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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2017
Die Erwerbsarbeitszeit von Männern und Frauen driftet auseinander
von Ute Abraham

Die Erwerbsarbeitszeit ist ein entscheidender Faktor für die Gleichstellung von Frau und Mann. Vermittelt über das daraus erzielte Einkommen entscheidet sich, ob Frauen über eine eigene Existenzsicherung verfügen und, davon abgeleitet, eine eigenständige Absicherung bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und im Alter.

Vergleicht man die Erwerbsarbeitszeit von Frauen und Männern, ergibt sich eine Lücke von 9 Stunden in der Woche. Damit gehört Deutschland zu den Ländern Europas mit der größten geschlechtsspezifischen Arbeitszeitlücke. Diese Arbeitszeitlücke hat sich zwischen 1991 und 2001 um 30% vergrößert und stagniert seit dieser Zeit. Etwa ein Viertel der Frauen arbeitete 1991 zwischen 15 und 30 Stunden pro Woche. Bis zum Jahr 2013 ist der Anteil um ein Drittel gestiegen. Besonders stark nahm dabei der Anteil bis zu 20 Wochenstunden zu. 30% aller beschäftigten Frauen arbeiten in dieser Arbeitszeitgruppe.

Die größere Anzahl teilzeitbeschäftigter Frauen ging mit einem Verlust von Vollzeitbeschäftigten einher. In Jahr 2001 gab es noch knapp 7,5 Millionen vollzeitbeschäftigte Frauen, 2014 waren es eine Million weniger.

Im gleichen Zeitraum haben sich auch die Arbeitszeiten von Männern geändert. Zwei Drittel arbeiteten im Jahr 2013 41 Stunden und mehr. Gleichzeitig stieg ihr Anteil an den Teilzeitbeschäftigten (max. 31 Stunden) von 2% auf 10% im Jahr 2013.

 

Teilzeit verhindert Karrieren

Die Gründe, warum in Teilzeit gearbeitet wird, sind unterschiedlich. Als Hauptgrund gaben Männer an, dass sie keine Vollzeitstelle bekommen haben. 26% reduzierten ihre Arbeitszeit wegen Ausbildung oder Studium. Frauen entscheiden sich dagegen für die Familie. Hauptgrund Nr.1: Sie sieht sich in der Pflicht, wegen der Betreuung der Kinder oder pflegebedürftiger Angehörige, die Arbeitszeit zu verkürzen.

Im beruflichen Werdegang behindert Teilzeit eine berufliche Qualifizierung und vor allem Aufstiegschancen. Leitungsposition in Teilzeit sind so gut wie unmöglich. Ihr Anteil lag zuletzt bei knapp 11%, in gehobenen Führungspositionen bei nur 6,5%. Wer seine Arbeitszeit vereinbarkeitsorientiert gestalten will, schadet seiner Karriere, belegt eine Studie. Das trifft auch auf Männer zu, die mehr als zwei Monate Elternzeit nehmen.

Von Chancengleichheit im Erwerbsleben kann also keine Rede sein – von Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männer auch nicht, wenn die Verantwortung für Kinder, Haushalt, Pflege weiterhin einseitig verteilt ist.

 

Das deutsche Jobwunder

Rund 43,4 Millionen waren 2016 erwerbstätig – so viel wie noch nie seit der Wiedervereinigung, jubelte die Bundesregierung zu Beginn des Jahres. «Ökonomisch gesehen herrscht in Gegenden Deutschlands jetzt Vollbeschäftigung», hieß es in der Welt.

Bei den 4343441 Personen, die Anfang 2017 Arbeitslosengeld II bezogen, verhallte der Jubel ziemlich schnell. Hinzu kommt der Rückgang der klassischen Vollzeitbeschäftigung, verbunden mit einem enormen Ausbau der Arbeit in Teilzeit. Da bleibt auch vom Jobwunder nicht mehr viel übrig. Ausschlaggebend für die wundersame Vermehrung der Arbeitsplätze war aber vor allem der Ausbau des Niedriglohnsektors – eine versteckte Arbeitszeitreduzierung durch den Arbeitgeber. Da ist der Fantasie keine Grenze gesetzt. Der Einsatz von Solo-Selbständigen, kapazitätsorientierte variable Arbeitszeiten (Kapovaz) oder Werkverträge sind Beispiele dafür, wie Beschäftigte an den Rand des Existenzminimums getrieben oder auf olympische Höchstleistungen getrimmt werden.

 

Der Grau- und Schwarzbereich

Fast jede zweite Frau arbeitet in Teilzeit, 5,3 Millionen davon hatten ausschließlich einen Minijob, eine besonders prekäre Form weiblicher Teilzeitbeschäftigung mit hohem Missbrauchspotenzial.

Knapp die Hälfte aller Minijobberinnen erhält noch nicht mal den gesetzlichen Mindestlohn. Viele arbeiten in haushaltsnahen Bereichen, einem Sektor mit hoher Dunkelziffer. Es ist der Bereich der Migrantinnen. Hier findet die Neuverteilung der Arbeit global und unter Frauen statt. Mit ihrer preiswerten Hausfrauenarbeit halten sie auch die Illusion emanzipierter Paare aufrecht, in einer gleichberechtigten Welt zu leben. Die unbezahlte Arbeit im Haushalt, im Garten oder am Pflegebett übernehmen Zugewanderte. Was vor hundert Jahren das proletarische weiße Dienstpersonal war, dann für einige Jahrzehnte fast verschwunden schien, kehrt in neuer Gestalt der dienstleistenden Migranten und mehrheitlich Migrantinnen zurück.

Die Große Koalition hatte sich die faktische Gleichstellung von Männern und Frauen im Erwerbsleben zu Beginn ihrer politischen Tätigkeit auf die Fahnen geschrieben. Sie verweist auf den Ausbau der Infrastruktur, das neue Entgeltsicherungsgesetz und die zukünftige Möglichkeit der Rückkehr von Teilzeitbeschäftigten in einen Vollzeitjob. Das ist natürlich mehr als nichts. Sie löste damit jedoch eher Probleme der Vergangenheit.

Auch der DGB hat zum Internationalen Frauentag nicht viel mehr zu sagen. Das wichtigste Instrument, die Verteilung der Erwerbsarbeitszeit – was nur eine radikale Arbeitszeitverkürzung sein kann –, bleibt auch in der Zukunftsdebatte über die Arbeitswelt 4.0 außen vor.

Die CEDAW-Allianz, ein Zusammenschluss verschiedenster Frauenorganisationen, deren gemeinsames Ziel die Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen zur «Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau» ist, kommt in ihrer Befassung mit dem Bericht der Bundesregierung zu diesem Übereinkommen zu einem anderen Ergebnis als diese. Sie kritisiert, dass die Bundesregierung keine zielorientierte Gleichstellungspolitik verfolgt hat. Zum Thema Erwerbsleben und Zeit stellt die CEDAW-Allianz fest: Es bedarf einer deutlichen Verkürzung der täglichen Erwerbsarbeitszeit mit Lohn- und Personalausgleich für alle Beschäftigten.

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