieses System aus.
40 Jahre hat es am politischen Willen aller Regierungen gefehlt, wirksame Strategien zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und einen kostenlosen und unbürokratischen Zughang zu Schutz und bedarfsgerechter Unterstützung für alle von Gewalt betroffenen Frauen und Kindern zu entwickeln. Nicht nur im Wahljahr 2017 sollten dafür Frauen wieder gemeinsam handeln und ein Megafon in die Hand nehmen.
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