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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2017

Keine Einigkeit bei der Regulierung von Finanztechnologieunternehmen
von David Stein

Deutschland hat in diesem Jahr den Vorsitz in den G20. Das Thema Digitalisierung und deren Gestaltung soll eines der finanzpolitischen Schwerpunkte der deutschen G20-Präsidentschaft sein.

Der Digitalisierung im Finanzsektor billigen die G20 ein hohes Potenzial zur Erreichung finanzieller Teilhabe («financial inclusion») zu, insbesondere für die Menschen auf dem Globus, die, wie in Teilen Afrikas, keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen haben. Finanzielle Inklusion soll dazu beitragen, «das Wirtschaftswachstum zu fördern und die Ungleichheit zu verringern».

Hierzu veranstalteten Ende Januar im Schloss Biebrich in Wiesbaden das Bundesfinanzministerium und die Bundesbank eine G20-Konferenz. Sie endete ohne greifbare Ergebnisse. Die USA waren nicht der einzige wichtige G20-Staat, der auf der Konferenz nicht in Erscheinung trat. Auch die VR China und Frankreich waren nicht anwesend. Das ist ein deutliches Indiz dafür, dass mit einem Konsens über den regulatorischen Umgang mit der Digitalisierung und der finanziellen Inklusion auch am Ende der deutschen G20-Präsidentschaft nicht zu rechnen ist.

Nach Schätzungen des UN-Generalsekretärs für finanzielle Inklusion und Entwicklung haben weltweit über zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu Finanzdienstleistungen. Selbst in den USA oder Europa haben 500 Millionen kein Konto oder keine Möglichkeit, einen Kredit aufzunehmen oder eine Versicherung abzuschließen.

Mikrokredite sollten ab den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts Teilhabe an der Wirtschaft und Armutsbekämpfung sichern. Die Grameen-Bank und Nobelpreisträger Mohammed Yunus wollten in Südasien Mikrokredite mit einer «einkommenschaffenden Tätigkeit» verkoppeln. Dies Konzept galt als Hoffnungsstrahl, Frauen zu «ermächtigen». Es ist gründlich gescheitert. Die kommerzielle Vergabe von Mikrokrediten gegen satte Zinsen entpuppte sich als Mittel neoliberalen Armutsmanagements. Die zentrale Fehlannahme dabei war, dass arme Frauen Minidarlehen gleich produktiv investieren könnten. In Wahrheit mussten die Kredite für das tägliche Überleben eingesetzt werden. Dadurch stieg die Verschuldung sogar. Die ökonomischen Machtstrukturen, die Armut erzeugen, blieben unberührt und konnten Ausgrenzung nicht verhindern. Nachdem dieses Modell im Jahr 2010 für die betroffenen Kreditnehmer und aufgrund der damit verbundenen Stabilitätsrisiken in diesen Ländern endgültig gescheitert war, gibt es bei der Versorgung der Bevölkerung mit Krediten in Afrika oder Asien keinerlei Verbesserungen zu vermelden.

Fortschritte bei der finanziellen Inklusion sind seither nur im Bereich des Zahlungsverkehrs feststellbar: Inzwischen ist es auch in Regionen, aus denen sich Banken mangels Profitabilität längst zurückgezogen haben, inzwischen möglich, Gelder an einen Empfänger bargeldlos zu transferieren («Remittance Services»). Länder wie Kenya gelten dabei als Hype. Dort ist der Anteil der Menschen, die solche Transferdienste nutzen können, von 42% im Jahr 2011 auf 75% im Jahr 2014 gestiegen. Auf globaler Ebene erhöhte sich diese Quote im selben Zeitraum von 51% auf 61%.

Dahinter steckt jedoch vielfach kein Zugang zu klassischen Konten und der damit verbundenen breiten Dienstleistungspalette, wie wir sie von Banken kennen. Das Modell ist erheblich schlichter: In Verbindung mit der zunehmenden Verbreitung von Mobiltelefonen und der Schaffung von Mobilfunknetzen können junge Finanztechnologieunternehmen (FinTechs) bestehende Mobilfunknetze nutzen, um bar eingezahlte Gelder elektronisch von A nach B zu transferieren und dann an den Empfänger bar auszuzahlen.

 

Was sind FinTechs?

