von Bernard Schmid
Ursprünglich galt die Präsidentschaftswahl vom 1.Dezember 2016 im westafrikanischen Gambia als abgekartetes Spiel. Nur der seit 1994 autokratisch regierende Präsident Yayha Jammeh könne gewinnen.
Unter Jammeh gab es Tausende Verschwundene. Anfang der 2000er Jahre hatte sich Gambia zur «Islamischen Republik» erklärt und die Sharia als Grundlage des Strafrechts eingeführt; von Stund an wurden vielfach Körperstrafen verhängt. Selbst Die Welt kritisierte deshalb die Forderung des baden-württembergischen Innenministers Thomas Strobl (CDU), Gambia zum «sicheren Herkunftsstaat» zu erklären. Gemessen an der Bevölkerungszahl von unter 2 Millionen «produziert» das flächenmäßig kleine Land neben Eritrea – dem «afrikanischen Nordkorea» – die meisten Flüchtlinge aus afrikanischen Staaten.
Nach den Wahlen wurde überraschend der Oppositionspolitiker Adama Barrow offiziell zum Sieger erklärt, und Jammeh erkannte seine Niederlage sogar an. Dadurch zeichnete sich nach 23 Jahren ein Machtwechsel ab. Barrow war nicht wegen seines Programms oder seiner Versprechen gewählt worden, sondern wegen der Hoffnung, er werde der Regentschaft des brutalen Exzentrikers Jammeh endlich ein Ende setzen.
Wenige Tage später behauptete Jammeh dann jedoch, die Wahlergebnisse seien zu seinen Lasten gefälscht worden. Er berief sich darauf, sein Land – das am 25.Oktober 2016 seinen Austritt aus dem Internationalen Strafgerichtshof erklärt hatte und darin der Diktatur in Burundi und der Regierung Südafrikas folgte – solle angeblich von seiner Unbotmäßigkeit abgebracht werden. Dies wurde auch in Europa eifrig von verschwörungstheoretisch orientierten Webseiten aufgegriffen. Selbst in eher linken Webpublikationen in Frankreich fand sich dazu – mit Verlaub – elender Schrott, etwa von linksnationalistisch angehauchten kamerunischen Anwälten, die den armen Diktator Yahya als Opfer einer imperialistischen Verschwörung hinstellen.
Jammeh verkündete am Abend des 10.Dezember, er rufe die Justiz gegen die angebliche Wahlfälschung an, zugleich häuften sich Gerüchte über Putschvorbereitungen innerhalb der Armee. Am Montag, dem 12.Dezember, erklärte der Kommissionspräsident der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS), Marcel de Souza, es sei nicht ausgeschlossen, dass die Staatengruppe in Gambia interveniere, um Jammeh zur Machtübergabe zu zwingen.
Zur Machtübertragung wesentlich beigetragen hat dann der, in postkolonialer Tradition circa alle zwei Jahre stattfindende, Frankreich-Afrika-Gipfel, der diesmal am 13. und 14.Januar in Bamako, der Hauptstadt Malis, stattfand. Der Gipfel wollte den Vorgängen in Gambia nicht tatenlos zusehen. Das kleine englischsprachige Gambia zählt nicht zur französischen Einflusszone, die faktisch einen eigenen Staatenclub bildet. Dies hat es den am Gipfel beteiligten Staats- und Regierungschef sicherlich leichter gemacht, den Diktator in Gambia fallen zu lassen, da er sozusagen nicht Mitglied des Clubs war.
Anstelle des abgehalfterten Yayha Jammeh wurde dessen gewählter Nachfolger, Adama Barrow, als Gipfelgast nach Bamako eingeladen. Von dort flog er zunächst nicht in sein Land zurück, sondern nach Dakar, in die Hauptstadt des Senegal, das Gambia von drei Seiten her umschließt. Am 19.Januar leistete er dort seinen Amtseid. Kurz zuvor war sein achtjähriger, in Gambia zurückgebliebener Sohn von Pitbulls zerfleischt und getötet worden, die Yayha Jammeh gehören.
In der Nacht zum 21.Januar erklärte sich Yayha Jammeh bereit, sein Land zu verlassen. Kurz zuvor hatten Truppen der beiden westafrikanischen Staaten Senegal und Nigeria rund um Gambia Stellung bezogen. An jenem Samstag flog Jammeh dann tatsächlich ins Exil – in die Erdöldiktatur Äquatorialguinea, eine frühere spanische Kolonie. Senegalesische Soldaten zogen in Gambias Hauptstadt Banjul ein, wo zahlreiche Menschen ihnen zujubelten und den Abgang Jammehs feierten. Jammeh soll rund 11 Millionen Euro aus der gambischen Staatskasse ins Exil mitgenommen haben. Für das arme Gambia ist das eine riesige Summe.
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