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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 04/2017

Keine Korrekturen an Hartz IV
von Manuel Kellner

Die Wahlkampfvorschläge der SPD schließen keine Gerechtigkeitslücke und schaffen den Niedriglohnsektor nicht ab.

Der Vorstoß von Martin Schulz, bei der Arbeitslosenversicherung nachzubessern, hat zu einem Aufjaulen der Unternehmerverbände geführt. Die etwas sozialere Gestaltung von Hartz IV werde zu «Warteschleifen in die Frühverrentung» und zu mehr Erwerbslosigkeit führen. Angela Merkel, CDU und FDP machen sich einmal mehr zur Stimme ihrer Herren und lehnen die neuen SPD-Vorschläge ebenfalls glatt ab. Die bayerische Arbeits- und Sozialministerin Emilia Müller (CSU) nennt die SPD-Vorschläge «realitätsfern». Sie bedeuteten Anreize für Arbeitsuchende, «länger in Arbeitslosigkeit zu verharren».

Im Mittelpunkt der SPD-Vorschläge steht die Erhöhung der Bezugsdauer für das ALG I. Erwerbslose sollen länger Arbeitslosengeld I bekommen, wenn sie sich qualifizieren. Aktuell gibt es ein Jahr lang Arbeitslosengeld in Höhe von 60% des Nettogehalts im letzten Arbeitsjahr (67% für Erwerbslose mit Kind). Ab dem 50.Lebensjahr steigt die maximale Bezugsdauer auf bis zu zwei Jahre. Danach bleibt nur noch das ALG II (für erwerbsfähige Arbeitslose) bzw. Sozialgeld (für Erwerbsunfähige).

Der SPD-Vorschlag koppelt die Verlängerung der Bezugsdauer des ALG I an Fortbildung: Finden Betroffene drei Monate lang keine Stelle, sollen sie von der Bundesagentur für Arbeit ein Fortbildungsangebot bekommen. Für die Dauer der Qualifizierung soll es «Arbeitslosengeld Q» in Höhe des ALG I geben, das nicht mit der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds verrechnet wird. Bisher verringert sich der Zeitraum der Zahlung von ALG I um die Hälfte der Dauer der Qualifizierung. Nach der neuen Regelung würde es nach dreimonatiger Arbeitssuche und einer zweijährigen Fortbildung immer noch Anspruch auf zwölf Monate ALG I geben.

Einen Anspruch auf ALG I hat bislang, wer innerhalb von zwei Jahren mindestens zwölf Monate sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat. Laut SPD soll es künftig ausreichen, dass Betroffene innerhalb von drei Jahren zehn Monate lang sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Auch soll der Vermögensfreibetrag von bislang 150 auf 300 Euro pro Lebensjahr steigen.

Die Grünen begrüßen den Vorschlag des längeren ALG-I-Bezugs in Verbindung mit Qualifizierungsmaßnahmen. Sie bemängeln jedoch, dass die SPD für die ALG-II-Beziehenden keine Verbesserungen vorschlägt – und das sind fast zwei Drittel der Erwerbslosen.

Die Partei DIE LINKE kritisiert das ebenfalls. Ihre Sprecherin Katja Kipping verlangt nicht nur eine längere Bezugsdauer für das ALG I, sondern eine komplette Abkehr von der Agenda 2010. DIE LINKE fordert insbesondere die Abschaffung von Sperrzeiten und Sanktionen sowie eine sanktionsfreie Grundsicherung.

Martin Schulz gibt zu verstehen, dass die SPD sich auf nichts dergleichen einlassen wird. Das bedeutet nun aber, dass die «Schnittmengen» zwischen der SPD und der LINKEN – die es insbesondere in der Außenpolitik gar nicht gibt – auch im Bereich der Sozialpolitik äußerst dürftig ausfallen. Unter diesen Bedingungen ist eine Beteiligung der LINKEN an einer SPD-geführten Regierung auf Bundesebene kaum vorstellbar.

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