Fakt ist, dass sogenannte FinTechs aufgrund der dynamischen Entwicklung bei der Informations- und Kommunikationstechnologie im Prinzip ebenso wie der herkömmliche Bankensektor imstande sind, bestimmte digitale Finanzdienstleistungen zu erbringen. Solche technischen Umwälzungen, wie etwa das Online-Banking, finden bereits bei Banken selbst statt. Sie haben weltweit zu einem signifikanten Abbau von Arbeitsplätzen im Bankensektor geführt.

Dieser Prozess hat auf der Anbieterseite neue Konkurrenten entstehen lassen, die im Wettbewerb zu Banken weltweit nicht mehr nur technische Portale zu Dienstleistungen von Banken (etwa Smartphone-Apps) anbieten, sondern auch imstande sind, die Abwicklungskette der Dienstleistung vollständig zu erbringen. Dies gilt insbesondere für den elektronischen Zahlungsverkehr. Auch Google und Apple sind im Begriff, in diesen Markt einzudringen, wobei es diesen beiden Tycoons sicherlich nicht darum geht, als Zahlungsdienstleister mitzumischen – hier sind die Margen im Vergleich zum bisherigen Geschäftsfeld beider Unternehmen gering. Der Zahlungsverkehr schafft aber über den Einsatz von Kredit- und Zahlkarten enorme Datenmengen (Big Data) und Profile über das Nutzungs- und Konsumverhalten des Kunden, die auch außerhalb der Zahlungsdienstleistungen profitabel genutzt und an Dritte weiterveräußert werden können.

Neben der Umwälzung der Infrastruktur für die Abwicklung von Zahlungen und Wertpapieren bietet die Digitalisierung  im Prinzip die Möglichkeit, Investitionsvorhaben zu realisieren, die den traditionellen Banken zu riskant oder zu klein wären. Über Online-Plattformen kann die Kreditsumme bei verschiedenen Adressen eingesammelt und ohne Zwischenschaltung von Banken an den Kreditnehmer weitergereicht werden (Crowdfunding).

Dabei haben FinTechs in vielen Staaten mehr regulatorischen Freiraum als traditionelle Banken, obwohl ihr Geschäft dieselben Risiken aufweisen kann wie das der Banken. Da Gefahren für die Finanzstabilität nicht auszuschließen sind, fahren die Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) derzeit – im Vergleich zu vielen G20-Staaten wie Großbritannien oder die USA – einen eher restriktiven Kurs. Deutschland will in den G20-Staaten eine Reihe gemeinsamer Kriterien für die regulatorische Behandlung von FinTechs entwickeln. FinTechs sollen ihre Geschäftsmodelle nicht auf regulatorischen Schlupflöchern aufbauen, Staaten sollen FinTechs nicht mit einer laxen Regulierung anziehen. Der deutsche Appell ist selbst in vielen G20-Staaten bisher ohne Resonanz geblieben.

 

Die Laus im Pelz

Hinzu kommt, dass FinTech-Freunde, wie etwa Jens Spahn, der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, auch im Bundestag und in der Bundesregierung sitzen – zum Missfallen der etablierten Banker. Auch der frühere Staatsekretär und Ex-EZB-Direktor Jörg Asmussen ist wieder mit von der Partie. Er ist Aufsichtsrat der Kreditplattform Funding Circle, eines der weltweit größten FinTechs. Das Unternehmen vermittelt über das Internet Kredite an kleine und mittlere Unternehmen (mit vielfach zweifelhafter Bonität) – zu happigen Gebühren und Zinssätzen, die bei Konsumentenkrediten oft die gesetzliche Wuchergrenze überschreiten würden. Wie risikoreich diese Geschäfte sind, zeigte auch der kürzlich bekannt gewordene Skandal um das Unternehmen Lending Club. Deren Gründer musste gehen, weil im Unternehmen Kreditdaten manipuliert wurden.

Die fehlenden Ergebnisse der Konferenz in Wiesbaden und die sich widersprechenden Positionen zur Einhegung der Digitalisierung sowie zur Regulierung von FinTechs lassen erahnen, dass die G20 unter deutscher Präsidentschaft bei diesem Thema zu keinem gemeinsamen Handlungskonzept kommen werden. Das ist weniger der Komplexität der Thematik geschuldet als den unterschiedlichen Interessen, die einzelne G20-Staaten bei den FinTechs und deren Regulierung verfolgen. Auch die Präsenz von Königin Maxima aus den Niederlanden, die laut Bild die G20-Konferenz durch ihre Anwesenheit «verzaubert» hat, konnte hier nichts zum Positiven wenden.

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