von Alex de Jong*
Wie erwartet, brachten die Wahlen in den Niederlanden einen Rechtsruck – doch nicht in der erwarteten Weise.
Am spektakulärsten ist der Zusammenbruch der sozialdemokratischen PvdA. Ihre Verluste waren noch größer als erwartet – die Partei übertraf ihren eigenen Rekord aus dem Jahr 2002 und erlitt die größte Wahlniederlage in der Geschichte der Niederlande –, doch eine richtige Überraschung war das nicht. Nachdem sie 2012 einen «linken» Wahlkampf geführt hatte, spielte sie die Rolle der Juniorpartnerin der VVD und führte vier Jahre lang deren rechte Politik durch. Dass sie nun dafür bestraft wurde, war zu erwarten und ist nicht zu bedauern.
Besorgniserregend ist, dass die restliche Linke vom Zusammenbruch der PvdA nicht profitieren konnte. Stattdessen sind viele PvdA-Stimmen an die liberale D66 gegangen, und die gesamte Rechte hat kräftig dazugewonnen.
Ein Lichtblick ist der Zuwachs für Groenlinks. Etwa ein Viertel der enttäuschten PvdA-Wähler soll für Groenlinks gestimmt haben. Groenlinks machte nicht nur einen attraktiven Wahlkampf voller Optimismus, sondern trug auch bestimmte Inhalte vor wie den Klimawandel, den Antirassismus und eine generelle Ablehnung des Nationalismus, der die niederländische Politik so sehr dominiert.
Die SP hingegen hat einen Sitz verloren. Es ist das dritte Mal in Folge, dass die SP bei landesweiten Wahlen Stimmen verliert. Diesmal wiegt der Verlust noch schwerer angesichts der Tatsache, dass die PvdA, seit Jahren die größte Konkurrenz für die SP, Dutzende von Sitzen verloren hat. Die SP konnte keinen Honig daraus saugen und muss sich die Frage stellen, warum sie die Menschen, die sich von der PvdA abwandten, nicht gewinnen konnte. Groenlinks hingegen konnte einen großen Teil von ihnen gewinnen, und dies mit einer explizit linken Kampagne, weshalb es wenig überzeugend ist, wenn gesagt wird, dass die SP für diese Wähler gewöhnlich zu links ist. Offenbar sprach Groenlinks sie eher mit Themen an, die die SP vernachlässigt.
Eines dieser Themen, die man nicht ignorieren kann, ist der Rassismus. Groenlinks wird, ob zu Recht oder nicht, stets als die Partei des Antirassismus betrachtet, und es besteht kein Zweifel, dass dies einen Teil ihrer Attraktivität ausmacht – nicht nur für enttäuschte PvdA-Wähler, sondern auch für viele junge Menschen, die für sie gestimmt haben. Die SP hat versucht, die soziale Frage, seit Jahren die stärkste Seite der Partei, in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfs zu stellen. Das hat jedoch nicht gereicht, um neue Wähler zu gewinnen. Dass die Partei den Antirassismus nicht nur vernachlässigt, sondern führende SP-Vertreter sich selbst einer Antimigrationsrhetorik bedienten («Die eigenen Arbeiter zuerst»), hat der SP nur Stimmen gekostet.
Eine weitere Gewinnerin der Wahl ist D66. Diese Partei wird bisweilen noch als «progressiv» bezeichnet, doch sie ist eine entschiedene Verfechterin neoliberaler Politik.
Für die rechtsextreme PVV war ihr Wahlergebnis nur im Vergleich zu den hohen Erwartungen ein Rückschlag. Immerhin gewann sie fünf Sitze dazu. Es wäre übereilt, daraus den Schluss zu ziehen, dass der Aufschwung der extremen Rechten gestoppt ist.
Kommentatoren, die nur Sitze und Koalitionen betrachten, sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Die PVV hat die Niederlande erfolgreich nach rechts gerückt. Während des gesamten Wahlkampfs haben sich alle anderen rechten Parteien an ihr gemessen. Sowohl der CDA als auch die VVD machten Wahlkampf mit Themen, die auch die PVV wichtig findet: gegen Islam, gegen «Multikulti» und für eine repressive Law-and-order-Politik. Ohne Teil der Regierung zu sein, wurde die PVV so zu einer der einflussreichsten Parteien des Landes. Rutte kann sich bei Erdogan bedanken. Durch den Konflikt mit der Türkei konnte sich Rutte als starker Führer profilieren und der PVV Stimmen abspenstig machen.
Das Wahlresultat ergibt eine Reorganisation der politischen Mitte. Diese Mitte steht seit 15 Jahren unter zunehmendem Druck von links – durch die SP – und von rechts – durch die PVV und ihre Vorläufer. Die Mitte-Rechts-Parteien VVD und CDA haben sich durch die Übernahme von nationalistischen und migrantenfeindlichen Positionen des rechten Herausforderers neu erfunden. Dies hat sie stark genug gemacht, dass sie die Linke an den Rand drücken konnte.
Zu erwarten ist eine neue rechte Regierung, mit mehr Macht für die großen Unternehmen, mehr sozialer Ungleichheit und mehr Unsicherheit für die arbeitende Bevölkerung – verbunden mit der Fortsetzung einer Politik, die Flüchtlinge vom Land fernhalten will und das nationalistische und islamophobe Klima weiter schürt.
Angesichts der Schwächung der parlamentarischen Linken wird gesellschaftlicher Protest in den kommenden Jahren nun noch wichtiger werden. Dass es ein Potenzial dafür gibt, zeigte der Frauenmarsch am 11.März in Amsterdam mit über 15000 Teilnehmerinnen. Zusammen mit dem Aufbau derartiger Bewegungen auf der Straße ist jetzt eine ernsthafte Diskussion über die Schaffung einer neuen Linken vonnöten.
* Alex de Jong ist Redakteur von Grenzeloos und Direktor des Instituts für Internationale Forschung und Bildung (IIRE) in Amsterdam.
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